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Hells Angels: Berliner Rocker wussten seit Monaten von drohenden Vereinsverbot


Kriminalität
Berliner Rocker wussten seit Monaten Bescheid

Von spiegel-online
02.06.2012Lesedauer: 4 Min.
Razzia gegen Berliner Rocker: Außer ein paar Motorräder und wenigen vorübergehenden Festnamen in Potsdam kam dabei wohl nicht viel herum für die Polizei. Grund: Die Rocker waren vorgewarntVergrößern des BildesRazzia gegen Berliner Rocker: Außer ein paar Motorräder und wenigen vorübergehenden Festnamen in Potsdam kam dabei wohl nicht viel herum für die Polizei. Grund: Die Rocker waren vorgewarnt (Quelle: dpa-bilder)
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Neue Details zeigen: Die Berliner Rocker waren seit langem auf das drohende Vereinsverbot durch die Innenbehörde vorbereitet - und wappneten sich. Ein Polizeileck kurz zuvor war weniger das Problem. Eine Rekonstruktion.

Die von einem drohenden Vereinsverbot betroffenen Rocker der "Hells Angels" wussten noch früher als bisher bekannt von der Polizei-Razzia am frühen Mittwochmorgen in Berlin. Bereits kurz nachdem Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen für den Einsatz angefragt wurden, war den Rockern klar, dass es dem Berliner Innensenator jetzt mit dem Verbot Ernst ist.

Bereits Mitte April hatte ein Informant unter dem Siegel der Verschwiegenheit "Spiegel TV" gesagt, man werde "gewappnet sein, wenn es los geht". So würden Konten leergeräumt, Motorräder umgemeldet, Rechner weggebracht werden.

Um sicher zu gehen, dass der avisierte Termin am Mittwochmorgen dieser Woche nicht überraschend geändert wurde, stellten die "Hells Angels" Streifen ab, um die in Hotels untergebrachten Einsatzkräfte zu observieren. Die Rocker gingen bis zuletzt davon aus, dass zwei Charter von den Vereinsverboten betroffen sein würden. Mehr aber auch nicht.

Die Rocker treten über

Pfingstmontag, kurz vor 16 Uhr, Vereinsheim des Chapters "Southside" der "Bandidos" in der Berliner Streustraße. Rocker der "Hells Angels" aus Berlin, Potsdam und Cottbus sowie 18 ehemalige "Bandidos" trudeln langsam in der kleinen Seitenstraße ein.

In den nächsten Stunden werden hier bis in den frühen Morgen hinein führende Rocker über ihre Taktik für den drohenden Polizeieinsatz beraten. Sowohl das "Hells-Angels"-Charter der "Nomads" als auch die anwesenden Ex-"Bandidos" glauben, sie seien möglicherweise Ziel einer Razzia. Nur "Hells-Angels"-Präsident Kadir Padir ist "total egal, was passiert, er will das volle Programm", so schätzt einer, der dabei war, die Situation ein.

Doch erst mal geht es um einen besonderen Coup. Wochenlang hatten die "Bandidos" um Grischa Vowe, einem ihrer Wortführer, mit den "Hells Angels" um Kadir Padir verhandelt. Es ging um nichts Geringeres als den kollektiven Übertritt der einst so verfeindeten Rockergangs. Ein seltener Vorgang.

Ein war ein lang vorbereiteter Plan. Die "Bandidos" sollen natürlich nicht zu dem vom Verbot betroffenen Charter von Kadir Padir wechseln. Denn dann wären sie ja auch ganz schnell verboten. Daher kommt nur ein Übertritt zum "Hells Angels MC Potsdam" in Frage. Der Club in Brandenburg ist nicht verbotsgefährdet. Alles ist gut.

