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BGH stärkt Passagierrecht bei Flugausfall: Wann muss die Airline zahlen?


Streik und Flugausfall
Wann muss die Airline Entschädigung zahlen?

Von dpa-tmn, t-online, afp
Aktualisiert am 04.09.2018Lesedauer: 4 Min.
Frau wartet ungeduldig am Flughafen: Welche Fluggastrechte gelten bei Streiks, die anschließend zum Ausfall oder zur Verspätung von Flügen führen?Vergrößern des BildesFrau wartet ungeduldig am Flughafen: Welche Fluggastrechte gelten bei Streiks, die anschließend zum Ausfall oder zur Verspätung von Flügen führen? (Quelle: encrier/getty-images-bilder)
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Wenn der Flieger viel zu spät startet oder ganz ausfällt, können Reisende eine Entschädigung fordern. Und auch bei Ausfällen aufgrund von Streiks kann Passagieren eine Ausgleichszahlung zustehen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden.

Flugreisende können auch dann auf eine Entschädigung hoffen, wenn ihr Flug wegen eines Streiks an den Passagierkontrollen des Flughafens gestrichen wurde. Ausgleichszahlungen könnten den Passagieren auch in diesem Fall zustehen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH konkretisierte im Fall eines klagenden Ehepaars die "außergewöhnlichen Umstände", die Airlines von solchen Zahlungen befreien können. (Az. X ZR 111/17)

Was war in dem vorliegenden Fall passiert?

Das Ehepaar wollte im Februar 2015 von Hamburg nach Lanzarote fliegen. Die Fluggesellschaft annullierte den Flug, weil die Beschäftigten an der Passagierkontrolle in den Ausstand getreten waren. Die Kläger verlangten deshalb von der Airline Ausgleichszahlungen und beriefen sich dabei auf die EU-Fluggastrechteverordnung.

Der Streitwert liegt bei rund 900 Euro. Die Airline strich an dem Streiktag zwar den Flug, ließ das Flugzeug aber ohne Passagiere nach Lanzarote fliegen.

Klage war in Vorinstanz gescheitert

In den Vorinstanzen war die Klage noch erfolglos geblieben. Der BGH hob nun das Urteil des Landgerichts Hamburg im Berufungsverfahren auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurück.

Es ging vor allem darum, ob es sich bei dem Streik um "außergewöhnliche Umstände" handelt, die die Airline von einer Ausgleichszahlung befreien können. Die EU-Verordnung sieht vor, dass Ausgleichszahlungen nicht fällig werden, wenn eine Annullierung auf Umstände zurückgeht, die die Fluggesellschaft nicht vermeiden konnte. Es ging laut BGH deshalb in dem Fall darum, ob die Annullierung eine zwangsläufige Folge des Streiks war.

Das Landgericht Hamburg hatte noch angenommen, dass solche "außergewöhnlichen Umstände" vorlagen. Das Gericht begründete dies zum einen damit, dass wegen des Streiks nicht alle Passagiere des Flugs rechtzeitig kontrolliert werden könnten. Zudem habe ein Sicherheitsrisiko bestanden, weil wegen des großen Andrangs die Gefahr bestanden habe, dass die Kontrollen nicht mit der gewohnten Sorgfalt vorgenommen werden.

Warum folgte der BGH der alten Argumentation nicht?

Der BGH folgte dieser Argumentation nicht. Ein Streik sei zwar grundsätzlich geeignet, "außergewöhnliche Umstände" zu begründen, entschied der zuständige Zivilsenat. Allerdings sei die Airline nicht allein deshalb zur Annullierung gezwungen gewesen, weil zahlreiche Passagiere die Kontrollen nicht rechtzeitig hätten passieren können. Das Gericht habe nämlich nicht festgestellt, dass kein einziger Passagier den Flug hätte wahrnehmen können.

Die Annullierung sei auch nicht deshalb auf "außergewöhnlichen Umstände" zurückgegangen, weil die abstrakte Gefahr einer weniger sorgfältigen Passagierkontrolle hätte bestehen können, erklärte der BGH. Die Kontrolle sei Sache der zuständigen Behörden. Ohne tatsächliche Anhaltspunkte für ein konkretes Risiko könne eine Fluggesellschaft die Streichung eines Flugs daher nicht mit Sicherheitsbedenken rechtfertigen.

Welche Rechte haben Reisende bei Flugausfällen?

Das ist seit 2005 in der EU einheitlich geregelt. Wer wegen eines gestrichenen Fluges länger hängenbleibt, hat beispielsweise Anspruch auf Getränke und Essen in der Wartezeit, wenn nötig auch auf eine Hotelübernachtung. Die Airline muss die Beförderung anderweitig organisieren oder auf Wunsch den vollen Ticketpreis erstatten. Eine sogenannte Ausgleichszahlung kann möglich sein, wie das neue Urteil zeigt.

Ausgleichszahlung – was bedeutet das?

Ein finanzieller Ausgleich steht Passagieren von der Fluggesellschaft zu, wenn ihre Verbindung stark verspätet oder überbucht ist oder kurzfristig ganz ausfällt. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Länge der Reise ab. Bei einem innereuropäischen Flug von mehr als 1.500 Kilometern sind es beispielsweise 400 Euro pro Person. Der Betrag halbiert sich, wenn ein Ersatzflieger die Reisenden ohne allzu große Verspätung ans Ziel bringt.

Warum wollte Easyjet nicht zahlen?

Die Fluggesellschaften müssen nach den EU-Regelungen nicht für ein Vorkommnis gerade stehen, das "auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären". Als Beispiele nennt die Verordnung neben politischer Instabilität und widrigen Wetterbedingungen auch Streiks. Das sind aber nur Anhaltspunkte. Ob die Fluggäste entschädigt werden, ist von Fall zu Fall zu prüfen.

Was zählt als "außergewöhnliche Umstände"?

Dazu gibt es inzwischen sehr viele Urteile. Bei Schäden am Flugzeug fordert der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Entschädigung, wenn diese auf fehlerhafte Wartung zurückgehen. Ist Sabotage der Grund oder ein Terrorakt, kann die Sache anders aussehen. Der BGH stuft Vogelschlag als "außergewöhnlichen Umstand" ein, die Beschädigung eines Flugzeugs durch einen rollenden Gepäckwagen dagegen nicht. Entscheidend sind immer zwei Kriterien: Gehört das Ereignis zur normalen Tätigkeit der Airline? Und: Ist es von dieser beherrschbar? Außerdem muss alles getan worden sein, um die Ausfälle zu vermeiden.

Was gilt bei Streiks?

Der BGH hat Streiks vor dem aktuellen Urteil schon zweimal als "außergewöhnliche Umstände" bewertet. Einmal ging es um Annullierungen wegen eines Streikaufrufs der Piloten-Vereinigung Cockpit, einmal um Verspätungen durch Generalstreiks in Griechenland mit zeitweiser Sperrung des Luftraums. Der EuGH hingegen verpflichtete die deutsche Tuifly zu Ausgleichszahlungen nach sogenannten wilden Streiks. Aus Protest gegen Umstrukturierungen hatten sich massenhaft Mitarbeiter krank gemeldet. Diesen Konflikt rechneten die Luxemburger Richter der Sphäre des Unternehmens zu.

Verwendete Quellen
  • dpa/tmn, AFP
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