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Interview Jochem Marotzke: "Kein Argument für Klimaskeptiker", 25.11.2009


Interview
"Kein Argument für Klimaskeptiker"

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Daten des Britischen Hadley-Zentrums für Klimawandel haben hitzige Diskussionen unter Klimaforschern angefacht. Denn seit fast zehn Jahren scheint der Klimawandel eine Pause eingelegt zu haben: Die weltweite Durchschnittstemperatur steigt nur noch minimal.

Die Experten sind geteilter Meinung über die britische Studie. Stefan Rahmstorf vom "Potsdam Institut für Klimafolgenforschung" hält die Daten einfach für falsch: Der Forscher meint, die Erwärmung sei auch die letzten Jahre weitergegangen. Der Meteorologe Sven Plöger vom Wetterdienst Meteomedia hingegen bestätigt die Entwicklung. Plöger ist aber überzeugt: Auch wenn es kurze Phasen ohne Erwärmung gibt - langfristig geht der Klimawandel dennoch weiter. Über die Klima-Kontroverse sprach wetter.info mit dem Klimaforscher Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.

Herr Marotzke, seit zehn Jahren steht der Klimawandel praktisch still, die Temperaturen sind kaum gestiegen. Der Weltklimarat (IPCC) aber hat für diesen Zeitraum eine Erwärmung von 0,2 Grad vorhergesagt. Wie kann es sein, dass die Prognose so falsch gelegen hat?

Der IPCC bezieht sich immer auf einen deutlich längeren Zeitraum. Diese 0,2 Grad beziehen sich auf einen längerfristigen Trend, 25 oder 30 Jahre. Wenn wir also 30 Jahre warten, und die Konzentration der Treibhausgase anhält, dann erwarten wir Temperaturerhöhungen von ungefähr 0,2 Grad pro Jahrzehnt. Wenn ich mir jetzt einen kürzeren Zeitraum angucke, dann kann es passieren, dass durch Zufälle, so wie jetzt, die Erwärmung schwächer oder langsamer erfolgt.

Überraschen Sie die neuen Daten?

Es kommt für mich nicht überraschend, dass so etwas überhaupt passiert. Durch die Überlagerung von natürlichen Schwankungen und menschengemachtem Treibhauseffekt ist zu erwarten, dass man irgendwann eine Phase hat, in der die beiden Effekte sich so entgegenwirken, dass die Temperaturkurve eine Abflachung zeigt. Was ich nicht hätte sagen können, ist, warum es denn jetzt passiert.

Gibt es denn eine mögliche Erklärung für diese "Pause" des Klimawandels?

Für mich ist keine der gängigen Theorien überzeugend. Es ist zum Beispiel gesagt worden, es läge an der „schwächelnden" Sonne. Es ist richtig, dass in den letzten zwei bis drei Jahren die Sonnenaktivität gering ist. Es stimmt auch, dass diese Phase der geringeren Aktivität länger ist, als man es erwartet hätte. Das kann meiner Meinung nach aber nicht die gesamten letzten neun Jahre erklären. Alle anderen Phänomene, die so etwas erklären könnten, haben nicht stattgefunden. Es hat keine größeren Vulkanausbrüche gegeben. Es hat auch keine besonders ausgeprägte Phase der El-Niño-Oszillation gegeben, wo man sagen könnte, dass wir jetzt in einer besonders kalten Phase sind. Alle Mechanismen, von denen wir wissen, dass sie im Prinzip wirken, greifen hier nicht, und deswegen bin ich persönlich ein bisschen ratlos. Ich bin überzeugt, dass es an der natürlichen Temperatursachwankung liegt, aber ich kann meinen Finger nicht auf eine bestimmte Theorie legen und sagen: das erklärt das, was wir sehen.

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So ein Erklärungsnotstand ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Klimaskeptiker...

Diese Phase der nicht stattfindenden Erwärmung steht nicht im geringsten im Gegensatz zu der klaren Erkenntnis, dass ein erhöhter CO2-Gehalt zur Erwärmung der Erde führt. Es ist alles völlig im Rahmen unseres Verständnisses von Kohlendioxid-getriebener Erwärmung und Klimaschwankung. Von daher ist es nicht im geringsten ein Argument für die Klimaskeptiker, die sagen, dass es den Treibhauseffekt nicht gibt, oder dass der menschengemachte Anteil gering ist. Was wir jetzt sehen, ist nichts, was die Argumente der Skeptiker unterstützt. Die Skeptiker sagen jetzt natürlich: "Wir haben doch schon immer gesagt, dass die globale Erwärmung Quatsch ist“. Dieses Argument ist falsch, aber das stört diese Leute nicht.

Phasen ohne Erwärmung können also während des Klimawandels immer wieder vorkommen. Wie kommt es, dass diese Tatsache in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist?

Jeder Klimawissenschaftler weiß um diese natürlichen Schwankungen. Wenn wir uns aber um die Kommunikation mit den Medien bemühen, gibt es natürlich die Notwendigkeit zur Vereinfachung, das ist völlig klar. Lange Zeit war natürlich der Zusammenhang zwischen Kohlendioxidgehalt und Erderwärmung genau das, was vermittelt werden sollte. Dass es auch natürliche Schwankungen gibt, schien nicht so wichtig. Die sind dann ein bisschen unter den Tisch gefallen, nicht gezielt verschwiegen worden. Und die Journalisten wollen die Sache auch nicht unnötig kompliziert machen. Man wollte sich auf das Wesentliche konzentrieren, aber was das Wesentliche ist, das kann sich auch mal ändern.

Wird sich der Umgang der Klimaforscher mit den Medien jetzt ändern?

Ich denke, das wäre gut. Meine eigene Strategie ist, dass ich die Komplexität nicht herausnehme. Wir wünschen uns auch Vereinfachungen in der Darstellung, aber es gibt einen Punkt, wo man etwas für die Medien so verkürzt, dass man langfristig in Erklärungsnotstände kommt. Da will ich meine Linie so ziehen, dass dieser Erklärungsnotstand nicht auftaucht. Und ich könnte mir vorstellen, dass das ein bisschen um sich greift, denn die Diskussion zurzeit zeigt ja, dass man vielleicht mit der Vereinfachung ein bisschen zu weit gegangen ist.

Wie lange wird die Phase ohne Erwärmung noch anhalten?

Ich wünschte, ich könnte das sagen, aber ich kann es nicht. Wir arbeiten daran. Es läuft jetzt gerade ein großes Forschungsprogramm an, bei dem es gerade darum geht, Klimavorhersagen für die nächsten paar Jahre zu machen. An diese Rechnungen muss man ganz anders herangehen als an die klassischen IPCC-Rechnungen. Ein Ergebnis dieses Projektes wird hoffentlich sein, dass wir Vorhersagen machen können, wann so eine Phase ohne Erwärmung kommt oder wann sie wieder aufhören wird.

Herr Marotzke, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Malte Jessl

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