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Aids-Experte gibt Entwarnung vor HIV-Infektion: "Lieber HIV als Diabetes"


Münchner Aids-Hilfe klärt auf
Experte: Mit HIV lässt es sich inzwischen gut leben

Von Sarah Koschinski

01.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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HIV-SchnelltestVergrößern des Bildes
Der Teststreifen an einem HIV-Schnelltest verfärbt sich: Ein Münchner Experte rät bei Unsicherheit zum Test. Nur so kann die Virusinfektion behandelt werden. (Symbolbild) (Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/dpa-bilder)

Jährlich findet am 1. Dezember der Welt-Aids-Tag statt. In der Gesellschaft ist HIV immer noch ein Tabuthema. Wie schlimm eine Infektion wirklich ist.

Weltweit leben rund 38 Millionen Menschen mit HIV. Etwa 12.500 HIV-Infizierte leben in Bayern. Schätzungsweise 50 Prozent davon in München, so die Einschätzung von Bernd Müller, Assistent der Geschäftsführung bei der Münchner Aids-Hilfe. Und obwohl es heute gute Behandlungsmöglichkeiten gibt, ist HIV in der Gesellschaft immer noch stigmatisiert – ein Tabuthema, über das viele nicht sprechen möchten. t-online hat bei der Münchner Aids-Hilfe nachgefragt, was man über die Infektion wissen muss.

"Das eigentliche Problem ist, dass die Betroffenen mit der Infektion allein sind. Das Stigma der 80er-Jahre ist bei vielen immer noch vorherrschend", sagt der Experte. Die Urangst der Gesellschaft dem Virus gegenüber sei allgegenwärtig. Infizierte könnten kaum mit jemandem darüber reden. Selbst im Gesundheitswesen komme es oft zu einer Diskriminierung von HIV-Infizierten. Beispielsweise bekämen sie späte Termine. Anschließend werde alles penibel desinfiziert und gereinigt. Müller sieht keinen Grund für diese Angst.

Experte überzeugt, dass man gut mit HIV leben kann

"Seit 1996 gibt es Medikamente. Man nimmt pro Tag etwa ein bis zwei Tabletten und ist dann praktisch nicht mehr ansteckend", erklärt er. Die Wirkungswahrscheinlichkeit der Tabletten liegt laut Müller bei 98 Prozent. Der Experte ist überzeugt, dass man mit HIV gut leben kann. "Die psychische Belastung ist größer als die körperliche", sagt er. Doch wie merkt man überhaupt, dass man sich mit dem Virus infiziert hat?

Laut dem Experten gibt es zwei Phasen: "In den ersten ein bis zwei Wochen nach der Infektion vermehrt sich das Virus schlagartig", erklärt Müller. Oftmals werde es in dieser Zeit mit einem grippalen Infekt verwechselt, weil die Symptome sehr ähnlich sind. Doch diese klingen dann schnell wieder ab. Rund drei Monate später kann der Körper dem Virus etwas entgegensetzen, die Viruslast pendelt sich auf niedrigem Niveau ein. Als Folge der chronischen Infektion sind dann beispielsweise die Lymphknoten angeschwollen oder es macht sich ein Ausschlag im Intimbereich bemerkbar.

HIV führt nur unbehandelt zu Aids

Dass es nach einer HIV-Infektion zu Aids kommt, "dauert im Normalfall Jahre", sagt Müller. So weit komme es nur, wenn HIV nicht behandelt werde. Und auch hier kann er Entwarnung geben: In den westlichen Ländern sind relativ wenig Menschen von Aids betroffen, also der tödlichen endenden Schwächung des Immunsystems. Trotzdem erkranken jedes Jahr mehr als 1.000 Personen an Aids – obwohl das vermeidbar wäre.

Auch die Infektion mit HIV geschieht nicht zwingend gleich beim ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr. "Es gibt sogar Ehepaare, bei denen der eine Partner infiziert ist, und der andere nicht. Bei denen kommt es jahrelang zu keiner Übertragung." Vielmehr sei ausschlaggebend, ob Blut im Spiel oder eine Verletzung vorhanden ist, so Müller.

