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Coronavirus: Abiturient plant Corona-Streiks an Schulen


Abiturient plant Corona-Streiks an Schulen

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 18.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Leere Klassen? Das Bild aus einer Schule in Österreich ist vom Dienstag. In Deutschland arbeitet der Berliner Abiturient Anjo Genow mit Gleichgesinnten an ähnlichem Protest gegen Durchseuchung.Vergrößern des Bildes
Leere Klassen? Das Bild aus einer Schule in Österreich ist vom Dienstag. In Deutschland arbeitet der Berliner Abiturient Anjo Genow mit Gleichgesinnten an ähnlichem Protest gegen Durchseuchung. (Quelle: privat, Twitter/Mati Randow)

Deutschland könnte wegen der Präsenzpflicht in Corona-Zeiten ein Streik an Schulen bevorstehen. Ein Berliner Abiturient steckt hinter der Idee – und will mit anderen Schülern selbst Unterricht organisieren.

Unter dem Motto "Ein klares Nein zur geplanten Durchseuchung von Kindern und Jugendlichen" sind am Dienstag Schülerinnen und Schüler verschiedener österreichischer Landesteile in den Ausstand getreten. Nach ihrem Vorbild laufen auch in Deutschland Vorbereitungen, um an Schulen zu streiken. Der Berliner Abiturient Anjo Genow (17) ist einer der Organisatoren. Es könnte schnell gehen.

t-online: In Österreich werden jetzt Schulen bestreikt. Du willst das in Deutschland nachmachen?

Anjo Genow: Ich kenne den Organisator in Österreich von Twitter, wir waren auch schon zusammen in einer öffentlichen Gesprächsrunde. Ich fand es wichtig, dass den seit Anfang der Pandemie bestehenden und weiterhin ignorierten Forderungen nun Gewicht verliehen wurde. Es ist schade, dass in Österreich die Politik dennoch nicht reagiert hat und sich die Schülerinnen und Schüler deshalb jetzt zu anderen Schritten gezwungen sehen. Meine Hoffnung ist, dass es in Deutschland vielleicht anders geht.

Wenn die Politik Forderungen zum sicheren Lernen erfüllt ...

Viele Forderungen aus dem offenen Brief in Österreich sind so oder ähnlich auch auf Deutschland übertragbar. Es geht uns nicht nur um Schutzmaßnahmen, sondern insgesamt um mehr Beachtung für die Belastung in Pandemiezeiten. Ich will den Brief noch ein wenig anpassen und stimme den Text mit ein paar Schülervertretern aus anderen Bundesländern ab. Dann wollen wir an die verschiedenen Landesgremien herantreten und ihn in die Schulen transportieren, wo wir hoffentlich einem breiten Konsens und Rückhalt begegnen.

Das kann dauern, oder?

Der Plan ist, zum Wochenende hin diesen Forderungskatalog zu veröffentlichen, mit einer Frist, entsprechend zu reagieren. Als Adressat sehe ich Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die Kultusministerinnen und -minister der Länder, die Landesregierungen und die Bundesregierung.

Anjo Genow ist Schulsprecher am Otto Nagel Gymnasium in Berlin. Er gehört auch dem Bezirksschülerausschuss an, wo er letztes Jahr mit im Vorstand tätig war. Nach Teilnahme an einer Klausurtagung des Landesschülerausschusses Berlin wurde er dort kürzlich als beratendes Mitglied hinzugewählt

Und dann wird an Präsenzpflicht festgehalten und es fallen keine Luftfilter vom Himmel – und die Schüler gehen auf die Straße?

Es läge in der Verantwortung der Politiker und der Ministerien, endlich zu reagieren. Ich favorisiere erst mal andere Formen des Boykotts als Proteste zu Tausenden auf der Straße. Mir geht es ja vor allem um unsere Sicherheit. Mir schwebt vor, dass etwa Bildungs-YouTuber gewonnen werden könnten, die ein Programm mit Angeboten für diese Aktion erstellen würden. Wir wollen lernen! Unser Recht auf Bildung schließt aber nicht das auf Gesundheit aus. Wir machen es dann eben selbst; wenn Schulen diese Sicherheit nicht bieten können, weil die Politik ihnen die Möglichkeiten dazu nicht gibt.

Von den Kultusministern heißt es immer, Schulen seien sicher.

