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Steuerzahlerbund beklagt Verschwedung: "vermeidbare Pannen"


Hannover
Steuerzahlerbund beklagt Verschwedung: "vermeidbare Pannen"

Von dpa
09.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Schwarzbuch 2021Vergrößern des BildesEine mit Moos bepflanzte Gitterwand steht an einer Straße. (Quelle: Philipp Schulze/dpa/dpa-bilder)
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Touristen sollen unsichtbaren Piktogrammen folgen und 24 Quadratmeter Moos das Klima retten: Der Bund der Steuerzahler hat sein neues Schwarzbuch vorgestellt, mit dem er Verschwendung öffentlicher Mittel in Niedersachsen und Bremen anprangert. Die Bandbreite reicht von "vermeidbaren Pannen" bis zu millionenschweren Versäumnissen bei der Anlage öffentlicher Gelder.

"Gerade in Zeiten, in denen die Pandemie-Schulden die öffentlichen Haushalte und damit auch die Steuerbürger an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit bringen, ist jeder vergeudete Euro ein Euro zu viel", sagte der Vorsitzende des Steuerzahlerbundes in Niedersachsen und Bremen, Bernhard Zentgraf, am Dienstag. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei Banken und Privatunternehmen Ende 2020 mit 2172,9 Milliarden Euro verschuldet. Das neue Schwarzbuch listet neun Fälle von Verschwendung aus Niedersachsen und drei aus Bremen auf.

Greensill-Pleite: Die Finanzaufsicht Bafin schloss die Bremer Tochter des britisch-australischen Finanzkonglomerats Greensill im März wegen drohender Überschuldung. Bis dahin hatte die Bank mit "auffällig hohen Renditeversprechen" um die Gunst von Städten und Gemeinden geworben. Dann folgte das böse Erwachen, wie Zentgraf sagte: Mit Osnabrück (14 Millionen Euro), Nordenham (13,5 Millionen) und Garbsen (8,5 Millionen) seien drei niedersächsische Kommunen der Bank auf den Leim gegangen - "ein Debakel für die Steuerzahler".

Den Finanzexperten der Kommunen hätte klar sein müssen, dass ihre Anlagen anders als bei Privatanlegern nicht vom Einlagensicherungsfonds geschützt sind. "Ich gehe davon aus, dass da nicht mehr viel zurückkommt", sagte Zentgraf. Was folgt, könnten neue Kredite sein - und neue Kosten.

Verlustbringer Restaurant: Auch ein eigenes Restaurant der Gemeinde Wathlingen, dessen Verluste sich auf fast 2,9 Millionen Euro summierten, landete im Schwarzbuch - der Steuerzahlerbund sprach von einem besonders hartnäckigen Fall. Denn schon 2017 wurde die 6200-Einwohner-Gemeinde im Kreis Celle gerügt. Im Schnitt fielen Verluste von rund 313.000 Euro pro Geschäftsjahr an - seit der Eröffnung 2012. Der Restaurantbetrieb könne nicht die Aufgabe einer Gemeinde sein, mahnte der Steuerzahlerbund.

Verschwendung in der Pandemie: Um die Impfkampagne im Januar 2021 in Gang zu bringen, ließ das niedersächsische Sozialministerium einen Dienstleister Informationsschreiben an Menschen über 80 schicken. Allerdings waren die eingekauften Adressdaten laut Steuerzahlerbund so lückenhaft, dass die Kommunen ein zweites Schreiben auf den Weg bringen mussten. Kostenpunkt: 138.000 Euro. Info-Briefe gingen auch an Verstorbene - wofür sich Ex-Sozialministerin Carola Reimann entschuldigte.

Ein anderes Beispiel: Fallen pandemiebedingt Einnahmen der Bremer Kliniken aus, sorgen Bund und Land Bremen seit Frühjahr 2020 für Ausgleich. Das führte in Bremerhaven zu millionenschweren Doppelzahlungen - weil zwei Klinikträger nach einem Trägerwechsel Ansprüche für die 42 Betten einer Kinderklinik anmeldeten. So flossen von März 2020 bis Januar 2021 mindestens 3,2 Millionen Euro an den alten Träger.

Teure klimatische Wunder: Im April 2019 ließ die Stadt Braunschweig zwei sogenannte City-Trees - mit Moos bepflanzte Gitterwände - aufbauen. Diese kosteten 112.500 Euro und sollten laut Hersteller wahre klimatische Wunder bewirken, wie Zentgraf berichtete. Wissenschaftliche Nachweise seien allerdings Fehlanzeige. Die 24-Quadratmeter-Mooswände hätten zudem eine Finanzspritze des Bundesumweltministeriums zum Braunschweiger Stadtbegrünungs- und Klimaschutzprogramm gesichert - das sei "ein Paradebeispiel für die Fehlanreize des deutschen Fördersystems".

Unsichtbare Piktogramme: Um die pandemiegebeutelten Geschäftsleute und Gastronomen zu unterstützen, ließ die Stadt Bremen nach Angaben des Steuerzahlerbunds im Oktober 2020 gleich 140 Piktogramme mit dem Abbild der Bremer Stadtmusikanten auf Wege und Plätze pinseln. Diese sollten Touristen als Wegweiser in die Innenstadt dienen. Allerdings: Nur wenige Wochen später waren viele Piktogramme völlig unleserlich, denn die Farbe hatte nicht gehalten. Die Kosten von rund 214 Euro pro Piktogramm trügen die Steuerzahler - fast 30.000 Euro.

Teures Klohaus: Der Landkreis Rotenburg (Wümme) gab 335.000 Euro für ein neues Toilettenhaus am Großen Bullensee aus, wie der Steuerzahlerbund bemängelte. Das waren fast 130.000 Euro mehr als veranschlagt. Ein Teil der Mehrkosten sei kurioserweise auf die energetische Dämmung des Flachdachs und der Außenwände entfallen. Nur: Die Toilettenanlage bleibe von November bis März geschlossen.

Die gute Nachricht:Immerhin gibt es auch Lichtblicke, wie der Steuerzahlerbund meldet. In Isenbüttel im Landkreis Gifhorn habe der Aufsichtsrat der defizitären Tankumsee GmbH im Februar zwar eine weitere Geschäftsführerin bestellt - nur wegen der Anschaffung eines neuen Kletterturms direkt am Badesee. Als aber einer der drei Geschäftsführer des Badesees krankheitsbedingt ausschied, sei die Stelle nach heftiger Kritik nicht wieder besetzt worden.

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