Experte rät zu HIV-Test – diesen gibt es auch kostenlos

"Der einfachste Schritt ist, zum Testen zu gehen", rät der Experte für den Fall, dass man nicht sicher ist, ob man sich infiziert haben könnte. "Man muss ehrlich mit sich sein. Das sollte einem die Gesundheit wert sein." Neben kostenlosen Tests, die das Gesundheitsamt oder auch der Hausarzt anbietet, gibt es auch bei der Münchner Aids-Hilfe Möglichkeiten dazu. Hier wird man für 26 Euro nicht nur auf HIV, sondern auch auf andere Geschlechtskrankheiten getestet.

Für diejenigen, die auf dem Land leben oder die sich nicht trauen, zum Arzt oder einer Beratungsstelle zu gehen, gibt es auch Heimtests, wie Müller weiß. "Die kann man sich nach Hause liefern lassen. Sie funktionieren hervorragend." Man pikst sich selbst in den Finger, schickt das Blut ins Labor und nach ein paar Tagen hat man das Ergebnis. Wer sofort wissen will, ob er sich infiziert hat, bekommt sein Ergebnis bereits nach einer Viertelstunde bei der Münchner Aids-Hilfe.

Müller rät Partnern, die ungeschützten Sex miteinander haben wollen, sich vorher testen zu lassen. Damit die Hemmschwelle etwas niedriger ist, empfiehlt er: "Machen Sie ein gemeinsames Projekt daraus und lassen Sie sich testen."

"Ich hätte lieber HIV als Diabetes"

Rund 4.300 Menschen kamen dieses Jahr zur Münchner Aids-Hilfe. Die Personen, die sich testen oder beraten lassen, seien sehr unterschiedlich, "tendenziell jung", sagt Müller. "Ich würde behaupten, die meisten von ihnen sind aber heterosexuell."

Auch wenn Sex immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft ist und HIV stigmatisiert wird, kann Bernd Müller Entwarnung geben: "Die Infektion selber ist gut behandelbar und man kann damit leben. Ich hätte lieber HIV als Diabetes!" Er rät dazu, im Falle einer Infektion nicht in Panik zu verfallen. Sein Tipp an alle anderen: "Schafft euch Sicherheit und lasst euch testen!"

Hier kann man sich in München beraten lassen

Wer sich in München beraten oder auf HIV testen lassen möchte, der kann sich an folgende Einrichtungen wenden:

  • BRK-Kreisverband München: In der Perchtinger Straße 5 bekommen Menschen, die an HIV oder Aids erkrankt sind, Beratung und Betreuung.
  • Frauen Gesundheitszentrum e. V.: In der Grimmstraße 1 gibt es Beratung, Informationen und Workshops für Mädchen und Frauen zu HIV und Aids, Verhütung und Sexualität.
  • Münchner Aidshilfe: Die fast 200 Mitarbeiter bieten in der Lindwurmstraße 71 ein bedürfnisgerechtes Hilfsangebot an. Es gibt neben Information und Beratung auch Betreuung und Pflege.
  • Bayerische Aids-Stiftung – Verein zur Gesundheitsförderung e. V.: In der Biedersteiner Straße 29 gibt es hier Beratung zu HIV/Aids und Unterstützung für Betroffene sowie Informationen für Ratsuchende sowie Prävention und Aufklärung.
  • Psychosoziale Aids-Beratungsstelle der Caritas: In der Schrenkstraße 3 bietet die Caritas Hilfe und Unterstützung für Betroffene mit HIV/Aids und ihre Angehörigen.
  • Immunambulanz und psychosoziale Beratungsstelle: In der Frauenlobstraße 9–11 erhalten Patienten und andere Interessierte Beratung zu Themen wie Sexualität und Gesundheit, HIV/ AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Ein anonymes Beratungstelefon, Vortragsveranstaltungen und Infotische gibt es auf Anfrage.
Verwendete Quellen
  • welt-aids-tag.de
  • muenchen.de: Aidsberatungsstellen
  • Gespräch mit Bernd Müller von der Münchner Aids-Hilfe
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