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Eisbärenbaby droht im Tierpark Hagenbeck ein trauriges Leben – heftige Kritik


Kritik an Züchtung bei Hagenbeck
Eisbärenbaby droht trauriges Leben hinter Gittern

  • Markus Krause, Regio-Redakteur für Hamburg.
Von Markus Krause

Aktualisiert am 05.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Hamburg: Das Eisbärenbaby sitzt im Tierpark Hagenbeck in der Nähe seiner Mutter Victoria. Das Jungtier war im Dezember 2022 geboren worden.Vergrößern des Bildes
Das Eisbärenbaby sitzt im Tierpark Hagenbeck in der Nähe seiner Mutter Victoria: Das Vatertier (Quelle: Tierpark Hagenbeck)

Im Tierpark Hagenbeck ist ein kleiner Eisbär zur Welt gekommen – trotz eines in Europa geltenden Zuchtstopps. Das Vatertier zeigt außerdem Auffälligkeiten.

Große Freude im Hamburger Zoo: Wie der Tierpark Hagenbeck in der vergangenen Woche bekannt gab, hat es im Dezember 2022 Nachwuchs bei den Eisbären gegeben. Die Bilder des tapsigen, kleinen Bären verbreiteten sich sofort über die sozialen Netzwerke. Alle wollen den weißen Mini-Bären sehen. Und genau das ist das Problem.

"Zoogeburten retten Eisbären nicht vor dem Aussterben", kritisiert die Tierrechtsorganisation Peta. Denn die nachgezüchteten Eisbären würden niemals ausgewildert. Ihr Leben habe nur ein Ziel: Die Kassen der Zoos zu füllen.

Mangelnde Haltungsbedingungen und Stress durch Besucher

Neben der Kritik an der Zucht des Tierparks Hagenbeck warnt die Tierrechtsorganisation auch vor einem Hype rund um das Eisbärenbaby, sobald Mutter und Kind die Geburtshöhle verlassen. "Der zu erwartende öffentliche Ansturm belastet die anspruchsvollen Tiere neben den ohnehin mangelhaften Haltungsbedingungen in zoologischen Einrichtungen", heißt es in einer Pressemitteilung.

Demnach weisen mehrere Wissenschaftler – darunter Prof. Dr. Hanno Würbel von der Universität Bern, Verhaltensbiologe Dr. Karsten Brensing sowie der ehemalige Zoodirektor Prof. Dr. Manfred Niekisch – darauf hin, dass Eisbären in Gefangenschaft nicht artgerecht gehalten werden könnten, weil die Unterschiede zwischen ihrem natürlichen Lebensraum und denen im Zoo zu groß seien.

"Auch vorgeschobene Artenschutzargumente sind reine Augenwischerei, denn in Gefangenschaft geborene Eisbären können nicht ausgewildert werden", sagt Dr. Yvonne Würz, Biologin und Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei Peta, in der Pressemitteilung.

Um den anspruchsvollen Tieren das Leben hinter Gittern angenehmer zu gestalten, haben Zoos sich einiges einfallen lassen. Im Rostocker Zoo wird Futter versteckt, werden Duftspuren gelegt und mit den Bären regelrecht trainiert, um ihnen die Langeweile zu nehmen, berichtet die "ARD".

Tierpark Hagenbeck: Eisbär zeigt Verhaltensstörung

Dennoch: Peta kritisiert, dass bei einem der beiden im Hamburger Tierpark lebenden Eisbären, dem männlichen Tier "Kap", eine ausgeprägte Verhaltensstörung vorliegt, eine sogenannte Laufstereotypie.

Dies soll eine rund fünfminütige Videosequenz der Tierrechtsorganisation aus dem August vergangenen Jahres belegen, die t-online vorliegt. Einen Ausschnitt sehen Sie unten im Video oder hier.

Video | Eisbär im Hamburger Tierpark Hagenbeck
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Quelle: t-online

Peta fordert den Tierpark Hagenbeck deshalb auf, die Zucht einzustellen. "Der Eisbären-Nachwuchs im Tierpark Hagenbeck leistet keinen Beitrag zum Artenschutz – die Babys werden lediglich als neuer Publikumsmagnet missbraucht, um die Kassen weiter klingeln zu lassen", sagt Würz.

Eisbären würden immens unter der Gefangenschaft leiden, weil die viel zu kleinen Gehege schwere Verhaltensstörungen bei den intelligenten Tieren verursachen würden. "Dies steht nun traurigerweise auch dem Eisbärkind in Hamburg bevor", so Würz.

Auffälligkeiten von Eisbär schon vor Übernahme durch Hagenbeck?

Beim zuständigen Veterinäramt sind die "zeitweisen Verhaltensauffälligkeiten" des Eisbären bekannt, wie Kay Becker, Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel, auf Anfrage von t-online mitteilt. Man sei Beschwerden dazu im vergangenen Jahr nachgegangen.

