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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte über E-Auto-Krise in China "Nur wenige Autohersteller werden bestehen bleiben"

Der chinesische E-Auto-Markt steht unter Druck und verändert gerade die Regeln der Branche weltweit. Ein Experte erklärt, wer sich behaupten kann.
Chinas Autohersteller führen einen beispiellosen, ruinösen Preiskrieg. Grund dafür ist ein Überangebot an Pkw. Das hat Folgen weit über das Land hinaus (Details lesen Sie hier). Immer mehr chinesische Autobauer drängen nach Europa, darunter Marken wie BYD, Chery und SAIC. Doch nicht alle werden überleben. Was das für den Markt und die deutschen Hersteller bedeutet, erklärt Andreas Herrmann, Direktor des Instituts für Mobilität der Universität St. Gallen.

Zur Person
Prof. Dr. Andreas Herrmann ist Direktor des Instituts für Mobilität an der Universität St. Gallen und Professor für Betriebswirtschaftslehre. Er forscht seit Jahren zu Automobiltrends, Konsumverhalten und der Transformation der Mobilität. Herrmann berät Unternehmen der Automobilbranche und tritt regelmäßig als Redner und Experte auf Branchentagungen auf.
t-online: In China tobt ein Preiskampf ungekannten Ausmaßes. Wozu wird das führen?
Andreas Herrmann: Derzeit gibt es rund 150 chinesische Automarken. Es ist absehbar, dass nur wenige davon bestehen bleiben – häufig ist von fünf bis zwanzig die Rede. Die übrigen werden nicht einfach verschwinden, vielmehr wird es zu Fusionen und Übernahmen kommen. Gute Überlebenschancen haben vor allem jene Hersteller, die zusätzlich über eine eigene Batteriefertigung verfügen – wie etwa BYD.
Ist dieser Preiskampf ein rein chinesisches Problem oder droht er über den Export auch Deutschland zu erfassen?
Zunächst betrifft der Preiskampf vor allem den chinesischen Markt. In den vergangenen Jahren sind dort zahlreiche neue Anbieter entstanden, begleitet von einem massiven Ausbau der Produktionskapazitäten. Dabei wurde häufig unterschätzt, wie anspruchsvoll der Markteintritt in Europa tatsächlich ist. Zwar wachsen die chinesischen Marken auch hierzulande, aber längst nicht in dem Tempo, das sie sich erhofft hatten. Der Aufbau von Vertriebsstrukturen und Markenbekanntheit stellt nach wie vor große Herausforderungen dar.
Welche Rolle können deutsche Hersteller in diesem Umfeld überhaupt noch spielen – technologisch, preislich, strategisch – mit Blick auf China, aber auch Europa?
Deutsche Autobauer werden nicht vom Markt verschwinden, aber ihr Anteil wird kleiner. Entscheidend ist, dass sie zwei zentrale Stärken chinesischer Anbieter übernehmen: zum einen die sogenannte "China Speed", also die Fähigkeit zur schnellen und radikalen Erneuerung von Fahrzeugen. Zum anderen die Fokussierung auf Software als Herzstück des Autos. In Deutschland dominieren noch immer Hardware-Denken und Fertigungstiefe. Das Zusammenfügen der Teile mit möglichst geringen Abständen, dem sogenannten Spaltmaß, war den deutschen Herstellern immer extrem wichtig. Heute aber gilt, pointiert gesagt: Software ersetzt das Spaltmaß.
Viele chinesische Marken sind schon in Deutschland präsent. Welche könnten sich dauerhaft in Deutschland durchsetzen?
Es gibt zwei grundsätzliche Strategien: Hersteller wie BYD bieten E-Autos mit umfangreicher Ausstattung und konkurrenzlosem Preis-Leistungs-Verhältnis. Daneben dürfte es Anbieter geben, die sich auf spezifische Nischen konzentrieren wie etwa auf die Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umgebung oder besonders ausgefeilte Infotainmentsysteme.
Ist der Markteintritt chinesischer Hersteller auch eine Chance für deutsche Verbraucher?
Ja. Chinesische Hersteller bieten viel Auto fürs Geld. Davon profitieren die Verbraucher hierzulande. Hinzu kommt: Viele dieser Hersteller werden vom chinesischen Staat unterstützt – durch Subventionen, die letztlich auch den Preis für Kunden in Deutschland drücken.
Die EU reagiert mit Zöllen, China mit Gegenmaßnahmen. Wie stark beeinflussen solche Eingriffe die Expansion chinesischer Hersteller nach Europa?
Kurzfristig stellen sie ein Hindernis dar. Mittelfristig aber ist damit zu rechnen, dass chinesische Hersteller Werke in Europa bauen. Erste Vorhaben – etwa in Ungarn – sind bereits in Planung.
Sie beobachten den chinesischen Automarkt seit Jahren. Was hat Sie zuletzt am meisten überrascht?
Zum einen hat mich beeindruckt, wie schnell chinesische Anbieter in der Lage waren, marktfähige Fahrzeuge zu entwickeln. Zum anderen die Konsequenz, mit der sie Fahrzeuge von der Software her denken – statt wie bei uns den umgekehrten Weg von der Hardware zu gehen.
Danke für das Interview, Herr Herrmann!
- Schriftliches Interview mit Prof. Dr. Andreas Herrmann