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Zum journalistischen Leitbild von t-online.35 Jahre nach Mauerfall "Sie sind sich im Osten nicht im Klaren"
Die Mauer fiel vor 35 Jahren. Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Ostdeutschland lassen t-online-Nutzer jetzt fragen, wie wiedervereint wir wirklich sind.
Die Friedliche Revolution führte am 9. November 1989 zum Fall der Berliner Mauer, nach vier Jahrzehnten der Teilung – ein historischer Meilenstein. Doch ist die Wiedervereinigung wirklich gelungen?
Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben gezeigt: Auch wenn im alten Bundesgebiet die AfD eine Rolle spielt, spricht die rechte Partei den Osten des wiedervereinten Landes viel stärker an. In allen drei Bundesländern erreichte sie etwa 30 Prozent der Wählerstimmen.
Auch das seit Beginn des Jahres existierende Bündnis Sahra Wagenknecht schnitt sehr gut ab und kam aus dem Stand auf jeweils zweistellige Werte, wohingegen alte Parteien wie die Grünen, die Linke oder die FDP enorme Verluste hinnehmen mussten.
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Monika Lehmann: "Ich habe mich dann wirklich gefreut, als die Wende war. Ich fand das so wunderbar, dass ich das erleben durfte, also so hautnah mitbekommen habe."
Monika Schaefer: "Damit haben wir nicht gerechnet, dass unsere Verwandten einfach rüberkommen konnten. Das war eine unfassbare Freude. Ich bin jetzt noch ganz emotional, wenn ich daran denke."
Dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer ist Deutschland längst wieder eins – oder etwa nicht?
Bei den Landtagswahlen im Osten wurde die AfD erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland. Und ohne das BSW ist wohl keine Koalition möglich. Alte Parteien hingegen erlitten dramatische Verluste.
Die Wahlergebnisse lassen t-online-Nutzer aus Ost und West fragen: Wie vereint ist Deutschland wirklich?
Ramona Strankowski: "Wenn die Leute im Osten – und deswegen würde ich ihnen gerne den Kopf waschen – so weitermachen, wie sie jetzt angefangen haben, indem sie sich die AfD suchen, indem sie auch das BSW, die spielen da mit, das ist überhaupt keine Frage. Wenn sie sich auf diese Parteien jetzt konzentrieren, dann ziehen sie möglicherweise den ganzen Westen mit runter. Ich glaube, sie sind sich im Osten überhaupt nicht darüber im Klaren, was sie tatsächlich anrichten können mit dem, was sie da tun."
Monika Schaefer: "Ich kann nur hoffen, dass die Politik die richtigen Worte findet und den Kontakt findet, um das vielleicht noch ein Stückchen aufzuhalten. Ich bewundere die Politiker, die im Osten für die Demokratie kämpfen. Und ich verstehe nicht, wie das so möglich ist."
Roland Knappe: "Das Vertrauen in diese aktuell gelebte Demokratie ist für große Teile weg, weil dort einfach in den letzten Jahren Sachen passiert sind, auch teilweise in Jahrzehnten, die letztendlich dazu geführt haben, dass man in großen Teilen der Bevölkerung, insbesondere auch in jüngeren Altersbereichen, der Meinung ist, dass diese Politik nicht mehr Deutschland guttut und insbesondere auch nicht dem Osten guttut."
Monika Lehmann: "Da ist jetzt diese Unzufriedenheit eben so groß geworden, dass die Menschen jetzt radikal was ändern wollen. Aber für mich ist das nicht die Lösung, jetzt rechtsextremistische Kräfte zu wählen."
Hartmut Trier: "Viele Leute haben eben Veränderung gewählt oder den Wunsch nach Veränderung versucht. Wenn jetzt Kommunalwahlen in Hessen oder sonst wo wären, wären ähnliche Ergebnisse, wenn man mal das auf die etablierten Parteien bezieht. Die Zustimmung ist zurzeit in Deutschland sehr gespalten und das ist kein ostdeutsches Problem."
Carsten Schneider ist Ostbeauftragter der Bundesregierung. Er schreibt in seinem aktuellen Bericht: „Beide Landesteile sind längst viel enger miteinander verwoben, als es manchmal scheint.“
Grund genug also, um nicht mehr zwischen Ost und West zu unterscheiden?
Ramona Strankowski: "Ich glaube nicht, dass es vorbei ist, man sieht das ja. Es gibt tatsächlich sehr viele Unterschiede und ganz viele Dinge, die noch nicht ausgesprochen sind und für die es keine gemeinsamen Lösungen gibt. Und ich glaube, da ist noch ein gehöriges Stück Arbeit zu leisten, bis wir tatsächlich zusammenwachsen."
Monika Lehmann: "Meine Kinder haben ja in Süddeutschland studiert und die sind da voll integriert. Da gibt es nicht Ost und West mehr und auch die Familien werden immer internationaler."
Roland Knappe: "Diese Unterschiede zwischen Ost und West auszugleichen, insbesondere eben zum Beispiel im Wahlverhalten, was ja letztlich ein Spiegel ist für die Situation der Leute. Das wird noch ein bisschen dauern. Das hängt auch viel davon ab, wie zum Beispiel die Energiewende gelingt und wie insgesamt sich Deutschland weiterentwickelt."
Ob das Wahlverhalten zwischen Ost- und Westdeutschen wirklich so verschieden ist, wird vor allem die Bundestagswahl im Herbst 2025 zeigen.
Anlässlich des Mauerfall-Jubiläums wollten wir von ost- und westdeutschen Bürgern wissen: Ist Deutschland tatsächlich wiedervereint oder ist die Nation gespaltener denn je? Die Antworten der t-online-Nutzer sehen Sie hier oder oben im Video.
- Videointerviews mit den t-online-Nutzern Ramona Strankowski, Monika Schaefer, Hartmut Trier, Monika Lehmann und Roland Knappe
- mit Videomaterial von Reuters
- mit Fotomaterial von Bernd von Jutrczenka / dpa