"Der Tierpark hatte uns dazu in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass das Tier Auffälligkeiten schon mit der Übernahme in den Tierpark Hamburg gezeigt habe. Eine Ursache aus der Vorgeschichte des Tieres ist nicht weiter bekannt", erklärt Becker. Das Tier sei vonseiten des Veterinäramts nicht eigens untersucht worden, weil die Verhaltensauffälligkeiten bereits festgestellt wurden.

Wie aus einer Studie zu Zootransporten aus dem Jahr 2006 hervorgeht, zeigte der männliche Eisbär "Kap" schon vor mehreren Jahren Verhaltensauffälligkeiten. So würde bei seinem Transport von Karlsruhe nach Neumünster im Jahr 2004 festgestellt, dass das Tier eine Kopfdreh-Stereotypie habe. Zudem wurde es als "stressanfälliges Individuum" mit nervösem Verhalten und einem hohen Level an Stresshormonen bezeichnet.

Laut dem Behördensprecher versuche Hagenbeck den Eisbären regelmäßig zu beschäftigen, zum Beispiel in Form einer spielerischen Futtersuche, um den Stereotypien entgegenzuwirken. "Aus Sicht des Tierparks seien hier auch schon Fortschritte erzielt worden", so Becker.

Hagenbeck selbst ließ eine Anfrage von t-online zu der Thematik unbeantwortet. Auch auf eine telefonische Nachfrage hieß es, dass man sich dazu nicht äußern werde.

Peta: Mehrheit aller Eisbären in Zoos zeigen Verhaltensstörungen

Die Entwicklung von auffälligen Verhaltensstereotypien, die an sich ständig wiederholenden Bewegungsabläufen erkennen lassen, sind laut Peta darauf zurückzuführen, dass sich die Tiere nicht artgemäß bewegen können. In freier Natur wandern Eisbären jedes Jahr Hunderte bis Tausende Kilometer. Das ist in den Gehegen nicht möglich.

Laut Studien gehen Nachzuchten in Gefangenschaft mit einer hohen Jungtiersterblichkeit einher. Transfers der Eisbären zu Zuchtzwecken seien außerdem ein zusätzlicher Stressfaktor. Das führt laut Peta dazu, dass die große Mehrheit aller Eisbären in Zoos entsprechende Verhaltensstörungen zeigen würden. Daran können offenbar auch die Bemühungen der Zoos zur Beschäftigung der Tiere wenig ändern.

Zuchtstopp für Eisbären in Europa verhängt

Laut dem Internationalen Zuchtbuch für Eisbären nimmt die Zahl der in Zoo-Gefangenschaft gehaltenen Eisbären ab. In Deutschland hat sich die Zahl der Tiere in Zoos von 34 Eisbären in 13 Zoos im Jahr 2008 zu 28 Eisbären in 10 Zoos im Jahr 2022 verringert.

Die Zucht der Eisbären in Zoologischen Gärten wird über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) koordiniert. Das EEP hat derzeit bis auf wenige Ausnahmen ein Zuchtstopp erlassen, da für die Jungtiere nach der Trennung von der Mutter auch geeignete Haltungen zur Verfügung stehen müssen. Und die ist teuer: Neben dem Platz, der für die Eisbären bereitgestellt werden muss, braucht es auch Tierpfleger, die sich um die Bären kümmern. Das geht schnell ins Geld.

Dennoch halten die zoologischen Einrichtungen in Berlin (Tierpark), Bremerhaven, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, München, Neumünster, Nürnberg und Rostock laut Peta weiterhin an der Zurschaustellung von Eisbären fest. Laut "Statista" beliefen sich die Kosten für die Haltung eines Eisbären im Zoo Hannover bereits im Jahr 2010 auf über 11.000 Euro.

Verwendete Quellen
  • peta.de: "Eisbärbaby im Hamburger Tierpark Hagenbeck geboren – PETA kritisiert Haltung in Gefangenschaft"
  • Clubb, R. & Mason, G. (2003). Animal Welfare: Captivity effects on wide-ranging carnivores. Nature. 425. 473-4. 10.1038/425473a.
  • Stephan, U. (2006): Dissertation: Untersuchungen an Eisbären in europäischen zoologischen Gärten: Verhalten und Veränderungen von Stresshormon-Konzentrationen unter Berücksichtigung der Gehegegröße und Gruppenzusammensetzung
  • zoo-am-meer-bremerhaven.de: "Eisbär Lloyd wechselt in den Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe" vom 10. April 2022
  • Anfrage bei Kay Becker, Pressesprecher Bezirksamt Eimsbüttel
  • Schriftliche und telefonische Anfrage beim Tierpark Hagenbeck
  • ard.de: Eisbären – Training gegen die Langeweile vom 06. Juni 2020
  • statista.de: Eisbären – Training gegen die Langeweile vom Oktober 2010
  • peta.de: "Tiertransporte für Zoos: So sehr leiden Tiere bei Transporten"
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