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14-Jähriger zog Handel mit Kinderpornos auf – Klassenkameraden halfen


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14-Jähriger zog Handel mit Kinderpornos auf

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 22.04.2020Lesedauer: 4 Min.
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Kriminalitätsfeld Kinderpornografie: Ein zur Tatzeit 14-Jähriger hat zwei Kinder dazu gebracht, entsprechende Aufnahmen von sich zu machen. Dann hat er damit einen Handel aufgezogen.Vergrößern des Bildes
Kriminalitätsfeld Kinderpornografie: Ein zur Tatzeit 14-Jähriger hat zwei Kinder dazu gebracht, entsprechende Aufnahmen von sich zu machen. Dann hat er damit einen Handel aufgezogen. (Quelle: imago-images-bilder)

Es ist ein Fall, den Ermittler kaum für möglich hielten: Ein 14-Jähriger hat einen Handel mit kinderpornografischem Material aufgezogen. Er täuschte Kinder, aber auch Abnehmer.

Als es vorbei war und die Ermittler in der Wohnung seiner Eltern standen, hatte er kurz vorher noch der 13-Jährigen geschrieben: Sie müsse neues Material schicken, neue Bilder, die zeigen, wie sie an sich sexuelle Handlungen vornimmt. Der damals erst 14-jährige Pascal M. (Name geändert) hat einen Handel mit kinderpornografischem Material aufgezogen. Neun Klassenkameraden halfen ihm offenbar.

Der Prozess gegen Pascal M. lief hinter verschlossenen Türen. Wenn Jugendliche kriminell werden, sollen sie so vor zu viel Öffentlichkeit geschützt werden. Florian Schumann von der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen hat t-online.de aber Einblicke in die Ermittlungen gegeben.

Auf Instagram mit Mädchenprofil

Der ungewöhnliche Fall im Südschwarzwald kam ans Licht, weil Pascal M. zu gierig und zu unvorsichtig war und auch Erwachsene betrogen hat: Er hatte als vermeintliches Mädchen auf Instagram ein Treffen mit einem Mann aus Brandenburg vereinbart und gefordert, vorab Kosten erstattet zu bekommen. Das lief wie bei all seinen Geschäften über Gutscheincodes für Amazon und andere Internetshops als Währung.

Von dem Brandenburger bekam er zwei Codes über insgesamt 105 Euro, zu dem vereinbarten Treffen kam es aber nicht. Der Mann ging deshalb zur Polizei, und die Ermittlungen kamen in Gang.

Bei der Hausdurchsuchung bei Pascal M. im Oktober 2018 stieß die Polizei auf Beweise, dass sie es nicht nur mit Internetbetrug zu tun hatte: Die Dateien und Chatverläufe belegten, dass der 14-Jährige einige Monate zuvor ins Geschäft mit Kinderpornos eingestiegen war.

30 Videos und Fotos von Mädchen

Über das Netz hatte er zwei Mädchen, beide jünger als 14, kennengelernt und ihr Vertrauen erschlichen: Sie schickten ihm im Sommer und Herbst 2018 insgesamt 30 Dateien. Es waren Videos und Fotos, auf denen die Mädchen sexuelle Handlungen an sich durchführten. Weil er sie dazu aufgefordert hatte, musste sich Pascal M. auch wegen sexuellen Missbrauchs verantworten.

Wenn über das Netz auf Kinder oder Jugendliche eingewirkt wird mit dem Ziel, sexuelle Missbrauchshandlungen zu erreichen, wird das als Cybergrooming bezeichnet. "Man kann davon ausgehen, dass etwas weniger als die Hälfte der Tatverdächtigen selbst Minderjährige sind, wenn es um Cybergrooming geht", sagt Thomas-Günther Rüdiger. Der Kriminologe an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg hat über Cybergrooming promoviert. "Ungewöhnlich an diesem Fall ist, dass der 14-Jährige diese Handlungen offenbar für den eigenen Gelderwerb gemacht hat. Mit so einem jungen Täter ist mir kein vergleichbarer Fall in Deutschland bekannt."

Smartphone als Köder

Betrogen hat Pascal M. die Mädchen auch noch: Er hatte versprochen, dass sie teure Smartphones bekommen. Die erhielten sie nie. Im Gegenteil forderte er von ihnen auch noch Gutschein-Codes für das Handy. Einem der Mädchen reichte es, das andere lieferte weiterhin Videos und Fotos.

