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Giftköder in Dortmund und Essen: "Wir haben einfach nur Angst"


Giftköder-Fälle im Ruhrgebiet
Hundetrainerin: "Wir haben einfach nur Angst"

Von Marie Illner

Aktualisiert am 03.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Was liegt da im Gras? Sobald der Vierbeiner einmal Fährte aufgenommen hat, kann Gefundenes schnell gefressen sein – auch Giftköder.Vergrößern des Bildes
Was liegt da im Gras? Sobald der Vierbeiner einmal Fährte aufgenommen hat, kann Gefundenes schnell gefressen sein – auch Giftköder. (Quelle: Marie Illner)

Giftköder-Meldungen im Ruhrgebiet sorgen für Angst unter Hundebesitzern. t-online hat mit ihnen gesprochen. Während eine Hundetrainerin hilfreiche Tipps gibt, hält eine Tierärztin vielmehr gesunde Skepsis für angebracht.

Die Meldungen klingen besorgniserregend: "Fleischwurst mit Glassplittern", "Giftköder im Brötchen" oder "Bratwurst mit Rattengift". Allesamt Meldungen, die in den vergangenen Wochen über die App "Dogorama" im Essener und Dortmunder Stadtgebiet abgesetzt wurden. Beinahe täglich melden dort Hundebesitzer neue Funde von Giftködern.

Auch Birgit Brinkmann haben die Warnungen erreicht – und beunruhigt. Die Hundebesitzerin ist seit zwölf Jahren mit Boston Terrier Loulou im Ruhrgebiet unterwegs und stets auf der Hut vor Giftködern. Zu oft hat sie schon von Fällen gehört, in denen Vierbeiner durch Gift- oder Rasierklingenaufnahme verstorben sind.

Giftköder im Ruhrgebiet: Die Angst ist groß

"Loulou könnte man auch 'Biotonne' nennen – sie nimmt alles auf und ist unglaublich verfressen", sagt Brinkmann und lacht. Nachvollziehbar also die Sorge, dass zwischen Stöckchen, Leckerlis und Abfall auch einmal Giftköder in ihrem Maul landen. "Ich informiere mich in Facebook-Gruppen über die neusten Warnungen", erzählt Brinkmann.

Martina Wengatz ist Hundetrainerin in Essen. In ihren Kursen erlebt sie ebenfalls die Sorge der Hundebesitzer, Opfer von Vergiftungen zu werden. "Ein Kundenhund von mir ist erst kürzlich mit 17 Monaten durch Rattengift innerlich verblutet. Wir haben einfach nur Angst", sagt Wengatz traurig.

Sie bietet Anti-Giftköder-Trainings an, in denen die Vierbeiner vor allem eine Regel lernen sollen: "Nimm nichts vom Boden auf, außer ich habe es dir erlaubt!" In einer Trainingseinheit ist das allerdings nicht verinnerlicht. "Es braucht Zeit und Geduld", gibt Wengatz zu. Für Hunde sei es ein natürliches Verhalten, gefundene Beute aufzunehmen und zu fressen.

"Giftköder werden extra in schmackhaftem Futter verpackt, über einen solchen Happen freuen sich die Hunde natürlich", erinnert sie. Um sein Tier bestmöglich zu schützen, baue man im Training unterschiedliche Signale auf. "Dazu gehören die Signale 'Nimm' und 'Aus', aber auch ein gut funktionierender Rückruf. Das Tier muss auch in schwierigen Situationen zurückkommen", erklärt die Hundetrainerin.

Beschäftigung beim Spaziergang

Einige Hunde hätten gelernt, dass sie Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie etwas vom Boden aufnehmen. "Deshalb gehört auch Beschäftigung während des Spaziergangs zum Training dazu", so Wengatz. Ein unausgelasteter Hund gehe viel eher auf die Suche nach etwas Essbarem. "Es gibt nie eine 100-prozentige Sicherheit, aber Training lohnt sich immer."

