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Foto geht um die Welt: Schlittenhunde in Grönland laufen durch Schmelzwasser


Schlittenhunde in Grönland
Hier kämpfen sich Schlittenhunde durchs Schmelzwasser

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 19.06.2019Lesedauer: 3 Min.
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Waten durchs Wasser. Schlittenhunde auf dem grönländischen Inglefield-Fjord.Vergrößern des Bildes
Waten durchs Wasser. Schlittenhunde auf dem grönländischen Inglefield-Fjord. (Quelle: Steffen Olsen)

Schlittenhunde, die Klimaforscher in der Arktis durchs Wasser ziehen: Dänische Wissenschaftler haben ein Foto veröffentlicht, das sinnbildlich für die Klimakrise stehen könnte.

Es sieht aus, als könnten die Hunde auf dem Wasser laufen - aber sie ziehen die Kufen des Schlittens durch Wasser auf dem Eis: Mitten in einem Fjord im Nordwesten Grönlands haben dänische Wissenschaftler ein Foto gemacht, das Vorzeichen für einen neuen Rekord im Spätsommer sein könnte: So wenig Arktis-Eis wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen.

Das Foto ist am Donnerstag entstanden, als die Wissenschaftler das Inglefield-Fjord in der Mittagssonne überquerten. 20 Kilometer sind es hier vom einen Ufer im Norden zum anderen im Süden, und auf der Aufnahme waren die Hunde in der Mitte des Fjords durch das Schmelzwasser.

"Hunde sind sehr erfahren"

Steffen Olsen vom Zentrum für Ozean und Eis am Dänischen Meteorologischen Instituts (DMI) war mit einheimischen Jägern und deren Schlittengespannen unterwegs zu Geräten, die Messungen am Eis vornehmen. Der Ort liegt zwischen dem 77. und 78. Breitengrad, der Polarkreis beginnt bereits rund 2500 Kilometer weiter im Süden, das entspricht ungefähr der Entfernung von Hamburg nach Sizilien.

Auf dem Fjord besteht eine gewissen Gefahr, einzubrechen: "Die Einheimischen und ihre Hunde sind sehr erfahren", erläutert Olsen. "Wir vertrauen auf deren Kenntnisse und setzen zusätzlich bei der Planung von Routen auf die Auswertung von Satellitenbildern." Mehr als 800 Meter tief bis zum Meeresgrund ist das Fjord dort, wo das Bild entstanden ist. Dazwischen liegt noch eine 1,20 Meter dicke Eisdecke.

Und darauf steht eine einzige riesige Schmelzwassserpfütze. Olsens Kollege Rasmus Tage Tonboe erklärte das damit, dass es durch die Temperaturen der jüngsten Zeit zu einer schnellen Schmelze gekommen ist und das Meereis mit wenig Spalten und geringer Durchlässigkeit kein Wasser ablaufen lässt. Am Donnerstag allein sind auf Grönland zwei Milliarden Tonnen Eis geschmolzen, das entspricht dem Volumen des Chiemsees.

Das Schmelzen beschleunigt sich weiter

Die Tagesdurchschnittstemperatur hat noch weiter nördlich am 80. Breitengrad die Null-Grad-Grenze so früh überschritten wie nie in den Aufzeichnungen des DMI, die Schmelze also so große Teile von Grönland erfasst wie noch nie zu diesem Zeitpunkt. Auf rund 45 Prozent der Flächen taute es. Eine Grafik, die diesen Anteil in einer roten Kurve illustriert, zog auf Twitter schnell Kreise.

Und der Beginn der Tauperiode hat in der Regel direkte Folgen auf das Eisminimum im September, wie Klimaforscher Tonboe erklärt. Er hat die Satellitenmessungen von Meereis im Polarmeer der vergangenen 40 Jahre untersucht.

Wenn sich früh Schmelzwasser bildet, beschleunigt das das Schmelzen weiter: "Gefrorener Schnee reflektiert mehr Sonnenlicht und mehr Energie als Schnee, der schmilzt oder als Schmelzwasserseen", erläutert er in einer Mitteilung des DMI. Wird weniger Strahlung reflektiert, führt das zu einer weiteren Erwärmung, das ist der Eis-Albedo-Rückkopplungseffekt.

Deshalb ist es ein signifikanter Einflussfaktor, wann das große Tauen einsetzt. Tomboe: "Je früher die Schmelzzeit beginnt, desto weniger Eis ist im September noch da – und umgekehrt." Das sei in vier von fünf Fällen seit 1972 der Fall gewesen. "Statistisch gesehen besteht daher die Gefahr, dass im September ein neuer Minusrekord an Meereis in der Arktis verzeichnet wird."

Ein Jahr mit sehr großer Schmelze

Der bisherige Tiefstwert wurde im Jahr 2012 registriert, als die Temperaturen deutlich über dem Mittel lagen. Gegenüber damals hat die Schmelze in Grönland in diesem Jahr aber drei Wochen früher begonnen, und zugleich ist die Schneedecke deutlich geringer, erläutert der Amerikaner Jason Box, Professor für Gletscherkunde am Geologischen Dienst von Dänemark und Grönland.

Box sagt in einem Video zur Situation in diesem Jahr: "Das einzige, was ein so starkes Abschmelzen in diesem Jahr noch abwenden kann, sind starke Schneefälle im Sommer." Das sei möglich. "Aber für mich sieht alles danach aus, dass wir ein Jahr mit sehr großer Schmelze erleben werden, das das Potenzial hat, die Ausmaße von 2012 zu übertreffen."


Im Sommer 2018, als es in Mitteleuropa lange heiß und trocken war, hatte es in Grönland wiederholt Schneestürme gegeben. Die schnee- und eisbedeckte Fläche war zeitweise sehr viel größer als im langjährigen Mittel. Allerdings registrierten die Wissenschaftler auch zweimal, dass sich im Meereis große Bereiche offenen Wassers bildeten.

Update, 4. Juli: Leser weisen darauf hin, dass es Szenen wie die in dem Foto gezeigten in Grönland häufiger gibt. Die Schmelze von Schnee auf dem Eis und die Entstehung von Schmelzwasserseen darauf ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist allerdings der frühe Zeitpunkt, zu dem die starke Schmelze eingesetzt hat.

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