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Donald Trump: Der US-Präsident und der große Rückzug Amerikas


Post aus Washington
Trump und der große Rückzug Amerikas

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 07.06.2019Lesedauer: 4 Min.
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Trump bei D-Day-Feier in der Normandie: Neuer ZynismusVergrößern des Bildes
Präsident Donald Trump bei der D-Day-Feier in der Normandie: Neuer Zynismus macht sich breit. (Quelle: Ian Langsdon/Pool/reuters)

Die USA feiern sich am D-Day für die Befreiung Europas. Doch unter den Amerikanern hat sich ein Zynismus über die eigene Rolle in der Welt breitgemacht, den Donald Trump gekonnt ausnutzt.

Donald Trump verbrachte die Woche bekanntlich in Europa, doch er bescherte Washington vor seiner Abreise noch eine kräftige Portion Chaos:

Mit seiner kurzfristigen Drohung, Zölle auf alle Importe aus Mexiko zu erlassen, erwischte er jedermann, auch das eigene Kabinett, eiskalt. Für seine Handelsberater folgten hektische Gespräche mit den Mexikanern.

Doch trotz Mexiko und Europa-Trip traten die Trump-Schlagzeilen hier zuletzt hinter den D-Day zurück, dessen Jubiläum die Amerikaner stets groß inszenieren. Immerhin ist es Amerikas größter militärischer Triumph – und der einzige, auf den man ohne Abstriche stolz sein kann.

Ich war am Donnerstag auf der D-Day-Feier am Weltkriegsdenkmal auf der Mall, dem Ort, an dem die USA alles versammeln, was ihnen heilig ist. Es war eine uramerikanische Veranstaltung mit Hymne und Treueschwur, Gebet und Army-Band. 30 Veteranen wurden einzeln gewürdigt und beklatscht. Die meisten kamen im Rollstuhl, sie sind ja in ihren Neunzigern. Sie zitterten und schwankten, wenn sie sich kurz erhoben. Ein rührender Moment.

Am Rande sprach ich mit Robert Levine, 94 Jahre alt, der kurz nach seinem 19. Geburtstag am Utah-Beach in der Normandie landete und sogleich in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet.

Als ich mich als Korrespondent aus Deutschland vorstellte, sagte er: "Ein deutscher Arzt hat mir das Leben gerettet."

Dann erzählte er: Nach einer Verletzung habe ihn ein Arzt der Wehrmacht auf französischen Feldern das rechte Bein amputiert – und ihm so das Leben gerettet. Jahrelang trug er einen Zettel mit dem Namen des Arztes bei sich. Gute dreißig Jahre später half ein Franzose, Kontakt zur deutschen Familie des Mediziners herzustellen. Da war der Arzt längst verstorben.

Seitdem stehen die Familien in regelmäßigem Austausch. "Eine Enkelin aus Deutschland war gerade zwei Wochen bei uns", sagte Levine. "Erstaunlich, oder?"

Was für eine wunderbare Geschichte, die im Grauen des Zweiten Weltkriegs ihren Ursprung nahm.

In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA. Gefällt Ihnen die Kolumne? der noch weitere Einblicke und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Die D-Day-Feiern sind stets berührend, auch, weil hier eine Generation geehrt wird, die bald verstorben sein wird. Vor fünf Jahren, zum 70. Jahrestag, habe ich die Feierlichkeiten vor Ort in der Normandie beobachtet (unter ganz anderen Vorzeichen). Hier in Amerika nehmen die Erinnerungen an Invasion und Zweiten Weltkrieg großen Raum ein.

Doch heute sind Amerikas globale Ambitionen auf dem Rückzug. Ich habe noch im Studium der US-Politik gelernt, dass sich die Amerikaner ohne jegliche Ironie als Kraft der Veränderung zum Guten in der Welt sehen. Diese Wahrnehmung wird hier immer stärker von einem Zynismus überlagert, der sich mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak ausgebreitet hat.

Dieser Zynismus über die eigene Rolle in der Welt begegnet mir hier immer wieder, sobald ich mich etwas von Washington fortbewege. Zuletzt am Wochenende beim Plausch mit dem Besitzer einer idyllischen Pension auf Cape Cod.

Früher war er Demokrat, jetzt ist er Trump-Fan – und hält den Präsidenten für ein Genie, weil der gekonnt die interventionistischen Ambitionen seines eigenen Sicherheitsapparats eindämme. Als Beleg galt ihm Trumps Rhetorik in der Iran-Krise. Nun ja, der Mann hört auch liebend gern die Sendung von Verschwörungstheoretiker Alex Jones.


Trump bedient diesen neuen Zynismus jedenfalls hervorragend. Er schwört Weltverbesserungsideen und Kooperation zugunsten zählbarer, kurzfristiger Erfolge ab, die er erreichen will, indem er eiskalt den Machtüberschuss der USA ausspielt: Was kann er wem abpressen? Wer exportiert viel, kauft aber nicht genügend amerikanische Waren? Für alles greift er zu seinen Zöllen.

Das Zusammenschrumpfen amerikanischer Ziele und Interessen auf ein Nullsummenspiel vollzieht sich Tag für Tag vor unseren Augen. Also viel Glück, liebe Briten, wenn demnächst der von Trump angekündigte "phänomenale" Handelspakt verhandelt werden soll …!

Trump liebt eine solche Ausgangslage: Ein kleinerer Partner, der angewiesen ist auf die USA. Deshalb sprach Trump ja auch immer wieder bei Merkel und Macron vor, er wolle bilateral mit ihnen verhandeln, statt mit der EU als Ganzes.

Das Establishment in Washington, die Europäer und ein Großteil der Welt rümpfen die Nase über Trumps "America First", doch man übersieht leicht, auf welch fruchtbaren Boden der Kurs fällt, wenn eine Gesellschaft ermüdet bis angewidert ist von den eigenen globalen Ambitionen der Politik.

Zur Erinnerung: Schon Obama wurde vor allem wegen seines Versprechens gewählt, den Irakkrieg zu beenden. Später war er so abgeneigt, in Syrien einzugreifen, dass er dem Assad-Regime erst eine rote Linie aufstellte und sich dann wegduckte, als sie überschritten wurde.

Der Zynismus vieler Amerikaner gegenüber den Möglichkeiten, die Welt zu gestalten, ist mittlerweile so ausgeprägt, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass sich nach 2020 etwas am Rückzug der USA ändert – ganz egal, wer die kommende Wahl gewinnt.

Anders ausgedrückt: Das amerikanische Jahrhundert ist vorbei.

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