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Zirkusse in Corona-Krise : "Dann müssten wir überlegen, Tiere zu verkaufen"


Zirkusse in der Corona-Krise
"Dann müssten wir überlegen, unsere Tiere zu verkaufen"


Aktualisiert am 20.10.2020Lesedauer: 4 Min.
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Im Circus Aeros: Justin Schmidt mit Kamelen (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Im Circus Aeros: Justin Schmidt mit Kamelen (Archivbild). (Quelle: pictureteam/imago-images-bilder)

Die deutschen Zirkusse leiden sehr unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Manch ein Betrieb hat in diesem Jahr noch nicht geöffnet. Zum Glück gibt es Hilfen vom Staat und Spenden.

An Normalbetrieb ist im Berliner Circus Busch derzeit nicht zu denken. Bei maximal einem Drittel der Zuschauerkapazität oder gar noch weniger lohnt das Geschäft einfach nicht, sagt Harald Kuchenbecker. Doch die Auflagen wegen der Corona-Krise lassen nichts anderes zu. Deshalb ruht das Zirkusleben derzeit. Buschs Tiere sind bei einem befreundeten Betrieb untergebracht, die Wohnwagen in einer Halle geparkt. Man hofft darauf, dass es Anfang kommenden Jahres endlich wieder besser wird.

Wie dem Circus Busch, der von der Schaustellerfamilie Scholl betrieben wird, geht es derzeit praktisch allen Unternehmen in der Branche. Die Pandemie hat ihre Arbeit nahezu unmöglich gemacht. Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen engen die Besucherkapazitäten derart ein, dass viele ihren Betrieb gleich ganz zu lassen. Was bleibt, ist sich mit staatlichen Hilfen und Spenden irgendwie über Wasser zu halten.

Aufmachen lohnt sich einfach nicht

Beim Zirkus Aeros aus Sachsen sieht man die Lage besonders finster. In diesem Jahr hat man noch nicht eine Vorstellung gehabt, sagt Gerhard Schmidt, der mit seiner Familie den Betrieb mit dem klingenden Namen des einstigen DDR-Staatszirkus leitet. Aufmachen lohnt sich für ihn aktuell einfach nicht.

"Unsere Platzmiete von 2.000 Euro können wir mit den Auflagen, die überall gelten, nicht decken", sagt er t-online. Die Folge: Die Tiere bleiben in ihren Ställen, die Wagen sind in einer Halle untergestellt. Die Betriebskosten laufen aber weiter. Hilfe vom Staat habe man nicht bekommen. "Unsere Artisten, die wir für die Saison buchen, mussten wir nach Hause schicken. Sie sitzen nun auf Abruf und warten, dass wenigstens der Weihnachtszirkus in Leipzig stattfinden kann."

Eine Branche in der Krise

Auch Ralf Huppertz, Chef des Verbands deutscher Circusunternehmen (VDCU), sieht die Branche in einer dramatischen Krise. Er veranstaltet selbst große Zirkusse in der Weihnachts- und Winterzeit. Den Rest des Jahres lebt er vom Verleih seiner riesigen Zelte für Konzerte, Events und Festivals – aber auch hierbei hat ihm Corona das Geschäft verhagelt.

Allerdings, so schränkt Huppertz ein, seien nicht alle Betriebe gleich hart betroffen. Kleine Zirkusse seien bisher besser durch die Krise gekommen. Sie sind meist in Familienhand, manche hätte keinen einzigen Angestellten, was es leichter mache, finanzielle Belastungen abzufedern.

Anders bei den mittleren und großen Zirkussen. Sie hätten größere Auslagen, die mit 30 Prozent erlaubter Auslastung nicht zu stemmen seien. Viele Betriebe hätten deshalb Mitarbeiter entlassen müssen. Huppertz ist gleichwohl der Meinung, dass die staatlichen Hilfen bislang einige Härten haben abfedern können. Die meisten Betriebe hätten im Frühjahr von Soforthilfen sowie den laufenden Zuschüssen der Jobcenter für Kleinkunstbetriebe profitiert, sagt er zu t-online.

Verbandschef ärgert sich über Behörden

Der Verbandschef sieht auch regionale Unterschiede als Ursache, wieso es manche Zirkusse leichter und manche schwerer haben. "Im Norden, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, funktionieren die Absprachen mit den Behörden ganz gut. Anderswo ist es schwieriger." Huppertz berichtet, dass Betrieben zugesagte Publikumskapazitäten kurzfristig verwehrt worden seien, oder dass Stellplätze zur Verfügung gestellt wurden, die den aktuellen Erfordernissen nicht gerecht würden.

Der VDCU-Chef bemängelt, dass er sich schön häufiger seit Beginn der Pandemie mit Verwaltungen habe rumärgern müssen. Die Betriebe hätten Dutzende Fälle an ihn herangetragen, in denen ihnen von staatlicher Seite beschlossene Hilfen verweigert worden seien. Er habe auch schon mal den Ratschlag gehört: "Dann geben Sie doch die Tiere ab." Huppertz hofft, dass die Politik noch einmal nachbessert und die Zirkusse auch im kommenden Jahr nicht vergisst. Denn ähnlich schwer wie die Krise wird für viele Unternehmen der Neustart sein.

Mit Autozirkus die Verluste kompensieren

So versuchen viele Zirkusse, vor allem aus eigener Kraft die schwere Zeit zu überstehen. Beim Circus Busch etwa baut man Wagen für den Zirkusbetrieb auf oder repariert alte. "Wir haben es auch mit Autozirkus versucht, wo Zuschauer auf einer Leinwand aus dem Auto eine Vorstellung verfolgen konnten", erläutert Kuchenbecker. "Dabei kommt aber nur wenig zusammen und es laufen dafür andere Kosten auf, die bezahlt werden müssen."

Für viele Betriebe sind deshalb Spenden zu einer derzeit wichtigen Einnahmequelle geworden, wie auch Kuchenbecker bestätigt. Verbandschef Huppertz ist erstaunt, wie groß die Spendenbereitschaft in diesem Jahr ist. "Von Bürgern wie auch von Bauern werden Lebensmittel gebracht. Aus dem ganzen Land höre ich von einer sehr großen Resonanz auf die Spendenaufrufe."

Klappt das Wintergeschäft noch?

Bei Aeros setzt man die Hoffnungen vor allem auf das Weihnachtsgeschäft. Anders als vielen Kollegen, deren Winterevents abgesagt werden mussten, hat Schmidt die Zusage der Stadt Leipzig vorliegen. Man habe ein geeignetes Feld bekommen, auf dem man die Hygieneauflagen umsetzen und trotzdem noch genügend Zuschauer hineinlassen könne, sagt er. "Das abgestimmte Konzept würde es uns möglich machen, kostendeckend zu spielen."

Über den Winter hinaus will der Zirkusmacher aber erst einmal nicht denken. Zukunftspläne mache er keine, wie er sagt. Aber hält der aktuelle Zustand noch länger an, wäre sein Betrieb wohl zu bitteren Entscheidungen gezwungen. "Dann müssten wir überlegen, Tiere und Material zu verkaufen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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