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Wahlverwandtschaft im Alter: Weg vom Heim - Gemeinsam weniger einsam


Weg vom Altenheim – Gemeinsam weniger einsam

dpa, Matthias Röder

09.08.2017Lesedauer: 3 Min.
Die charismatische Lotte Tobisch (91) hielt sich fit durch glücklich sein.Vergrößern des BildesDie charismatische Lotte Tobisch (91) hielt sich fit durch glücklich sein. (Quelle: Archiv/Matthias Röder/dpa-bilder)
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Das Hilde-Wagener-Künstlerheim in Baden bei Wien bietet

An der Tür prangt das Schild "Kammerschauspielerin". Auf dem Flur erinnert ein Poster an den Aufenthalt der Großmutter von Filmstar Romy Schneider, Rosa Albach-Retty. Und der 75-jährige Ottwald John ist gerade von seinem letzten Auftritt als aktiver Schauspieler zurückgekehrt, um im Kreis von Gleichgesinnten seinen Lebensabend zu verbringen. Das Hilde-Wagener-Künstlerheim in Baden bei Wien ist eine Alters-Oase für Menschen, die ihr Leben auf der Bühne, im Orchestergraben oder an einer Staffelei verbracht haben.

Auch "arme Poeten" finden hier ein Zuhause

"Der Zauber des Hauses ist, dass die Leute wissen, wovon sie reden. Sie teilen eine gemeinsame Welt", ist Lotte Tobisch überzeugt. Die 91 Jahre alte Schauspielerin und Grand Dame Österreichs ist die resolute, humorvolle und hellwache Präsidentin des Altenheimes. Hier finden auch Künstler ein Zuhause, die eher "arme Poeten" geblieben sind.

"Wenn die Rente nicht reicht, hilft der Verein", so die Heimleiterin Anneliese Fritthum. Der Verein "Künstler helfen Künstlern" betreibt das Haus seit mehr als 60 Jahren. Der Mindestpreis für eines der 25 Zimmer mit Vollpension liegt bei 1400 Euro im Monat. "Manch einer hat aber nur 1000 Euro Rente", sagt Fritthum. Gut also, dass sich beim Spendensammeln auch TV-Stars wie die österreichischen "Tatort"-Kommissare Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser hervortun. Die Möbel für die gemütlichen, einladenden Zimmer stammen schon mal vom Flohmarkt. Mehrfach im Monat kommen aktive Künstler, um ihren Kollegen vorzulesen oder vorzuspielen.

In großen Altersheimen herrscht Einsamkeit

"Das hier ist eine Wahlverwandtschaft. In den großen Heimen herrscht eine merkwürdige Einsamkeit in der Menge", sagt Tobisch. Sie hat an diversen Theatern gespielt, hat von 1980 bis 1996 den berühmten Wiener Opernball organisiert, und besteht darauf, dass der mit einem kleinen Flügel ausgestattete Gemeinschaftsraum "Salon" genannt wird.
Dort herrscht muntere Konversation, zumindest wenn der 90 Jahre alte Theaterschauspieler Kurt Hradek aus Graz das Wort führt. Er lobt charmant das pinkfarbene Strick-Oberteil einer Bewohnerin, erkundigt sich galant nach dem Befinden. Wer viele Rollen gespielt hat, verlernt das Kommunizieren nicht, so scheint es. "Ich hüte mich davor, immer nur alte Geschichten zu erzählen", ist Hradek zur Unterhaltung fest entschlossen. "Ich war ein tragischer Komiker", sagt er.

Freie Zimmer auch für Kurzzeit-Gäste

Auch die Witwe des Dramatikers Fritz Hochwälder ("Das Heilige Experiment") war als Angehörige eines Künstlers im Haus willkommen. Sie hat sich auf Parapsychologie als Hobby verlegt und gerade über die Lehren C.G. Jungs und Sigmund Freuds diskutiert. "Mein Mann hat solche Abrakadabra-Schmähs abgelehnt", erinnert sich die 85-Jährige schmunzelnd. Wenn das Haus nicht ausgebucht ist, werden freie Zimmer für Kurzzeit-Gäste angeboten. Für Wochen oder Monate kamen die Mutter von Musical-Star Dagmar Koller oder die Mutter des Lebensgefährtin von TV-Star Christiane Hörbiger ins Haus.

Das Haus in der einst vom Kaiser oft besuchten 25.000-Einwohner-Stadt 30 Kilometer südlich von Wien steht in der Tradition der "Casa Verdi" in Italien. Der berühmte und schwerreiche Komponist Giuseppe Verdi (1813-1901) hatte in einer Mailänder Villa ein Altersheim für rund 50 Musiker gestiftet. In Deutschland betreibt die Marie-Seebach-Stiftung in Weimar das einzige Altenheim für Bühnenkünstler. Auch hier wird großer Wert auf kulturelles Leben gelegt.

Viele Bewohner werden über 100 Jahre alt

"Die Albach-Retty hat zu ihrem 100. Geburtstag das Rauchen angefangen. Sie ist dann noch 106 geworden", erinnert sich Tobisch, die schon als junge Frau für das Heim in Österreich um Spenden geworben hat, an alte Zeiten. Ohnehin seien im Altenheim viele Bewohner über 100 Jahre alt geworden. Für ihre eigene Vitalität macht sie sich einen Spruch des Philosophen Voltaire zunutze: "Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein", sagt sie mit blitzenden Augen.

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