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Kriminalität in Deutschland: Der seltsame Fall vom "Katzenkönig" | True Crime


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Der unglaubliche Fall des "Katzenkönigs"

Von Niclas Staritz

Aktualisiert am 23.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Schwarze Katze: Sie gilt als Symbol des Unglücks. Mit diesem Fall hat sie allerdings weniger zu tun. (Quelle: IMAGO / Wirestock/imago images)

1986 stach der Polizeibeamte Michael R. zwölfmal auf eine Verkäuferin in einem Blumenladen ein. Sein Motiv: Die Rettung der Menschheit.

Die Geschichte des "Katzenkönigs" gehört zu den skurrilsten Fällen der deutschen Kriminalgeschichte. Bis heute wird der Fall praktisch in jeder Strafrechtsvorlesung thematisiert. Dabei geht es um "Täterschaft, Teilnahme und Verbotsirrtum", heißt es auf der Seite des Jura-Magazins "katzenkönig", das nach dem Fall benannt ist. Was genau ist passiert? Woher stammt der Name "Katzenkönig"? Und warum ist der Fall so umstritten?

Am 30. Juli 1986 kam Michael R. nach Feierabend in einen Bochumer Blumenladen und gab vor, ein paar Rosen kaufen zu wollen. Als Annemarie N. ihm den Rücken zugedreht hatte, ging er mit einem Messer auf die Verkäuferin des Geschäfts los. Zwölfmal stach Michael R. der Frau in Hals, Gesicht und Körper. Erst dann ließ er von der Floristin ab. Mit Rosen drapierte der Angreifer noch ein Kreuz auf dem Körper des Opfers, ehe er vom Tatort floh.

Der "Katzenkönig" vom Möhnesee

Bereits am Tag nach der Tat konnte Michael R. gefasst werden. Trotz der gravierenden Verletzungen und des erheblichen Blutverlusts überlebte Annemarie N. den Angriff. Da der als Polizeibeamter tätige R. sich regelmäßig erkundigte, ob das Opfer denn schon verstorben sei, merkten die Ermittler schnell, dass mehr hinter der Tat steckte als ein spontaner Wutausbruch. Bei der Vernehmung zeigte sich dann auch, was das war. Michael R. gestand nicht nur die Tat, sondern schilderte auch sein wirres Weltbild.

R. war davon überzeugt, dass Annemarie N. habe sterben müssen, damit die Welt gerettet werden könne. Er erzählte den Ermittlern vom "Katzenkönig", der am Möhnesee im Sauerland wohne. Dieser habe ein Opfer benötigt, da er sonst die gesamte Menschheit ausgelöscht hätte. Was hatte es mit diesen kruden Theorien auf sich? Ein Blick in das Privatleben des Täters gab Aufschluss.

"Neurotisches Beziehungsgeflecht"

Michael R. lebte in einer vom Landgericht Bochum als "neurotisches Beziehungsgeflecht" eingestuften Dreiecksbeziehung. Gemeinsam mit Peter P. buhlte er um Barbara H., die ihrerseits mit beiden eine Beziehung führte. Wie das Gericht in seinem Urteil festhielt, war die Beziehung von "Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben" geprägt. Besonders Barbara H. und Peter P. beschäftigten sich gerne mit Glauben und Mystik. Michael R. konnte damit zunächst nichts anfangen.

Bereits 1982 waren der damals 24-jährige Michael R. und die 18-jährige Barbara H. ein Paar. Als Michael R. einige Jahre später in das Leben von Barbara H. zurückkehrte, konkurrierte er mit dem deutlich älteren Peter P., mit dem Barbara H. zu diesem Zeitpunkt bereits eine Beziehung führte. Daher entschloss sich Michael R., in die Wohnung gegenüber jener von Peter P. zu ziehen. So verfestigte sich das Geflecht.