Das ist einfach zu sagen: Dann müsste man nichts tun. Wie wenig das stimmt, sehen wir daran, dass sich rechts und links um uns herum Mitschülerinnen und Mitschüler infizieren und an den sehr hohen Inzidenzzahlen in unserer Altersgruppe. Es gibt nur sehr wenige Schulen, die den Sicherheitsempfehlungen des RKI tatsächlich gerecht werden können. Der Großteil ist weit davon entfernt.

Und wenn Politiker das Gegenteil behaupten?

Dann wirft das die Frage auf, ob sie in der Pandemie schon einmal eine Schule von innen gesehen haben. Die Aussage, Schulen um jeden Preis offen zu halten, heißt eigentlich, konsequent weitergedacht, dann auch einen Preis dafür zu zahlen. Aber diesen begleichen nicht die Politik und die Bildungsverwaltung mit Investitionen. Den Preis lässt man aktuell uns Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte, das Gesundheitssystem und die Familien zahlen.

Es kommt dann aber auch das Argument, dass Kinder und Jugendliche nur sehr selten schwer erkranken.

Geringeres Risiko heißt doch nicht, dass wir nicht auch schützenswert sind. Wir können doch nicht ignorieren, dass wir noch so wenig über Langzeitschäden wissen. Long-Covid-Kinder werden ausgeblendet. Und die Schüler und Schülerinnen haben ja auch in ihren Familien Kontaktpersonen, die sich bisher mit viel Aufwand geschützt haben und denen schwerere Verläufe drohen könnten. Es geht aber auch nicht nur um direkte gesundheitliche Folgen durch Infektionen.

Sondern?

Es gibt doch eine Reihe von zusätzlichen Belastungen durch die derzeitige Situation. Teils unzureichender Distanzunterricht und Präsenzpflicht mit vielen Infektionen ziehen beide einen Rattenschwanz nach sich. Einige Schülerinnen und Schüler sind mittlerweile zu Hause wegen Infektion oder Quarantäne. Sie erhalten teils keine richtige Unterrichtsversorgung und verpassen viel Stoff. Das belastet sie dann noch zusätzlich.

Alle Experten rechnen damit, dass sich über kurz oder lang jeder infiziert.

Ja, es wird wohl schlussendlich zu einer Durchseuchung kommen. Die Frage ist nur, ob sich Menschen unkontrolliert in einer riesigen Menge infizieren. Die Alternative wäre, dass wir jetzt die nötigen Maßnahmen ergreifen, um uns besser gegen die Infektionen zu wappnen, wie mit Impfungen, und dann vielleicht Medikamente haben, die uns schwerere Fälle besser behandeln lassen.

Demos für "Sichere Bildung"
Elterninitiativen und "Sichere Bildung"-Zusammenschlüsse haben den kommenden Samstag, 22. Januar, zu einem bundesweiten Aktionstag ausgerufen. In mehreren Großstädten sind Kundgebungen für besseren Infektionsschutz an Schulen und Kitas geplant. Die Aktion läuft unter dem Motto #LeiseWirdSichtbar.

Schule hat auch eine gesellschaftliche Funktion, und der Schulbesuch ist für viele Kinder und Jugendliche kaum zu ersetzen.

Das ist richtig. Unser Ziel ist auch nicht, dass Schulen geschlossen werden, sondern dass alle in Sicherheit lernen können. Solange Schulen diesen Schutz im Präsenzunterricht nicht leisten können, müssen wir die Möglichkeit bekommen, gut angeleiteten und eng betreuten Distanzunterricht zu erhalten. Viele Probleme, wie große psychische und körperliche Belastung, häusliche Gewalt und fehlende Digitalisierung, sind Probleme, unter denen wir schon viel länger leiden. Sie werden nur unter dem Brennglas der Pandemie sichtbarer.

Wird mit zweierlei Maß gemessen? Nachsicht da, wo Eltern oder Kinder keine Tests und Masken wollen, dafür kein Verständnis dort, wo Kinder aus Sorge vor dem Virus daheim bleiben sollen?

Viele fühlen sich aktuell aus verschiedensten Gründen von der Politik alleingelassen. Was mir besonders am Herzen liegen würde ist, dass mehr mit den Betroffenen, uns Kindern, gesprochen wird. Viele Probleme und Konflikte würde es gar nicht so geben, wenn man sich mal darüber verständigen würde und zusammen nach Lösungen sucht. So etwas lernt man übrigens auch in der Schule.

Danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
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