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Hamburg: Familie mit fünf Kindern droht Obdachlosigkeit – "Fühle mich machtlos"


"Gefühl, als nichtig betrachtet zu werden"
Familie mit fünf Kindern droht Obdachlosigkeit

Von t-online, EP

Aktualisiert am 03.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Die siebenköpfige Familie am Strand. Die Mutter hofft, dass sie bald eine Lösung für die Wohnsituation findet.Vergrößern des BildesDie siebenköpfige Familie am Strand. Die Mutter hofft, dass sie bald eine Lösung für die Wohnsituation findet. (Quelle: privat)
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Mit fünf Kindern in die Notunterkunft: Diesem Schicksal versucht Cindy Breitsprecher aktuell zu entkommen. Doch dafür muss die Mutter eine neue Wohnung für ihre Familie finden. Bisher ist keine Lösung in Sicht.

Ein Familienzimmer in der Notunterkunft, Gemeinschaftsküche und feste Zeiten zum Kommen und Gehen: Das versucht die fünffache Mutter Cindy Breitsprecher für ihre Familie zu verhindern. (Sie und ihr Mann wollen unerkannt bleiben.)

Aktuell leben die sieben Familienmitglieder in einer Fünfzimmerwohnung in Hamburg. Doch das könnte bald vorbei sein. "Unser Vermieter will das Haus verkaufen", berichtet Breitsprecher t-online.

Der Käufer sei ihr noch nicht bekannt. Zu Gesprächen über eine mögliche Übernahme der Mieter ist es also nicht gekommen. Nur eine Gnadenfrist habe ihr der Vermieter noch gegeben. In wenigen Monaten muss die ganze Familie die Fünfzimmerwohnung verlassen.

Familie droht Unterbringung in Notunterkunft

Eine neue Bleibe ist bisher nicht in Sicht. Dabei sei sie sehr aktiv und schreibe viele Bewerbungen. "Man bekommt viele Absagen und wird nicht angehört", beschreibt Breitsprecher ihre Situation. Zu viele Kinder und ihr geringes Gehalt werden dabei als Argumente angebracht. In ihrer Not hat sie sich an das Bezirksamt gewendet. Ohne offizielle Kündigung des Mietvertrages könne ihr dort nicht geholfen werden, erzählt die fünffache Mutter von der Antwort der Sachbearbeitenden.

Eine Sprecherin der Behörde für Soziales erklärte t-online, dass Fachstellen für Wohnungsnotfälle verschiedene Instrumente hätten, um Wohnungslosigkeit abzuwenden. Nur eines davon sei der Wohnraum in einer öffentlichen Unterkunft. Davor gäbe es noch weitere Maßnahmen, die Betroffene in Anspruch nehmen könnten.

Im Januar des Jahres 2021 lag der Anteil an Sozialwohnungen an allen Wohnungen in Hamburg bei etwa 7,7 Prozent. Insgesamt gab es in der Hansestadt zum genannten Zeitpunkt ca. 75.605 Sozialwohnungen. Um eine solche Wohnung beziehen zu können, benötigen Mieter einen Wohnberechtigungsschein. Dieser ist an eine gültige Aufenthaltsgenehmigung gebunden sowie an ein Bruttoeinkommen unter 29.300 Euro bei Alleinstehenden und 43.400 Euro in einem Zweipersonenhaushalt. Pro Kind erhöht sich der Betrag um 1.000 Euro.

Im schlimmsten Fall könne die Familie in eine Notunterkunft ziehen, so sei es Cindy Breitsprecher erklärt worden. Doch das ist für sie keine Lösung. Sie hat sich bereits über die Konditionen informiert: "Da haben wir ein Zimmer für die ganze Familie und eine Gemeinschaftsküche. Morgens müssen wir die Unterkunft verlassen und dürfen erst abends wiederkommen."

"Ich fühle mich machtlos und hilflos", beschreibt sie ihre Gefühle, "Als Mutter hat man einen Versorgungsauftrag und einen Beschützerinstinkt." Und gerade sehe sie kaum eine Möglichkeit, ihre Kinder vor der Obdachlosigkeit zu schützen.

Mutter in Chemotherapie – zwei Kinder mit Behinderung

Vor allem mit kleinen Kindern eine belastende Situation. "Mit einem behinderten Kind geht das gar nicht, das ist nicht tragbar", sagt sie. Dabei ist die Wohnungssuche nicht das Einzige, das Cindy Breitsprecher aktuell bewältigen muss. "Bei mir wurde im letzten Jahr Krebs festgestellt. Zurzeit mache ich eine Chemotherapie durch", erzählt sie.

"Für Müdigkeit und Übelkeit habe ich grade eigentlich gar keine Zeit", berichtet Breitsprecher. "Das ist mir auch egal, weil ich mich um meine Kinder kümmern muss." Und zwei davon brauchen stets besondere Zuwendung der Mutter. Während der jüngste Sohn der Familie Trisomie 21 hat, leidet die mittlere Tochter an Hypersensibilität.

"Sie ist schon seit Jahren in psychologischer Behandlung", erklärt die fünffache Mutter. Dabei könne das Kind vor allem schlecht mit negativen Emotionen und Stresssituationen umgehen. "Sie braucht viel Ruhe", so Breitsprecher. Etwas, was in einer vollen Notunterkunft wahrscheinlich nicht gegeben ist.

Jugendamt kann helfen

Auch mit dem Jugendamt habe sie schon Kontakt aufgenommen. "Wahrscheinlich würde es darauf hinauslaufen, dass sie sagen, die Kinder kommen in eine Pflegefamilie", erklärt Breitsprecher. Auch das könne die Kinder traumatisieren, würden sie aus der Familie gerissen, sei es auch nur temporär.

Das bestätigte auch das zuständige Amt gegenüber t-online auf Anfrage: "Während eine (bestehende) Obdachlosigkeit als mögliche Gefährdung des Kindeswohls zu werten wäre, sind mietrechtliche Probleme beziehungsweise ein Wohnungsnotfall kein unmittelbar mit sorgerechtlichen Fragen verbundener Sachverhalt."

Gegebenenfalls könne das Jugendamt allerdings bereits vorher helfen und unterstützend zur Seite stehen. "Eine Trennung der Familie werde regelhaft nicht anstehen, sondern der Versuch der Abwendung von Wohnungslosigkeit zunächst im Mittelpunkt stehen", so die Erklärung einer zuständigen Sprecherin.

Kinder leiden wegen der ungewissen Zukunft

Wie Cindy Breitsprecher erzählt, habe einer ihrer Söhne mitbekommen, dass die Familie aus der Wohnung ausziehen muss. "Er ist in Tränen ausgebrochen. Er ist sieben Jahre alt. Er sollte solche Probleme gar nicht haben", sagt Breitsprecher bestimmt, die gerne alle Probleme von ihren Kindern fernhalten würde: "Kinder haben heutzutage so viel zu tragen. Und wenn sie nach Hause kommen nach der Schule, sollten sie sich in ihrem Heim wohl und beschützt fühlen. Das braucht man auch als Rückzugsort, um wieder neue Energie zu tanken."

"Ich versuche immer, meine Kinder gut zu erziehen und ihnen Werte beizubringen. Aber wenn man dann so etwas erfährt, dann hat man selbst das Gefühl, als nichtig betrachtet zu werden."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Cindy Breitsprecher
  • Eigene Recherchen
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