Mutproben für den "Katzenkönig"

"Der Angeklagten H. gelang es im bewussten Zusammenwirken mit P., dem leicht beeinflussbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen", wird die Hierarchie der Beziehung im Gerichtsurteil beschrieben. Später sei es H. und P. gelungen, "durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen" Michael R. von der Existenz des "Katzenkönigs" zu überzeugen. Dieser verkörpere seit Jahrtausenden das Böse auf dieser Welt, redeten sie ihm ein.

H. und P. ließen Michael R. zunächst verschiedene Mutproben im Namen des "Katzenkönigs" absolvieren. Zunächst diente Michael R. also als Werkzeug zur Bespaßung der beiden. Barbara H. und Peter P. sollen dann aber auch diejenigen gewesen sein, die Michael R. von der Einforderung eines Opfers durch den "Katzenkönig" erzählt haben. Dass die Wahl auf Annemarie N. fiel, soll kein Zufall gewesen sein.

"Hass und Eifersucht"

Denn Annemarie N. hatte sich kurz zuvor mit dem Ex-Freund von Barbara H., Udo N., verlobt. Aus "Hass und Eifersucht" soll sich Barbara H. dann dazu entschieden haben, den Aberglauben von Michael R. zu nutzen, um Annemarie N. zu töten, stellte das Landgericht Bochum in seinem Urteil fest. Peter P. soll sie dabei unterstützt haben, Michael R. von der Tat zu überzeugen.

Dieser hatte durchaus Interesse daran, seinen Nebenbuhler loszuwerden. P. überließ R. daher auch sein Fahrtenmesser für die Tat. Doch wie ist die Schuld der einzelnen nun zu bewerten? Genau darüber streiten Juristen seit dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. September 1988.

Urteil gegen Michael R.

Obwohl Michael R. "in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt" sei, so wusste er dennoch "um das Verbotensein der Tötung eines Menschen und er kannte sämtliche Tatumstände". Er wurde "als Täter eines versuchten Mordes verurteilt". Da R. allerdings davon ausging, dass Millionen Menschen sterben würden, wenn er die Tat nicht begangen hätte, berief er sich auf rechtfertigenden Notstand.

Dies wies das Gericht ab, da bei auch bei einem solchen keine Leben gegeneinander aufgewogen werden können. Michael R. ging allerdings davon aus, rechtmäßig zu handeln. Somit lag hier ein Verbotsirrtum vor, was zu einer Strafmilderung hätte führen können. Allerdings sei es R. als Polizeibeamter durchaus möglich gewesen, zu wissen, dass er in dieser Situation nicht rechtens handelte, argumentierte das Gericht. Michael R. wurde daher zu neun Jahren Haft verurteilt.

Auch Barbara H. und Peter P. schuldig

Barbara H. und Peter P. wurden nicht als Anstifter, sondern ebenfalls als mittelbare Täter verurteilt. Dabei bezog sich das Schwurgericht vor allem auf Paragraf 25 Absatz 1 sowie Paragraf 26 des Strafgesetzbuchs. Beide hätten die Tat durch einen anderen begangen. Auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe sah das Gericht als erfüllt an. Beide erhielten eine lebenslange Haftstrafe.

Doch alle drei Parteien fochten das Urteil an. Der Bundesgerichtshof sah vor allem einen Fehler in der Strafzumessung, und so erging am 18. Januar 1989 ein neues Urteil. Barbara H. erhielt eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren, Peter P. von zwölf Jahren und Michael R. von acht Jahren.

Dass Barbara H. und Peter P. eine längere Haftstrafe erhielten als derjenige, der die Tat letztlich verübt hatte, wird bis heute unter Juristen diskutiert. Insbesondere die festgestellte Schuldfähigkeit bei Michael R. ist hierbei von besonderer Bedeutung. Inwieweit eine mittelbare Täterschaft vorliegen kann, wenn eine andere voll schuldfähige Person die eigentliche Tat physisch begeht, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Daher wird dieser Fall gerne auch für Aufgaben in Jura-Klausuren genutzt.

Verwendete Quellen
  • servat.unibe.ch: "BGHSt 35, 347 - Katzenkönig"
  • anwaltsblatt.anwaltverein.de: "katzenkönig"
  • Eigene Recherche
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