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Unfreundliche Menschen in München? In Augsburg kann man da nur lachen


Warum sich ein Besuch in Augsburg lohnt
Die unfreundlichsten Deutschen – und stolz darauf

MeinungVon Christof Paulus

21.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Menschen auf dem Rathausplatz in Augsburg (Symbolbild): So unfreundlich sehen die gar nicht aus.Vergrößern des Bildes
Menschen auf dem Rathausplatz in Augsburg (Symbolbild): So unfreundlich sehen die gar nicht aus. (Quelle: IMAGO / Imagebroker)

Fremde warnt man vor ihnen, Einheimische wollen gar nicht anders sein: Die Augsburger. Ihr Grant ist in Bayern berühmt. Aber er droht zu verschwinden.

Denkt man an Klischees über Augsburg, muss man den Eindruck gewinnen, die Stadt im schwäbischen Teil Bayerns kann nur der unsympathischste Ort Deutschlands sein. Eine Umfrage von t-online legt nun ein anderes Ergebnis nahe: In Berlin leben demnach die unhöflichsten Menschen Deutschlands, während Augsburg nicht einmal als Antwortmöglichkeit zur Auswahl stand. Das kann nur einen Grund haben: Gegen Augsburg hätte ohnehin keine Stadt eine Chance gehabt.

Die Menschen in der drittgrößten Stadt Bayerns gelten nämlich als derart verschlossen, griesgrämig und schroff, dass ihre Unfreundlichkeit in der Region berühmt-berüchtigt ist. Besonders gern richtet sich diese gegen die Münchner, die der Umfrage zufolge immerhin die zweitunfreundlichsten Menschen Deutschlands sein sollen. Die Abneigung, die die rund 300.000 Augsburger gegen die nahe Millionenstadt hegen, entgegnen die Münchner mit schnöder Ignoranz und besuchen Augsburg in vielen Fällen nicht einmal.

Was Augsburger gegen München haben

Wenn sie oder andere es dann doch einmal müssen, etwa als Fans ihres Sportvereins, erleben sie sofort, warum die Augsburger als so unfreundlich gelten: Gellende Pfeifkonzerte gegen Gäste und Schiedsrichter sind keine Seltenheit, nach jedem Tor beleidigen die Eishockeyfans der Augsburger Panther die Kölner Haie; und ganz gleich, ob der Gegner aus Köln, Berlin oder München kommt: Die Trainerbank des FC Augsburg gilt als die unfairste der ganzen Fußballbundesliga.

Untrügliches Zeichen dafür, wie passend das Griesgram-Image für Augsburg ist, ist das Wort "Muhackl". Das nutzt man zwar in vielen Teilen Bayerns für eine Person, die im Umgang äußerst unfreundlich ist. Doch in keinem der bayerischen Dialekte klingt das Wort so schnoddrig-schön wie im schwäbisch-bairischen Augschburger Dialekt, mit gekrächztem A, weichem G anstelle des CK und einem verschluckten L am Schluss.

Ein gebürtiger Münchner, der seit 2002 in Augsburg lebt, schrieb 2019 einen Leserbrief an die "Süddeutsche Zeitung", in dem er dem Augsburger Grantlertum ein Denkmal setze: "Werden Augsburger von Fremden angesprochen, drehen sie sich oftmals demonstrativ zur Seite", hieß es dort. "Lachen ist nur unerkannt und in der Dunkelheit erlaubt" und "In Augsburg ist der Klimawandel noch nicht angekommen. Es bleibt weiterhin frostig" waren weitere Spitzen.

Was einen Münchner an Augsburg stört

Bertolt Brecht, einer der berühmtesten Augsburger, sagte über die Stadt einst angeblich, dass der Zug nach München das Schönste an ihr sei. Die Reaktionen auf den Leserbrief seien im Übrigen teilweise Beschimpfungen gewesen, schilderte der Schreiber im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen". In Leserbriefen an die Zeitung bezeichneten die Augsburger ihn als "verbittert" oder legten ihm einen Umzug nahe.

In Augsburg zu wohnen, kann somit nur etwas für düster dreinblickende Misanthropen sein, könnte man nun meinen. Doch wer die Stadt besucht, wird sich wundern. Denn wer nicht gerade allzu verbissen versucht, sich mit Händen und Füßen gegen das Klischee vom grimmigen Augsburger zu wehren, sieht das eigene Image oft locker und macht sich einen Spaß daraus. "Du Siach" – eine kaum ins Hochdeutsch zu übersetzende Beleidigung – ist in Augsburg eine gern benutzte Begrüßung.

Da weiß man gleich, woran man ist. Oder vielleicht auch nicht. Denn, wie soll es anders sein, ganz so schlimm ist es mit der Grantelei in Augsburg dann doch nicht. Das Klischee lebt weiter, weil die Augsburger es so wollen. Unfreundlich sein ist hier Folklore. Wer erst einmal angekommen ist, wird merken, dass die Augsburger auch herzlich sein können, wenn sie wollen. Dass sie das nicht immer tun, hat gute Gründe.

Münchner Probleme auch in Augsburg

München, das nicht einmal eine Stunde entfernt liegt, wächst schließlich seit Jahren und platzt aus allen Nähten. Auf der Suche nach Wohnraum kommen immer mehr aus der Landeshauptstadt herüber nach Augsburg und bringen die dortigen Probleme – explodierende Mietpreise, Wohnungsknappheit und überfüllte Züge und Straßen – mit nach Augsburg.

Nicht zuletzt ein Schutzschild aus Mundfaulheit, barschen Ansagen und gelegentlichen Beschimpfungen ist eine der Hoffnungen, die die Augsburger haben, um sich die Probleme des Umlands und zugezogene Norddeutsche vom Leib zu halten. Ob sie damit Erfolg haben, darüber lässt sich streiten: Augsburg ist die bayerische Stadt mit dem höchsten Migrationsanteil.

Was den Augsburger Grantler bedroht

Nach Augsburg wird also immer noch gern gezogen. Und das wird es auch dem klischeehaften Augsburger Grantler schwer machen. Denn die Neuen mischen das Augsburger Stadtbild ganz schön auf, und auf das Klischee vom unfreundlichen Eingeborenen pfeifen sie eh. Der Augsburger Grantler ist deshalb vom Aussterben bedroht. Aber auf die nette Art.

Übrigens: Der Autor des Textes ist selbst zugezogener Augsburger. Er möchte seinen Text als Liebeserklärung an große Teile der Stadt verstanden wissen, auch wenn man das vielleicht nicht überall herausliest. Aber in Augsburg dürfen eben sogar die Liebeserklärungen ein wenig griesgrämig sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Augsburger Allgemeine: "Der Augsburger, der Unsympath?"
  • Süddeutsche Zeitung: "Die sehr spezielle Schwabenmetropole"
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