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"Bundesservice Telekommunikation": Ist ein deutscher Geheimdienst aufgeflogen?


Geheimdienst aufgeflogen?
"Mit der Behörde stimmt etwas nicht"

  • Jonas Mueller-Töwe
InterviewVon Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 14.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz: Unterhält der Nachrichtendienst eine getarnte Dienststelle?Vergrößern des Bildes
Das Bundesamt für Verfassungsschutz: Unterhält der Nachrichtendienst eine getarnte Dienststelle? (Quelle: Sepp Siegl/imago-images-bilder)

Eine Behörde ohne Budget, Erreichbarkeit und konkrete Zuständigkeiten? So etwas gibt es in Deutschland offenbar. Eine IT-Sicherheitsexpertin hat sie entdeckt – und vermutet einen Nachrichtendienst dahinter.

Sie hat Sicherheitslücken in der Luca-App ausfindig gemacht und Schwachstellen in der Wahlkampf-App der CDU offengelegt. Nun ist die IT-Sicherheitsexpertin und Aktivistin Lilith Wittmann erneut auf brisantes Material gestoßen: Hinter einer bis dato unbekannten Bundesbehörde vermutet sie einen deutschen Nachrichtendienst. t-online hat mit ihr über ihre Recherche gesprochen.

t-online: Frau Wittmann, was genau tun Sie eigentlich?

Lilith Wittmann: Ich beschäftige mich viel mit der Digitalisierung der Verwaltung. Dabei geht es mir aber nie nur um die Digitalisierung an sich, sondern viel mehr um den gesellschaftlichen Wandel hin zu einem offenen und transparenten Staat. Und deswegen schaue ich mir einerseits Software an und erstelle Sicherheitsanalysen, aber analysiere auch die Strukturen, in denen Software eingesetzt wird.

Und bei dieser Arbeit haben Sie zuletzt eine Entdeckung gemacht: Sie glauben eine Tarnbehörde eines deutschen Geheimdienstes identifiziert zu haben?

Ich habe mir im Dezember die gesamte deutsche Verwaltung angeschaut. Ich wollte alle Bundesbehörden katalogisieren und festhalten, was sie tun. Das ist offenbar ein etwas neuer Ansatz, sollte aber eigentlich eher Grundlagenarbeit sein, um sichtbar zu machen, wie Verwaltung funktioniert – wer für was zuständig ist und wer mit wem kommuniziert. Dabei tauchte dann diese Behörde auf: "Bundesservice Telekommunikation". Und mit der Behörde stimmt etwas nicht.

Haben Sie Hinweise zu einem unserer Artikel? Verfügen Sie über Einblicke in Bereiche, die anderen verschlossen sind? Möchten Sie Missstände mithilfe unserer Reporter aufdecken? Dann kontaktieren Sie uns bitte unter hinweise@stroeer.de .

Was hat Sie stutzig gemacht?

Ich müsste irgendwann einmal von ihr gehört haben. Das ist nicht nur mir eine völlig unbekannte Behörde. Niemand aus dem Bereich kennt sie. Sie ist nirgends sonst gelistet. Auch aus der Verwaltung ließ sich nichts in Erfahrung bringen. Das ist enorm ungewöhnlich. Unter normalen Umständen lassen sich solche Wissenslücken leicht mithilfe anderer Fachleute schließen. Hier nicht.

Aber es muss doch irgendwelche Informationen über eine öffentliche Behörde geben?

Das wäre anzunehmen – wenn es sich um eine normale Behörde handelt, die offenbar seit mehr als zehn Jahren existiert. Aus der Beschreibung der Behörde lässt sich aber auf keine konkrete Aufgabe schließen. Fax- und Telefonnummer sind vertauscht. Das E-Mail-Postfach existierte bis vor Kurzem nicht. Der "Bundesservice Telekommunikation" ist faktisch nicht zu erreichen. Am Gebäude gibt es Klingelschild und Briefkasten, aber kein offizielles Amtsschild.

Was war also Ihr nächster Schritt?

Eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Ich habe mich für die Kommunikation zwischen Bundesverwaltungsamt und diesem "Bundesservice Telekommunikation" interessiert. Und da wurde es richtig verdächtig: Die erste Antwort darauf ging per E-Mail auch der Geheimschutzbeauftragten des Bundesverwaltungsamts zu. Parallel zur förmlichen Antwort etwas später – das Ergebnis war erwartbar nichtssagend – wurde der Eintrag in der Verwaltungsliste stillschweigend gelöscht.

Das ist zumindest interessant. Gibt es die Behörde vielleicht nicht mehr?

Faktisch scheint sie nie existiert zu haben. Eine parlamentarische Anfrage der Linken hat kurze Zeit später nämlich ergeben: Dem "Bundesservice Telekommunikation" sind in all den Jahren seines angeblichen Bestehens noch nie Gelder zugewiesen worden. Es wäre eine Behörde völlig ohne Budget, sie könnte nicht mal Miete und Telefonrechnung bezahlen. Damit steht fest: Es ist keine Behörde der regulären Bundesverwaltung. Das kann ich ausschließen.

Aber gibt es konkrete Hinweise auf einen Nachrichtendienst hinter der Behörde?

Das alles erinnert stark an frühere Tarndienststellen des Bundesnachrichtendienstes, zum Beispiel an die "Bundesstelle für Fernmeldestatistik". Hier würde ich allerdings eher auf den Verfassungsschutz tippen. Einen konkreten Hinweis darauf gibt derjenige, der die parlamentarische Frage beantwortet hat.

Der betreffende Staatssekretär war bis Ende des Jahres im Innenministerium unter anderem zuständig für Verfassungsschutz und das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ). Er ist auch selbst ehemaliger Verfassungsschützer.

Nehmen wir an, es steckt ein Nachrichtendienst dahinter? Wofür werden solche Tarnbehörden verwendet?

Beispielsweise zur Legendenbildung in der Informationsbeschaffung. Es klingt natürlich unverdächtig, wenn man sich als Mitarbeiter des "Bundesservice Telekommunikation" vorstellt. So etwas gab es zumindest beim Bundesnachrichtendienst früher häufig. Der Dienst hatte 2013 angekündigt, die Tarndienststellen zu schließen – kurz darauf flog eine weitere auf. Also gehe ich davon aus, dass es so etwas weiterhin gibt. Von anderen Geheimdiensten war das allerdings bis dato nicht weitläufig bekannt.

Was finden Sie problematisch daran?

Ich halte Geheimdienste per Definition für problematisch. Sie agieren geheim und entziehen sich damit aus meiner Sicht demokratischer Kontrolle. Das gilt natürlich in gleicher Weise für solche getarnten Dienststellen.

Verwendete Quellen
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