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Aachen: Kurioser Bahnübergang wird zum internationalen Politikum


Wenn eine Schranke zum Staatsakt wird
Aachener Bahnübergang sorgt für diplomatischen Wirbel

Von t-online, jon

16.05.2025 - 08:35 UhrLesedauer: 3 Min.
Bahnübergang mit AnrufschrankeVergrößern des Bildes
Blick auf einen Bahnübergang mit einer sogenannten Anrufschranke (Symbolbild): Die Anlage im Aachener Luerweg ist auch zugleich Landesgrenze. (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-bilder)
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Ein unscheinbarer Bahnübergang bei Aachen entpuppt sich als internationaler Zankapfel. Während die Deutsche Bahn modernisieren will, wedeln die Anwohner mit einem Vertrag von 1931.

Was haben ein Bahnübergang im Grünen am Stadtrand von Aachen, ein verstaubter Staatsvertrag von 1931 und das Auswärtige Amt gemeinsam? Sie sind die Hauptdarsteller in einer grenzüberschreitenden Posse, die zeigt, dass selbst im vereinten Europa manchmal noch Grenzen geöffnet werden müssen – zumindest wenn es um Bahnschranken geht.

Der Schauplatz des skurrilen Scharmützels liegt idyllisch gelegen zwischen Wiesen und vereinzelten Häusern am Luerweg in Aachen. Hier steht eine der letzten ihrer Art in NRW: eine Anrufschranke. Ganze 89 Stück gibt es laut Bahn noch von ihnen im ganzen Bundesland.

Wer passieren will, muss einen Knopf drücken, um bei der Bahn sozusagen zu "klingeln". Ein Bahn-Angestellter öffnet dann aus der Ferne die Schranke. Manchmal ertönt vor der Querung aus der Rufsäule ein "Ich muss erst den Zug aus Paris durchlassen". Unmittelbar hinter diesem kleinen Stück Eisenbahnromantik beginnt dann Belgien mit seiner 11.000-Einwohner-Gemeinde Kelmis.

Nach der Überquerung müssen sich Nutzer wieder abmelden

Da es keine Videoüberwachung gibt, werden die Nutzer gebeten, sich nach der Querung wieder abzumelden. Eine kleine Erinnerung daran, dass man hier auf die große, weite Bahnwelt wartet.

Denn die Deutsche Bahn möchte – ganz fortschrittlich – auf digitale Stellwerktechnik umrüsten. Was für das 21. Jahrhundert ein logischer Schritt wäre, bringt die Anwohner im belgischen Grenzland in Wallung. Sie fürchten, dass ihr geliebter Übergang dichtgemacht wird und sie künftig kilometerlange Umwege in Kauf nehmen müssen.

Eine Verkehrszählung mit Videobeobachtung ergab, dass die Schranke weniger als 100 Mal täglich genutzt wird. Zu den Nutzern zählen Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger – viele mit Hunden.

Nun könnte man meinen, ein selten genutzter Bahnübergang sei kein Fall für die große Politik. Doch weit gefehlt: Die pfiffigen Anwohner zauberten einen diplomatischen Joker aus dem Ärmel – einen Grenzvertrag zwischen Deutschland und Belgien von 1931, als Smartphones allerhöchstens Science-Fiction waren und Lokführer noch mit glühender Kohle hantierten.

Bürger Initiative sammelt über 150 Unterschriften für den Erhalt

Dazu hat sich eine Bürgerinitiative formiert, angeführt von Andreas Schneider, der auf der belgischen Seite wohnt. "Wir haben mehr als 150 Unterschriften gesammelt, vor allem von der belgischen Seite", berichtet er nicht ohne Stolz. Seine Horrorvision: eine "riesige Sackgasse mit 70 Wohneinheiten" – quasi ein diplomatischer Notstand. Ihm schwebt vorwiegend die Sicherheit vor Augen. Was ist, wenn es brennt oder ein Notarzt benötigt wird? Die Anfahrten wären kilometerweit.

Und als wäre das nicht genug, hat sich auch noch der Bürgermeister von Kelmis, Daniel Hilligsmann, eingeschaltet. Der Rathauschef spricht von einem "völkerrechtlich verbindlichen Vertrag". "Aus Sicht der Gemeinde Kelmis ist eine Schließung des Bahnübergangs aus den genannten Gründen auszuschließen", erklärt Hilligsmann im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er fordert, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu stärken, "statt bestehende Lösungen einzuschränken oder gar vollends abzubauen".

Bahn prüft mehrere Varianten für den Bahnübergang am Luerweg

Die Deutsche Bahn teilt mit, bei den Planungen für eine neue Stellwerkstechnik im Raum Aachen würden derzeit auch mögliche Varianten für den Bahnübergang am Luerweg geprüft. Ein Bahnsprecher sagte, Bahnübergänge seien grundsätzlich eine Gemeinschaftsaufgabe. Sollten Änderungen vorgenommen werden, müssten unter anderem Bahn, Bund und die für die Straße zuständige Behörde dies gemeinsam vereinbaren.

Auch die Stadt Aachen ist beteiligt. Nach Angaben eines Sprechers würde eine Modernisierung des Bahnübergangs den Bestandsschutz aufheben. Der Übergang müsste dann breiter werden, und auch die Straße auf deutscher Seite müsse verbreitert werden. "Das könnte nur gelingen, wenn Privateigentum angekauft wird", sagte der Sprecher.

Im Kampf für den Übergang hat die Bürgerinitiative sogar das Auswärtige Amt in Berlin angeschrieben und auf den Vertrag von 1931 verwiesen. Das Ministerium hat reagiert und will nun mit dem Bundesinnenministerium die Zuständigkeit klären.

Verwendete Quellen
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
Transparenzhinweis

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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