Gegen 16.30 Uhr taucht eine Hundertschaft der Polizei in der Streustraße auf. Die Beamten sind alarmiert, die "Hells Angels" sind in vollem Ornat im Revier der "Bandidos" aufgelaufen. Die Atmosphäre ist entspannt, von Gewalt keine Spur. 62 Rocker werden kontrolliert, es gibt keine besonderen Vorkommnisse.

Das war ein paar Wochen zuvor noch ganz anders. Da bekämpften sich beide Clubs bis aufs Blut. Mit Hieb- und Stichwaffen wurde mitten in Berlin aufeinander eingedroschen. Auf das "Bandidos"-Clubhaus in der Streustraße wurde ein Anschlag verübt. Möglicherweise sollten die Attacken auch nur den Wechseldruck erhöhen. Frei nach dem Motto: "Kommt zu uns, und alles wird gut."

Nigenagelneue Kutten

All das scheint an diesem Pfingstmontag vergessen. Die "Hells Angels" haben etwas mitgebracht: nigelnagelneue Kutten. Bei der feierlichen Übergabe werden die Ex-"Bandidos" mit ihrem Rufnamen nach vorne gebeten, bekommen die Rockerwesten mit dem rot-weißen Aufdruck "MC" übergeben. Dann werden 100 Hamburger geordert, und die Party beginnt.

Mit dem Wechsel nach Potsdam - und damit in ein anderes Bundesland - haben sich die Rocker auch der Zuständigkeit der Berliner Polizei und einem ihrer Meinung nach drohendem Vereinsverbot entzogen. Auf Seiten der Höllenengel ist auch Andre Sommer vor Ort. Sommer, ein muskelbepackter Ex-Hooligan des Ost-Berliner Fußballclubs Dynamo, ist Präsident der "Hells Angels Nomads".

Da sein Charter der "Nomads" auch von einem Verbot bedroht ist, hatten er und seine Getreuen schon lange beschlossen, dass man nach Brandenburg umzieht und die Vermögenswerte wegschafft. Kein Verein in Berlin - kein Verbot. Außerdem bedeutet der Name "Nomads" den "Hells Angels" sehr viel. Es gibt in jedem Land weltweit immer nur ein Charter der "Nomads". Der Name sollte für Deutschland erhalten bleiben und nicht durch ein Verbot untergehen.

Auch Kadir Padirs Charter sollte sich auflösen. Doch der 28-jährige Türke will an dem Pfingstmontag plötzlich nicht mehr. Erst im Laufe der Nacht soll es Andre Sommer gelungen sein, Padir zu überzeugen, doch mitzumachen.

Kein Verein - kein Verbot

Nachdem also auch die "Hells Angels Berlin City" mitziehen, wird der zuständige Pressesprecher Django Triller informiert. Triller gegenüber "Spiegel TV": "Das war lange vor Veröffentlichung des Artikels bei "Spiegel Online", da bin ich ganz sicher." Um Padir Zeit zu geben, "noch ein paar Dinge zu regeln", wird die Veröffentlichung der Auflösung von "Berlin City" auf den Nachmittag verlegt. Auch "Spiegel TV" hatte Wind von der Sache bekommen, durfte aber noch am Dienstag aus Gründen des Informantenschutzes die Nachricht nicht verwerten.

Kurz nachdem der "Hells-Angels"-Sprecher die Nachricht von der Auflösung des Padir-Charters am Nachmittag per Internet verbreitet hatte, ging auch bei der Polizei ein Fax ein: Es war ein Screenshot der Internetseite "ride-free". Mit dürren Worten wurde die Auflösung der "Hells Angels Berlin City" gemeldet. Laut Polizeisprecher Redlich war nicht klar, woher das Fax kam.

Nach "Spiegel-TV"-Informationen jedoch war es "An Heike Rudat", die für Rocker zuständige Dezernatsleiterin, adressiert. Absender: HMK Rechtsanwälte. Mit einer Berliner Telefonnummer, die zu einem Anwalt im Bezirk Tempelhof gehört. Kein Verein - kein Verbot, so die Lesart der "Hells Angels".

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