Hundebesitzerin Brinkmann ist kreativ geworden, um Loulou zu schützen. "Sie hat ein Gummispielzeug in Form einer Wurst, die sie ausschließlich auf Spaziergängen in der Dunkelheit bekommt", erklärt die Essenerin. Die Hündin liebe ihr Spielzeug und lege es nur selten ab. Passiert das doch, weiß Brinkmann, dass sie aufmerksam sein muss. "Dann hat Loulou vermutlich etwas geschnuppert, dass sie aufnehmen könnte."

Hineindenken könne sie sich in Menschen, die Giftköder auslegen, nicht. "Ich glaube aber, dass die Hundebesitzer selbst ihre Mitmenschen zum Teil zu 'Hundehassern' machen", sagt sie. Oft würden Hunde einfach überall abgeleint, gehorchten nicht, würden Spaziergänger, Jogger und Kinder gnadenlos anspringen oder wild durch den Wald rennen. "Hinterlassenschaften bleiben auf Gehwegen, in Vorgärten oder auf Spazierwegen im Laub liegen", ergänzt Brinkmann.

"Die Tiere können nichts dafür, die Halter ändern ihr Verhalten leider nicht", ärgert sie sich. Brinkmanns Wunsch deshalb: "Mehr Rücksichtnahme von Hundehaltern auf die Bedürfnisse und Empfindungen unserer Mitmenschen." Das Fehlverhalten rechtfertige keine kriminellen Handlungen, mache Menschen aber zornig. "Dabei wird bedauerlicherweise nicht differenziert, sondern sofort beschuldigt und verdächtigt und im Zweifelsfall sogar getötet", so die Essenerin.

Hunde-Vergiftungen zeigen unterschiedliche Symptome

Damit es dazu nicht kommt, selbst wenn der Vierbeiner einen Köder gefressen hat, rät Tierärztin Viola Hebeler: Den Arzt aufsuchen und das Tier erbrechen lassen. "Vergiftungen zeigen ganz unterschiedliche Symptome. Je nach Mittel reichen sie von Erbrechen, Durchfall und Atemnot bis hin zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit", erklärt die Medizinerin. Beim Tierarzt erhielten die Hunde eine Spritze, die das Brechzentrum anrege. "Wenn man den Verdacht hat, dass scharfe oder spitze Teile verschluckt wurden, muss das Tier natürlich erst geröntgt werden", ergänzt sie.

Die Angst vor Giftködern hält sie allerdings für einen Hype. "Bei uns in den Praxen spiegelt sich die Situation so nicht wider", sagt die Vorsitzende des "Landesverbandes Praktizierender Tierärzte Nordrhein e. V.". Die belegten Vergiftungsfälle, die auf ausgelegte Köder zurückzuführen seien, seien seltene Einzelfälle.

Tipp: Skeptisch bleiben

Sie plädiert deshalb für Vorsicht, gepaart mit gesunder Skepsis. Symptome wie blutiger Stuhl beim Hund könnten auch auf Erkrankungen wie etwa eine Parvovirose zurückzuführen sein. Vergiftungen würden häufig überdiagnostiziert – Vermutungen der Hundebesitzer stellten sich in den meisten Fällen als falsch heraus.

Hinter tatsächlichen Vergiftungen steckten meist Unfälle im Haushalt – sorglos ausgelegtes Gift zur Schädlingsbekämpfung etwa. Gleichzeitig sind die Meldungen bei Facebook und "Dogorama" selten mit Beweisen unterfüttert. Möglich also, dass gefundene Fleischstücke gar keine Giftköder sind, sondern einfach Überbleibsel von Grillabenden.

Polizei nimmt Hinweise ernst

Die Polizei kann eine Zunahme der Giftköder zumindest nicht bestätigen. "Wir haben für das Verteilen von Giftködern keine eigene Kennziffer, sodass Vergiftungen schwierig nachzuhalten und zu messen sind", sagt der Dortmunder Polizeisprecher Mike Müller.

Vermutlich würden die Fälle auch nicht immer zur Anzeige gebracht, nachdem man mit dem Tier einen Arzt aufgesucht habe. "Wenn wir von gehäuften Meldungen an einem Ort erfahren, bestreifen wir diesen intensiver", so Müller. Hinweise würden ernst genommen – eine gute Nachricht für Hundebesitzer.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Interviews
  • "Dogorama": Aktuelle Giftködermeldungen in Dortmund und Essen
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