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Vor den Wikingern: Schweden haben schon in Eisenzeit Bier gebraut


Vor den Wikingern
So brauten die Schweden schon in der Eisenzeit Bier


05.08.2018Lesedauer: 3 Min.
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Ein Brauer zeigt eine Handvoll Gerstenmalz: Anhand von Malzkörnern aus der Eisenzeit rekonstruierte ein Forscher die Ursprünge des Brauens in Schweden.Vergrößern des Bildes
Ein Brauer zeigt eine Handvoll Gerstenmalz: Anhand von Malzkörnern aus der Eisenzeit rekonstruierte ein Forscher die Ursprünge des Brauens in Schweden. (Quelle: Symbolbild/Stefan Wermuth/reuters)

Das Bierbrauen haben die Wikinger nicht erfunden: Sie lernten es von ihren Vorfahren. Diese brauten im heutigen Schweden bereits vor 1.500 Jahren den Gerstensaft.

Woran erkennen Archäologen eine 1.500 Jahre alte Brauerei? Die Pfützen von verschüttetem Bier sind längst getrocknet. Spezialisierte Braukessel, wie sie heute üblich sind, gab es damals noch nicht. Stattdessen benutzten die alten Braumeister große Töpfe oder Wannen, die sich jedoch nicht wesentlich von den alltäglichen Küchenwaren oder Viehtrögen unterschieden. Die tatsächlichen Hinweise auf eine antike Bierproduktion im großen Stil sind wesentlich subtiler, nur wenige Millimeter groß.

Es sind Getreidekörner, die beim Mälzen auf den Boden fielen und dort die Jahrhunderte überdauerten. Ebensolche fand ein Team um den Archäobotaniker Mikael Larsson von der Lund University nahe des eisenzeitlichen Handelszentrums Uppåkra im heutigen Schweden. In der Zeitschrift "New Historian" berichten die Forscher von verkohltem Malz im Umfeld eines großen Ofens, die aus der Zeit zwischen 400 und 600 nach Christus stammen, mindestens 200 Jahre vor den Wikingern.

Je höher die Temperatur, desto süßer das Bier

Damit aus Getreide überhaupt Bier werden kann, müssen die Körner nämlich zunächst gemälzt werden. Dafür werden sie angefeuchtet. Das Korn hält die Feuchtigkeit für warmen Frühlingsregen und beginnt zu keimen. Es streckt nicht nur Blatt- und Wurzelkeime aus, sondern aktiviert auch eine Reihe von Enzymen, die damit beginnen, Proteine und Stärke in Zucker umzuwandeln.

Nun ist es höchste Zeit, den Frühlingsgefühlen des Getreides mit einem Hitzeschock Einhalt zu gebieten. Es wird gedarrt, auf bis zu 120 Grad erhitzt. Sowohl die Temperatur als auch die Dauer des Vorgangs beeinflussen den Geschmack und die Farbe des Bieres, das später aus dem Malz gewonnen wird: Je höher die Temperatur und je länger die Darre, desto dunkler und süßer wird das Bier.

Skandinavier kannten kein Reinheitsgebot

Dieser Vorgang wird heute noch genau so praktiziert, wie damals im eisenzeitlichen Uppåkra. Und die Darre ist ein Glücksfall für die Archäologen. Denn verkohlen Getreidekörner bei diesem Vorgang, werden sie konserviert. Während unverkohltes Getreide schon nach kurzer Zeit im Boden verrottet, überdauern die gedarrten Körner Jahrhunderte.

Ein Reinheitsgebot kannten die alten Skandinavier allerdings noch nicht. Beim eigentlichen Brauvorgang, bei dem das Malz mit Wasser und Hefe vergärt, mischten sie fröhlich dazu, was Garten und Wald hergaben. Hopfen wurde in Skandinavien erst ab 1200 populär. Vorher diente vor allem der Gagelstrauch dazu, dem Bier seinen typischen herben Geschmack zu verleihen.

Braumeister würzten ihr Bier mit Beeren

Schon um 1500 vor Christus schlürften die Skandinavier Bier, das außer mit Gagel auch noch mit Wacholder-, Preisel- und Moosbeeren, Birken- und Kiefernharzen sowie Wildblütenhonig versetzt war. Der Biomolekular-Archäologe Patrick McGovern vom Museum of Archaeology and Anthropology der University of Pennsylvania in Philadelphia hat verschiedene Proben aus dänischen und schwedischen Fundstätten analysiert. Auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse braute und vermarktete die US-amerikanische Firma Dogfish Head im Jahr 2012 sogar einen Trank namens Kvasir – ganz nah am Originalrezept.

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Bei den verkohlten Pflanzenresten, die das Team von Larsson in Uppåkra aus dem Boden siebte, handelte es sich in den meisten Fällen allerdings tatsächlich um Getreide. Am häufigsten kam Gerste (Hordeum vulgare ssp. vulgare) vor. Auch Roggen (Secale cereal) gab es reichlich, weniger dagegen an Emmer (Triticum dicoccum), Weizen (Triticum aestivum) und Hafer (Avena cf. sativa). Wenn die Braumeister von Uppåkra ihr Bier gewürzt haben, dann mit Flachs (Linum usitatissimum), Leindotter (Camelina sativa), Dill (Anethum graveolens), Schwarzem Senf (Brassica nigra) oder möglicherweise sogar Möhrensamen (Daucus carota).

Bier war auch für den Handel bestimmt

Die Datierung der Getreidekörner ergab, dass der große Ofen in der Zeit um 645/655 nach Christus in Betrieb war. Allerdings fanden die Archäologen darunter noch die Reste eines früheren Ofens, in dem bereits zwischen 425 und 635 Getreide gedarrt wurde. "Die Daten deuten darauf hin, dass dieser Komplex für einen beachtlich langen Zeitraum in Betrieb war, der von der Völkerungswanderungszeit bis in die Vendelzeit reichte", schreibt Larsson.

Wohnhäuser gab es indes nicht in der unmittelbaren Umgebung des Ofens, sie lagen erst in einiger Entfernung. "Daraus können wir schließen, dass dieser Bereich der Siedlung auf den Malzvorgang spezialisiert und damit wahrscheinlich für die Bierproduktion im großen Stil bestimmt war", folgert der Ausgräber. Doch wurde alles Bier tatsächlich in Uppåkra getrunken? Wohl eher nicht, vermutet Larsson. "Die Stadt war ein großes wirtschaftliches Zentrum zu jener Zeit. Daher ist es gut möglich, dass die groß angelegte Bierproduktion nicht nur für lokale Feste, sondern auch für den Handel bestimmt war."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Artikel in der Fachzeitschrift "New Historian"
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