Dass sie keine Anzeige erstattet hatten, ist aus Sicht von Cyberkriminologe Rüdiger nicht überraschend. "Die Zahl der Anzeigen bei Cybergrooming ist verschwindend gering, wenn man bedenkt, wie viele Kinder täglich im Internet ihre Zeit verbringen und hier weitestgehend ungeschützt tatsächlich auf Täter treffen." Kinder fürchteten einerseits, dass dann Bilder öffentlich würden, andererseits seien sie in Angst vor einem Internetverbot durch die Eltern und damit vor sozialer Ausgrenzung.

1.800 Fälle von Cybergrooming wurden im vergangenen Jahr in der Polizeilichen Kriminalstatistik registriert, und davon konnten 90 Prozent aufgeklärt werden, rechnet Rüdiger vor. Das hohe Dunkelfeld, ein niedriges Hellfeld und die zugleich hohe Aufklärungsquote deuteten darauf hin, dass Täter das Risiko als gering einschätzten, angezeigt zu werden und auch wenig vorsichtig agierten.

Mädchen ahnten nichts von Verkauf

Zwei Tätertypen
Kriminologe Rüdiger unterscheidet zwei Tätertypen bei Cybergrooming: Der einen Gruppe, er nennt sie Intimitätstäter, gehe es um den Aufbau einer Art Missbrauchsbeziehung zu einem Kind mit dem Ziel eines Treffens. Hier suchten die manipulierten Kinder die Schuld meist bei sich. Hypersexualisierte Täter strebten schnelle sexuelle Interaktionen mit Kindern im Netz an. Mit so erlangtem kompromittierendem Material erpressten sie immer weiter sexuelle Handlungen von den Opfern. "Hier entsteht fast immer kinderpornografisches Material und die Täter haben nicht selten dreistellige Opferzahlen."

Die beiden Mädchen erfuhren erst von der Polizei, was Pascal M. mit den Bildern und Videos anstellte: "Ihnen war nicht bewusst, dass er die Dateien an Dritte weiterverkaufte", so Staatsanwalt Schumann. Und das machte Pascal M. in größerem Stil: 31 Abnehmer des kinderpornografischen Materials konnte die Polizei ermitteln, denen er Material der beiden Mädchen und andere Dateien schickte. Die Männer kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, einer aus Österreich. Gegen sie wurden auch Ermittlungen eingeleitet. Durch sie könnten die Bilder auch in Tauschringen gelandet sein und noch ganz andere Kreise erreichen.

Pascal M. muss den beiden Mädchen Schmerzensgeld zahlen, entschied der Jugendrichter. Sein Urteil: Pascal M. muss zusätzlich als Auflage Geld zahlen. Arrest bleibt ihm aber erspart. Sein Smartphone wird eingezogen, der Erlös aus den Geschäften ebenso.

Die Gutscheincodes für Internet-Shops hatte er bei Klassenkameraden zu Bargeld gemacht. Jungen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren waren laut Staatsanwalt eingeweiht, woher die Gutscheine kamen: aus dem Verkauf des kinderpornografischen Materials und weil er Laptops und Smartphones angeboten, aber nie geliefert hatte.

Drei Klassenkameraden handelten selbst

Täter nicht kontaktieren
Kriminologe Rüdiger rät Opfern, sich an die Eltern, die Polizei oder auch Opferschutzeinrichtungen wie den Weissen Ring zu wenden. "Die Kinder haben kaum die Möglichkeiten, sich aus solchen Situationen selbst zu befreien und brauchen hierbei Hilfe." Eltern sollten nie Täter selbst anschreiben, sondern die Kommunikationen des Kindes mit dem Täter sichern und dann Anzeige erstatten.

Gegen die Schüler, die schon strafmündig waren, folgten zumindest Ermittlungen wegen Geldwäsche. Drei der Jugendlichen waren noch weiter gegangen: Sie waren laut Staatsanwaltschaft selbst ins Geschäft mit kinderpornografischem Material eingestiegen und hatten zwei Abnehmer dafür gefunden. Gegen diese wird nun auch ermittelt. Die Hausdurchsuchung bei Pascal M. hat zu mehr als 40 weiteren Verdächtigen geführt.

Thomas-Gabriel Rüdiger sieht solche Fälle auch vor dem Hintergrund, wie Nutzer das Netz vielfach erleben: "Eine Masse an sichtbaren Normenüberschreitungen vermittelt das Gefühl der Rechtsfreiheit und senkt die eigene Hemmschwelle für eine Tatbegehung." So könne man Cybergroomig nicht isoliert sehen. Er spricht vom "broken web", das auch Kinder so erlebten: "Wir müssen über eine ähnliche Präsenz der Sicherheitsbehörden im Netz wie im Straßenverkehr diskutieren."

Verwendete Quellen
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