Flugzeug-Knigge Profis erklären, wie man sich richtig benimmt
Was tun, wenn es im Flieger schlecht riecht oder der Sitznachbar die Armlehnen in Beschlag nimmt? Ist Essensnachschlag für mich drin? Wer hat die Herrschaft über die Fensterrollos? Drei Kabinenprofis antworten auf zehn Benimmfragen.
Eigentlich sollte man meinen, wir kennen uns mit der Fliegerei langsam aus. Viele Menschen auf engem Raum, da sollte jeder wissen, was er zu tun - beziehungsweise besser zu lassen hat. Man will als Passagier ja auch gern höflich sein. Nur: Kaum hat man Platz genommen, geht das Ellbogengeruckel auf den Armlehnen meist schon los.
Wer kann sich wie viel Platz verschaffen? Was ist mit der Rückenlehne? Einerseits gibt es den Knopf zum Verstellen, andererseits nervt man den Hintermann. Wie lange ist es okay, den Waschraum zu belegen? Kann ich beim Essen in der Economy um Nachschlag bitten? Und wie sorge ich für reine Luft, wenn dem Vordermann nicht so schöne Düfte entfahren Zwei langjährige Purserinnen und ein erfahrener Flugbegleiter erklären, wie man auch etwas heiklere Situation an Bord elegant regelt, wie Passagiere sich untereinander die Zeit im Flieger möglichst angenehm machen, welche Sonderwünsche das Kabinenpersonal erfüllen kann - und wann auch die Profis passen müssen.
Ich habe einen Platz in der Mitte erwischt und Sitznachbarn, die sich auch noch auf den Armlehnen breit machen. Ist es okay, wenn ich mir Platz verschaffe?
"Da die Plätze am Gang und am Fenster die attraktiveren sind, sollte man in Sachen Armlehnen dem Passagier auf dem unbeliebten Mittelplatz den Vortritt lassen. Statt wortlos mit den Ellbogen zu drängeln, kann man sich ja freundlich absprechen. Im Flieger sind nun mal viele Menschen auf relativ engem Raum zusammen – gegenseitiges Verständnis ist sehr wichtig." Angela Belger, Lufthansa
"Mit ein bisschen Charme findet man eigentlich immer eine gute Lösung. Allein die Frage ‚Wollen wir uns die Armlehne vielleicht teilen?` erzielt meist schon die gewünschte Wirkung."Christine Berger-Danzinger, Condor
"Für diese Situation gibt es kein festes Regelwerk, aber eine Art ungeschriebenes Gesetz der Höflichkeit ist es schon: Man sollte dem Passagier in der Mitte beide Armlehnen überlassen" Timo Zinn, TUI Fly
Wahnsinn, wie lange manche Passagiere im Waschraum verschwinden!
"Wer sich auf den Weg zum Waschraum macht, steuert meistens ganz automatisch die Toiletten an, die in Blickrichtung vorn liegen. Schneller geht es meistens in den Kabinen hinten. Die sind oft weniger stark frequentiert." Christine Berger-Danzinger, Condor
"Dass man sich nach einem langen Flug in Ruhe frischmachen möchte, ist klar. Einen umsichtigen Blick sollte man aber schon werfen, bevor man die Türe des Waschraums hinter sich schließt. Wenn der Andrang groß ist - wie etwa nach einem Langstreckenflug vor der Landung -, sollte man sich freundlicherweise auf das Nötigste beschränken. Toilettengang, Händewaschen, Zähneputzen. Frauen, die sich vor der Landung noch in Ruhe schminken möchten, können das doch auch am Platz erledigen." Angela Belger, Lufthansa
Muss ich mir wirklich jedes Mal wieder die Sicherheitshinweise anhören?
"Im Notfall – und das gilt für alle Airlines - muss eine Maschine binnen 90 Sekunden geräumt sein. Die Sicherheitshinweise sind wirklich wichtig - und eben nicht immer gleich. Hören Sie bitte die fünf Minuten zu. Auch weil die Hinweise von Flugzeugtyp zu Flugzeugtyp variieren und an Passagiere unterschiedliche Anforderungen stellen, zum Beispiel an diejenigen, die an den Notausgängen sitzen." Timo Zinn, TUI Fly
Ist es okay, beim Essen um Nachschlag zu bitten?
"Fragen ist immer erlaubt! Zwar sind die Essen abgezählt, aber es kommt natürlich vor, dass am Ende der Essensausgabe noch die eine oder andere Portion übrig ist. 10 oder 20 hungrige Passagiere können wir aber leider nicht doppelt versorgen. Die Bitte um Nachschlag sollte daher nicht die Regel sein. Wir haben übrigens nichts dagegen, wenn jemand eigene Verpflegung mit an Bord bringt. Wie ein Sandwich oder einen Obstsalat." Angela Belger, Lufthansa
"Außerdem gibt es ja immer noch die Snacks im Bordverkauf. Mitgebrachte Bordverpflegung ist in Ordnung. Aber sie sollte den Sitznachbarn zuliebe nicht stark riechen." Christine Berger-Danzinger, Condor
Rauf oder runter - wer hat die Macht über das Fensterrollo?
"Derjenige, der am Fenster sitzt. Vielleicht hat der Passagier dort schon eine lange Reise hinter sich und will schlafen – auch wenn draußen eigentlich helllichter Tag ist. Ich finde es sinnvoll, wenn Sitznachbarn sich untereinander zu Beginn des Fluges kurz vorstellen. Nicht nur, weil es höflich ist, man kann so auch von vorneherein für mehr Verständnis füreinander sorgen. Für diejenigen, die trotz schlafendem Nachbarn eine tolle Aussicht genießen wollen: Viele Flugzeuge haben an den Türen größere Fenster. Wenn es gerade passt, überlassen wir Flugbegleiter den Gästen auch mal unsere eigenen Plätze zum Gucken." Angela Belger, Lufthansa
Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich in der engen Economy meine Rückenlehne nach hinten klappe?
