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München: Ausstellung beleuchtet Rechtsterror seit 1945


Oktoberfest, NSU, Halle
"Größte Bedrohung": Ausstellung zeigt rechten Terror


17.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Rechtsterrorismus in Deutschland: Eine Ausstellung in München zeigt anhand von lokalen, regionalen und internationalen Beispielen die anhaltende rechtsterroristische Bedrohung von 1945 bis heute. (Quelle: Lukas Barth-Tuttas)

Rechtsextreme Gewalttaten gibt es immer wieder. Das NS-Dokumentationszentrum in München zeigt 25 Fälle. Das Besondere: Der Fokus liegt nicht auf den Tätern.

Robert Höckmayr liegt an diesem Oktobertag 1980 mit schweren Risswunden und Verbrennungen im Krankenhaus. Seine Verletzungen rühren vom blutigsten Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik, dem Oktoberfestattentat in München. Bei dem Anschlag hat der zwölfjährige Robert, der in der Folge 42 Mal operiert werden musste, zwei Geschwister verloren.

In der Klinik bekommt er nun Besuch von Franz Josef Strauß, der am Krankenbett etwas sagt, das sich Höckmayr ins Gedächtnis gräbt, wie er später erzählt. Nämlich: "Im Krieg habe ich schon Schlimmeres gesehen." Dieser schier unglaubliche Satz des damaligen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten "steht überspitzt auch für die Mentalität dieser Zeit", sagt Steffen Liebscher, Kurator der Ausstellung vom Memorium Nürnberger Prozesse.

"Wurde viel verharmlost und viel bagatellisiert"

"Bei rechtem Terror wurde viel verharmlost und viel bagatellisiert." Und das nicht nur damals: Auch für den Terror des NSU gebrauchten Medien anfangs die infame Bezeichnung "Dönermorde". Und als ein 18-Jähriger im Juli 2016 im Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) aus rechtsradikalen Motiven neun Menschen erschoss, da wurde diese Tat zunächst als unpolitischer Amoklauf eingestuft.

Dabei sei der Rechtsterrorismus hierzulande kein temporäres oder lokales Phänomen, sondern ständiger Begleiter der deutschen Nachkriegsgeschichte, sagt Steffen Liebscher. Er hat dort eine Ausstellung kuratiert namens "Rechtsterrorismus. Verschwörung und Selbstermächtigung – 1945 bis heute", die ab diesem Donnerstag im NS-Dokumentationszentrum in München zu sehen ist.

Von Oklahoma über das Oktoberfestattentat bis zum NSU

"Der rechte Terror ist die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland", betont Steffen Liebscher. "Das soll bei der Ausstellung herauskommen." Sie stellt 25 Fälle rechtsterroristischer Gewalt nach 1946 vor – in Deutschland, aber auch international, wie den Bombenanschlag in Oklahoma 1995 und das Attentat auf der norwegischen Ferieninsel Utøya 2011. Der Fokus der Schau, die extra fürs NS-Dokumentationszentrum überarbeitet wurde, liegt jedoch auf den Taten in München – auf dem Oktoberfest 1980, im OEZ 2016 sowie 2001 und 2005, als Habil Kılıç und Theodoros Boulgarides Opfer des NSU-Terrors wurden.

Bei all diesen Anschlägen habe nicht nur der Staat versagt, "sondern auch wir als Gesellschaft", betont Mirjam Zadoff, die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums. "Weil wir so schlecht sind im Umgang mit Trauma und Trauer. Und weil wir die Angehörigen nicht schützend in unsere Mitte nehmen." Genau dieses Ziel verfolge jedoch die Ausstellung, die bewusst die Perspektive der Betroffenen einnehme, sagt Steffen Liebscher. "Wir wollen ihnen eine Stimme geben."

Ausstellung in München: Wenige Exponate, große Wirkung

Neben Erklärtafeln, Fotos und eine Medienstation setzt die Ausstellung nur auf wenige Exponate – doch umso größer ist deren Wirkung. Der Anschlag in Halle 2019 wird beispielsweise anhand des Rahmens jener Tür erzählt, die dem Angriff des Attentäters auf die dortige Synagoge standhielt. Berührend ist auch ein Brief von Can Leyla an seine Familie; der 14-Jährige wurde beim Anschlag im OEZ ermordet. Sein Brief beginnt mit den Worten: "Für Mama und Papa und Bruder, ich liebe euch."

Bis 28. Juli bei freiem Eintritt zu sehen

Die Ausstellung "Rechtsterrorismus. Verschwörung und Selbstermächtigung – 1945 bis heute" ist ab diesem Donnerstag, 18. April, bis 28. Juli bei freiem Eintritt im NS-Dokumentationszentrum in München zu sehen.

Begleitet wird sie von diversen Vorträgen, Gesprächsrunden, Filmvorführungen und Rundgängen zum Thema Rechtsterrorismus. Das komplette Programm steht auf www.nsdoku.de.

Neben den vielen Taten, die traurige Berühmtheit erlangten, blickt die Ausstellung auch auf weniger bekannte Vorfälle rechten Terrors. So erfahren die Besucherinnen und Besucher etwa, dass es schon 1946 Anschlagsversuche von einstigen SS-Mitgliedern auf die Nürnberger Prozesse gab.

Opfer kämpfte jahrzehntelang um finanzielle Entschädigung

Weitgehend vergessen in der öffentlichen Wahrnehmung sei bis vor Kurzem auch eine Tat in Nürnberg 1982 gewesen, sagt Steffen Liebscher. Damals erschoss ein Neonazi drei Menschen in der Innenstadt. Auch hier sah der Staat zunächst einen "terroristischen Einzelgänger" am Werk – ähnlich wie beim Oktoberfestattentat in München. Erst 2020, nachdem die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen hatte, wurde die Tat als rechtsextremer Terrorakt bewertet.

Robert Höckmayr, dessen Familie an den Folgen des Anschlags zerbrach, kämpfte jahrzehntelang dafür, als Opfer anerkannt und finanziell entschädigt zu werden. Bis heute trägt er 26 Metallsplitter von jenem 26. September 1980 in seinem Körper.

Verwendete Quellen
  • Rundgang durch die Ausstellung
  • Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung
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