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Lützerath: Klimaaktivisten kritisieren Hamburger Polizei nach Bus-Kontrolle


Drei Stunden festgehalten
Scharfe Kritik an Polizeikontrolle von Bus nach Lützerath


Aktualisiert am 09.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Polizisten stehen im Reisebus, der von Hamburg nach Lützerath gefahren ist: Die Kontrolle habe mehr als drei Stunden gedauert.Vergrößern des Bildes
Polizisten stehen im Reisebus, der von Hamburg nach Lützerath gefahren ist: Die Kontrolle habe mehr als drei Stunden gedauert. (Quelle: Privat)

Tausende sind am Wochenende nach Lützerath gefahren, um gegen Kohleabbau zu demonstrieren. Eine Gruppe aus Hamburg wurde dabei lange aufgehalten.

Die Organisatorin eines Reisebusses, der am Sonntag auf dem Weg ins nordrhein-westfälische Lützerath während mehrerer Stunden von der Polizei kontrolliert worden war, übt scharfe Kritik an der Polizei Hamburg. "Das war völlig unverhältnismäßig", sagt die Autorin und Rednerin Katja Diehl t-online. Um kurz nach 5 Uhr sei der Bus von mehreren Polizeifahrzeugen "umstellt" worden. "Überall war Blaulicht", berichtet Diehl. Die Polizei spricht von "Gefahrenabwehr". In Lützerath versammeln sich gerade Tausende Demonstranten, um gegen den Kohleabbau und den Abriss des Dorfes zu demonstrieren.

"Wir waren vielleicht 30 Sekunden unterwegs, da hab ich erst mal gescherzt, dass ich uns auch Polizeischutz organisiert habe", erzählt Diehl. Das Publikum im Bus gehöre weitestgehend zum bürgerlichen Milieu, "für manche war das die erste Klima-Aktion überhaupt". Nur ein "paar Linkere" seien dabei gewesen, alle Altersgruppen vertreten – von einer Minderjährigen bis zu einer 75-Jährigen.

Hamburg: Businsassen haben Demonstration in Lützerath verpasst

Diehl habe den Bus aus größtenteils privaten Mitteln und einer Spende finanziert, "damit auch Leute nach Lützerath kommen, die es sich sonst nicht leisten können. Gegen Mittag habe man am "Dorfspaziergang" durch Lützerath teilnehmen wollen, die Rückreise war für 15 Uhr geplant. "Ich hatte den Eindruck, dass die Polizei da auf Zeit gespielt hat, damit wir nicht rechtzeitig loskommen", sagt Diehl. "Das war eine grobe Verletzung unseres Demonstrationsrechtes." Die Proteste gegen den Braunkohleabbau bei Lützerath sind bis Dienstag genehmigt – dann soll das verlassene Dorf geräumt werden.

Als Organisatorin sei sie als Erste aus dem Bus herausgetreten, erzählt Diehl. "Ich wurde gefragt, ob ich 'diese Bloggerin' sei. Die wussten also, wer ich bin." Sie sei wieder reingeschickt worden, kurz darauf seien mehrere Polizisten in den Bus gekommen. Per Mikrofon sei die Maßnahme erklärt worden und eine Gefährderansprache gehalten worden, die Diehl in einem Video dokumentiert hat. Ein Polizist mit Kamera habe jeden Insassen einzeln abgefilmt und für die Aufnahme äußerlich beschrieben. Dann habe jeder einzeln aussteigen müssen: Gepäck holen, noch mal gefilmt werden, Personalien abgeben, durchsucht werden, schildert Diehl den Ablauf.

Sekundenkleber und Seile sichergestellt: "Krasser Fahndungserfolg"

Bei zwei Personen seien Sekundenkleber und Seile sichergestellt worden, die Polizei spricht auf Anfrage von Klettergeschirr. "Krasser Fahndungserfolg", kommentiert Diehl. Weil die Aktion mehr als drei Stunden gedauert habe, seien einige gar nicht mehr mitgefahren. "Ich war mit als Erste dran und musste die ganze Zeit abseits des Busses warten." Jetzt will sie die Rechtmäßigkeit der Kontrolle überprüfen lassen und stehe bereits mit mehreren Anwälten in Kontakt. "Die finden das, nun ja, spannend", sagt Diehl.

Nach Angaben der Polizei sei der Bus von Staatsschutz und Bereitschaftspolizei kontrolliert worden, "weil Grund zur Annahme bestand, dass sich unter den Reisenden auch Personen befinden, die nach Lützerath fahren, um dort Straftaten zu begehen". Niemandem sei die Reise letztlich verwehrt worden. Die Kontrolle sei auch verzögert worden, weil einige sich nicht ausweisen konnten.

Frau erleidet Panikattacke nach der Polizeikontrolle

"Ich habe mich schon gefragt, ob ich das alles mitmachen muss", sagt Diehl. "Widersetzt habe ich mich natürlich nicht, schließlich hat der Auftritt schon ziemlich Eindruck gemacht." Die Kontrolle habe große Unsicherheit bei vielen Mitreisenden ausgelöst, eine Frau habe sogar eine Panikattacke erlitten.

Auch bei Fridays for Future (FFF) wird die Kontrolle kritisch gesehen, erklärt ein Sprecher aus Hamburg im Gespräch mit t-online. "Aus unserer Sicht war das rechtlich nicht in Ordnung", sagt er. "Wir sind eine bürgerliche Bewegung und distanzieren uns ganz klar von Gewalt und Personen, die Gewalt ausüben. Solche Kontrollen wirken abschreckend und sind ein deutlicher Eingriff in die Versammlungsfreiheit."

Sorgen um eigene Busse bei Fridays for Future

Für eine geplante Großdemo bei Lützerath am 14. Januar organisiert FFF eigene Busse aus ganz Deutschland, auch aus Hamburg. "Wir fürchten, dass wegen dieser Aktion weniger Leute mitfahren. Es braucht einen handfesten Verdacht, den gab es nicht." Wegen einzelner Personen oder Aufrufen aus möglicherweise gewalttätigen Gruppen dürfe nicht der gesamte Bus so lange aufgehalten werden. "Das Problem ist, dass auch eine nachträgliche Beschwerde vor zukünftigen Repressionen nicht schützt. Und eine laufende Maßnahme der Polizei lässt sich nicht verhindern", sagt der FFF-Vertreter.

"Wir müssen in Deutschland ohne Angst zu einer angemeldeten Demo fahren können", fordert Diehl. "Ich lache mich kaputt, wenn ich höre, dass der Bus voll mit linken Gewalttätern gewesen sein soll. Das waren ganz normale, bürgerliche Leute: Schüler, Eltern und Rentner."

Katja Diehl ist eigentlich für Artikel, Vorträge und Podcasts zum Thema Mobilität bekannt. Den Protesten in Lützerath wolle sie mit ihrer "Semi-Prominenz" Aufmerksamkeit verschaffen. "Ich frage mich aber schon, wie diese Geschichte jetzt von meinen bürgerlich-konservativen Kunden aufgenommen wird."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Katja Diehl
  • Anfrage an die Polizei Hamburg
  • Telefonat mit Vertreter von "Fridays for Future" aus Hamburg
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