"Besonders in der Economy ist die verstellbare Rückenlehne ein wichtiges Komfortmerkmal. Natürlich soll ein Passagier sie nutzen dürfen. Mit drei Ausnahmen: Wenn Essen serviert wird, beim Start und bei der Landung." Angela Belger, Lufthansa
"Das Thema Rückenlehne führt unter Passagieren durchaus schon mal zu kleineren Konflikten. Dabei hat ja jeder die Möglichkeit, den Sitz nach hinten zu klappen: Wenn der Vordermann sie verstellt, kann man dahinter ja auch ausweichen. Bevor man die Lehne nach hinten drückt, wäre es aber immer nett, den Hintermann kurz vorzuwarnen." Christine Berger-Danzinger, Condor
"Es gibt ja nicht nur ganz oder gar nicht – man kann die Lehne ja auch nur halb nach hinten stellen." Timo Zinn, TUI Fly
Mein Vordermann pupst. Ihn anzusprechen, ist mir peinlich, aber der Geruch ist auch alles andere als schön.
"Wenn es Ihnen wirklich stinkt, können Sie beim Bordpersonal gern um ein Testparfüm aus dem Bordverkauf bitten. Ein paar Spritzer sorgen schnell für reine Luft. Ansonsten hilft vielleicht das Wissen, dass die Klimaanlage die Kabinenluft alle paar Minuten einmal komplett austauscht. Die eingebauten Filter holen übrigens auch die meisten Erkältungsviren aus der Luft." Timo Zinn, TUI Fly
"Manche Passagiere merken nicht, wenn ihnen zum Beispiel im Schlaf Lüftchen entweichen. Das ist für alle Beteiligten eine peinliche Situation, die galant umschifft werden will. Ich halte nichts davon, den Verursacher direkt anzusprechen. Wenn sich der Geruch gar nicht verzieht: Wir Damen haben meistens ein Parfümfläschchen in der Handtasche und helfen zur Not gern mit ein bisschen Frischduft aus." Angela Belger, Lufthansa
Woanders im Flieger ist mehr Platz. Darf ich mich noch vor dem Start in eine freie Reihe umsetzen oder muss ich warten, bis der Flieger in der Luft ist?
"Solange aus Sicherheitsgründen nichts dagegen spricht, etwa weil der Flieger schon in Richtung Startbahn rollt, ist es völlig in Ordnung, umzuziehen. Nur: Falls Sie ein Sonderessen bestellt haben – bitte informieren Sie uns über den Platzwechsel. Sonst müssen wir bei der Essensausgabe unnötig lange suchen." Angela Belger, Lufthansa
Die Kinder in der Reihe vor mir sind ganz schön ausdauernd mit ihrem Gebrüll…
"Wir sind ein Ferienflieger und freuen uns über junge Gäste. So empfindet natürlich nicht jeder Mitreisende, gerade wenn Kinder mal etwas lauter werden: Weil sie aufgeregt sind vor ihrem ersten Flug, manche haben vielleicht sogar Angst oder Ohrenschmerzen beim Start und bei der Landung, weil es mit dem Druckausgleich noch nicht so gut klappt. Oder sie sind durch den Wind, weil der Flieger mitten in der Nacht geht. Aber: Waren wir nicht alle mal Kinder? Sollte sich ein Passagier extrem gestört fühlen, bemühen wir uns, ihn umzusetzen." Timo Zinn, TUI Fly
"Kinder sind Kinder. Hier setzten wir auf das Verständnis der erwachsenen Passagiere. Wir versuchen die Reise für alle Passagiere angenehm zu gestalten. Für die Kinder haben wir Spielzeug, Kekse oder Gummibärchen dabei." Christine Berger-Danzinger, Condor
Über welches Passagierbenehmen, welche Wünsche oder Ansprüche müssen Sie sich manchmal wundern?
"Mich hat mal ein Fluggast, der mit seinem Hund in der Kabine reiste, nach Futter für den Vierbeiner gefragt. Zuerst dachte ich, es sei ein Scherz. Aber er meinte es ernst. Den Wunsch musste ich dem Herrchen leider abschlagen. Wir Flugbegleiter sind natürlich immer sehr gern für Servicewünsche da - unsere wichtigste Aufgabe ist jedoch, die Sicherheit an Bord zu gewährleisten. Das bedeutet auch, dass wir gegen "unruly passengers" durchgreifen. An Bord hat der Kapitän Hausrecht. Er kann entscheiden, einen zum Beispiel stark alkoholisierten Passagier nicht mitzunehmen. Im Extremfall würden wir auch zwischenlanden und einen, der die Bordregeln grob verletzt, vor die Türe setzen. Dass es so weit eskaliert ist, habe ich aber zum Glück noch nicht erlebt." Timo Zinn, TUI Fly
"Die meisten Gäste gehen davon aus, dass das Handgepäckfach über dem gebuchten Sitz ihnen gehört. Falsch. Freien Platz in den Fächern kann jeder Passagier nutzen – egal, wo er sitzt. Lustig sind die Sonderwünsche einiger Gäste: Manche brauchen Nähzeug, bitten um Ersatzhemden oder fragen nach einem Wäschetrockner an Bord. Wenn wir können, helfen wir immer gern – aber manchmal müssen wir passen." Christine Berger-Danzinger, Condor