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"Hat mich in die Seel getroffen": Björn Heuser zu Wolfgang Niedeckens 70. Geburtstag


Wolfgang Niedecken hat mich mitten in die Seele getroffen

Ein Gastbeitrag von Björn Heuser

Aktualisiert am 30.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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Björn Heuser mit Gastauftritt bei Wolfgang Niedecken (Archivbild): Zum 70. Geburtstag seines musikalischen und menschlichen Vorbildes hat Heuser ihm einen Text gewidmet.Vergrößern des Bildes
Björn Heuser mit Gastauftritt bei Wolfgang Niedecken (Archivbild): Zum 70. Geburtstag seines musikalischen und menschlichen Vorbildes hat Heuser ihm einen Text gewidmet. (Quelle: Claudia Ast)

Zum 70. Geburtstag von "BAP"-Sänger Wolfgang Niedecken am 30. März erklärt der Kölner Liedermacher Björn Heuser, was ihn mit seinem Idol verbindet.

An einen Tag im August des Sommers 1996 kann ich mich noch gut erinnern. Ein Tag, der mein Leben ändern sollte.

Wie so oft stand ich in der "kölschen Ecke" des riesigen Saturn am Hansaring auf der Suche nach den neuesten CDs in meiner Muttersprache. Ich bin von klein auf mit der kölschen Sprache groß geworden. Als ich in die Grundschule kam, musste ich erstmal Hochdeutsch lernen. Somit lag mir die kölsche Musik schon immer sehr am Herzen. Nicht nur die Bläck Fööss liefen rauf und runter im Hause Heuser.

An besagtem Tage fiel mein Augenmerk auf einen besonders großen, pompösen Werbestand in der CD-Abteilung. Ein blaues Plakat mit einem gelben Stern, darüber stand "BAP – Amerika". Aha. Bisher kannte ich außer "Verdamp lang her" und vielleicht "Waschsalon" nicht sonderlich viele Songs dieser Band. Aber wenn das neue Werk schon so sehr angepriesen wurde in "meiner" kölschen Ecke, dann konnte ich ja mal kurz reinhören. Damals ging das noch über CD-Player mit Kopfhörern, die überall im Laden verteilt herumstanden.

Ich legte die CD ein, drückte auf Play und hörte das erste prägnante A-Moll-Riff von Klaus Major Heuser. "Nix wie bessher" – so heißt der Opener des Albums. Selten war der Name eines Songs so passend, zukunftsweisend und energisch, wie in diesem Fall.

Wolfgang Niedecken beginnt, eine in der Vergangenheit zum Bolzplatz umfunktionierte Toreinfahrt in der Kölner Südstadt zu besingen. Sofort ploppten bei mir Erinnerungen und Bilder an meine eigene Kindheit auf. Der Mann kennt mich, dachte ich. Der weiß, was ich erlebt habe und wie ich mich fühle! Gerade für einen schwerpubertierenden Vierzehnjährigen, der irgendwo zwischen Benjamin-Blümchen-Torte und Dosenravioli, oder Konfirmationsunterricht und E-Gitarren-Schrammelei im Hobbykeller schwankte, fühlte es sich so gut und wertvoll an, sich verstanden zu fühlen.

Sehr schnell zog mich Niedecken mit seinen Texten in seinen Bann und wurde in meiner Gefühlswelt zu einem Anker in schwierigen, aber auch tollen Zeiten. Es gibt kaum ein Gefühl, ein einschneidendes Erlebnis oder einen wichtigen Moment, zu dem mir kein Niedecken-Zitat einfällt.

Aber vielmehr noch beeinflusste er mich seit diesem Song, seitdem in der Tat "Nix wie bessher" war. Als eher einfach gestrickter Ehrenfelder Jung' war ich sowohl politisch als auch künstlerisch nicht besonders gebildet oder weltoffen. Niedeckens Texte aber hatten so eine tiefgehende Wirkung auf mich, dass ich wissen wollte, wo sie herkamen, was sie bedeuteten und unter welchen Umständen sie entstanden sind.

Ich kann die warmen Worte zu den Songs in den inzwischen sehr abgewetzten Plattencovern heute noch fast auswendig. Sie und die dazugehörigen Songtexte sind für mich zu mehr als nur Liedern geworden. Sie sind eine Art Leitfaden und ein Ratgeber für alle möglichen Lebensfragen. Einen wichtigen Teil meiner sozialen Kompetenz habe ich dem Mann zu verdanken, der seit Jahrzehnten der Kopf einer der erfolgreichsten Rockbands in Deutschland ist. Ohne Niedecken wäre ich bestimmt nicht so schnell auf andere Helden wie Bob Dylan, die Stones oder Bruce Springsteen gestoßen. Der Tellerrand im heimischen, rustikalen Köln-Ehrenfeld war ziemlich hoch und unerreichbar. Wolfgang Niedecken hat mir den Schwung gegeben, den ich brauchte, um über diesen Tellerrand zu schauen.

Sein Song "Jraaduss" begleitet mich seit fast fünfundzwanzig Jahren bei meinen Konzerten. Hunderte Male spielte und sang ich diese Nummer im Zugabenblock. So auch bei meiner ersten Solo-Show "Kölle singt" in der Kölner Lanxess-Arena. Einen Mitschnitt dieses Auftritts schickte ich Niedecken ins Büro. Er hörte es, war ergriffen vom 12.000-Menschen-Mitsingchor und widmete mir genau diesen Song, als ich ein BAP-Konzert im Palladium besuchte.

Ok, Menschen können aus eigener Kraft nicht fliegen, ist klar. Aber seit diesem Augenblick weiß ich, dass man zumindest euphorisch schweben kann. Ein hochemotionaler Moment für mich. Zeitgleich auch unsere erste persönliche Begegnung nach der Show im Backstagebereich.

Seitdem gab es immer häufiger gemeinsame Momente, die mich stets inspirieren und beflügeln. Niedecken besuchte mich sogar als Gastsänger für drei Songs bei einem meiner Konzerte in der Kölner Volksbühne. Und er sprach die Gegeneinladung aus: "Wie schön dat wöhr" sang er mit mir in der ausverkauften Lanxess-Arena im Rahmen der "BAP"-Tour 2018. Was mir diese exakt vier Minuten und neunzehn Sekunden gemeinsame Zeit auf der Bühne bedeuten, kann ich kaum in Worte fassen.

Aus Träumen wird man oft geweckt, wenn es gerade am schönsten ist. Dass ich meinen Traum leben darf, ist das größte Glück und ich bin endlos dankbar dafür. Letztlich hat Wolfgang Niedecken es aber erst ermöglicht, dass ich überhaupt so etwas wie einen Lebenstraum hatte, einen Plan und eine Idee, was ich erreichen wollte: Die Gitarre nehmen und Songs mit Substanz und Inhalten schreiben und singen. Und genau dieser Traum startete an diesem besonderen Tag im August des Sommers 1996.

Björn Heuser ist gebürtiger Kölner und Liedermacher. Neben seinen beliebten kölschen Mitsingkonzerten, u.a. jährlich "Kölle singt" in der Kölner Lanxess-Arena oder dem Weihnachtssingen im RheinEnergie-Stadion, ist Heuser als freischaffender Künstler, Kolumnist und Kölsch-Experte seit 25 Jahren aktiv in der Szene unterwegs.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Empfindungen des Autors
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