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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Dann ist da morgen der Ofen aus" Bei Trump kommt der Experte zu einem bedrohlichen Schluss

Ist Trump auf Putins Seite? Der Politologe Frank Sauer erklärte bei "Markus Lanz", warum Europa so verwundbar ist und es naiv wäre, sich auf die Nato zu verlassen.
Nach dem ergebnislosen Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin herrscht in Berlin Ernüchterung, während die Begeisterung in Moskau mit Händen zu greifen ist. So klar beschrieb der CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" die gegenwärtige außenpolitische Gemengelage und diskutierte mit den anderen Gästen darüber, wie Deutschland und Europa nun reagieren könnten.
Gäste:
- Thorsten Frei (CDU), Kanzleramtschef
- Frank Sauer, Politikwissenschaftler
- Karina Mößbauer, Chefkorrespondentin "The Pioneer"
- Frederik Pleitgen, CNN-Korrespondent
Während Putin genau wisse, wie er mit Trump umzugehen habe, sei Trumps Ehrfurcht vor dem russischen Präsidenten erschreckend offensichtlich, erläuterte Pleitgen weiter. "Er will unbedingt, dass Putin sein Freund ist, dass Putin gut mit ihm kann", so der Journalist. Deswegen sei von der ursprünglichen amerikanischen Drohung mit schweren Sanktionen auch nicht mehr viel übrig geblieben.
Trump näher an Putin als Europäern, warnt Politologe
Das Gespräch habe zum wiederholten Male gezeigt, dass Putin kein ernsthaftes Interesse an Frieden und Diplomatie habe, befand der Politologe Frank Sauer. Zu einer fast noch bedrohlicheren Schlussfolgerung fühlte sich der Experte für Sicherheitspolitik angesichts des Verhaltens des US-Präsidenten veranlasst. "Über Trump lernen wir, dass er im Zweifel immer uns Europäern in den Rücken fallen wird und sich auf Putins Seite stellen wird", urteilte der Wissenschaftler.
"Die Rahmenbedingungen sind denkbar schwierig", gab der frischgebackene Kanzleramtschef Thorsten Frei zu. Putin spiele auf Zeit und versuche, die Europäer und die Amerikaner gegeneinander auszuspielen. Deshalb gelte es nun, einerseits diplomatisch alles zu versuchen und andererseits umso entschlossener aufzutreten, wenn es um militärische Abschreckung und Sanktionen gehe.
Allerdings warnte Russlandkenner Pleitgen davor, die Wirkung ökonomischer Strafmaßnahmen von europäischer Seite zu überschätzen. Die Laune sei nicht nur in Moskauer Regierungskreisen, sondern auch in Teilen der russischen Wirtschaft sehr gut. Dort mache man sich weniger über neue Sanktionen Gedanken, sondern überlege vielmehr, wie man die Chancen der veränderten US-Politik nutzen könne. "Die sehen sich schon kurz davor, wieder auf dem amerikanischen Markt zu sein", schilderte der Journalist seine Eindrücke aus Gesprächen mit russischen Unternehmern.
Ist die Nato noch glaubwürdig?
Auch auf Putins Alter und Gesundheitszustand brauche man im Westen nicht zu hoffen. Nach sechs bilateralen Treffen an einem Tag habe der russische Präsident auf ihn einen guten Eindruck gemacht, berichtete Pleitgen von einer Pressekonferenz im Kreml. "Der wirkte auf jeden Fall fitter als ich", sagte der 48-jährige Medienvertreter über den 72-jährigen Putin.
Die Zwickmühle, die sich für Europa aus den jüngsten Entwicklungen ergibt, fasste Politikwissenschaftler Sauer schonungslos zusammen. Man existiere gegenwärtig "in einem Fenster der Verwundbarkeit", wo auf Trump kein Verlass sei und Putin im Grunde freie Bahn habe, stellte der Wissenschaftler der Universität der Bundeswehr München fest. Putin könne in dieser Situation versuchen, die Nato mit einer begrenzten militärischen Aktion zu spalten.
"Wir sind jetzt von beiden Seiten unter Druck", erläuterte Sauer. Sowohl Trump als auch Putin seien illiberale Akteure, die die Demokratie zerstören wollten und weitere illiberale Kräfte innerhalb der europäischen Staaten unterstützten.
Deshalb stelle es auch keine Option mehr dar, sich auf die Nato zu verlassen. Das Vertrauensverhältnis, auf dem das Verteidigungsbündnis beruhe, sei ohnehin zerstört. Er habe selbst erlebt, wie hohe amerikanische Militärs, die positive Signale nach Europa gesendet hätten, kurzerhand ausgetauscht worden seien. "Die waren dann alle weg, ersetzt durch irgendwelche Trump-Loyalisten", so Sauer. "Und wenn Trump sagt, mit der Nato bin ich fertig, dann ist da morgen der Ofen aus", lautete das unmissverständliche Urteil des Sicherheitsexperten.
Frei: "Notfalls fünf Prozent"
Dass diese Botschaft in der Bundespolitik angekommen ist, machte Frei deutlich. "Allein auf wirtschaftliche Stärke zu setzen, das ist naiv", erklärte der Merz-Vertraute. Verteidigungsfähig zu sein, sei gegenwärtig das Entscheidende. Notfalls werde man auch fünf Prozent des Bundeshaushalts dafür aufwenden, wie von seinem CDU-Parteikollegen, Außenminister Johann Wadephul, jüngst in die Diskussion eingebracht.
Die Summe allein sei nicht unbedingt ausschlaggebend, warnte Karina Mößbauer. Das Geld müsse auch sinnvoll ausgegeben werden. Die Journalistin mahnte vor diesem Hintergrund ein effizienteres Beschaffungswesen bei der Bundeswehr an. Ansonsten drohe man viel Geld für sogenannte Goldrandlösungen, also unnötig aufwendige Projekte, auszugeben, ohne Skaleneffekte oder Aspekte wie die Generationengerechtigkeit zu berücksichtigen. Das Ziel müsse sein, "dass man möglichst viel bekommt für möglichst wenig Geld".
Aus dieser und anderen Äußerungen der Talkteilnehmer ging klar hervor, dass von der schwarz-roten Bundesregierung mehr denn je strategische Weitsicht und Handlungsfähigkeit gefragt sind. Für Fehler in der Außen- und Verteidigungspolitik bleibt ihr kaum Spielraum.
- ZDF-Sendung "Markus Lanz" vom 20. Mai 2025