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Nürnberg: Todesschütze weiterhin flüchtig – Frust über Arbeit der Ermittler wächst


Nach Schüssen in Nürnberg
Todesschütze weiterhin flüchtig – Frust über die Arbeit der Ermittler

  • Meike Kreil
Von Meike Kreil

Aktualisiert am 29.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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In der Nürnberger Südstadt ist es am Montagabend zu Schüssen auf offener Straße gekommen.Vergrößern des Bildes
Auf offener Straße ist es vor einem Monat in Nürnberg zu Schüssen gekommen (Archivbild): Noch immer sind viele Fragen offen. (Quelle: ToMa)

Einen Monat nach den tödlichen Schüssen in Nürnberg ist der Täter weiter auf der Flucht. Der Frust über die Arbeit der Ermittler wächst – und auch das Misstrauen.

Genau einen Monat ist es her, dass in der Südstadt in Nürnberg tödliche Schüsse fielen. Noch immer ist der per Haftbefehl Gesuchte nicht gefasst. Viele Fragen sind offen. Polizei und Staatsanwaltschaft geben kaum Informationen heraus. Frust und Misstrauen machen sich breit. Zu präsent ist den Angehörigen noch das Versagen des deutschen Rechtssystems bei den NSU-Morden.

Ein 28-Jähriger soll am 24. Oktober vor einem Restaurant in der Nürnberger Südstadt auf einen 30-Jährigen und einen 35-Jährigen geschossen haben. Der Jüngere starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Es soll um viel Geld, Geschäfte und falsche Freundschaften gegangen sein. Täter wie Opfer haben türkische Staatsangehörigkeit, heißt es.

Die Verunsicherung ist auch einen Monat nach der Bluttat groß. Die Menschen in der türkischen Community seien verängstigt und beunruhigt – auch weil der Täter noch immer nicht gefasst wurde. Das sagt Bülent Bayraktar auf Nachfrage von t-online. Er ist der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg und hat nach eigener Aussage Einblicke in die Hintergründe des so undurchsichtigen Falls.

Es belaste Bayraktar, dass seine Gemeinschaft so wenig Vertrauen in die Polizei habe. "Seit den NSU-Morden gibt es ein gewisses Misstrauen", erklärt er. In Nürnberg konnte die rechtsextreme Terrorzelle über Jahre hinweg Anschläge und Morde verüben. Auch, weil die Ermittlungen stark von Vorurteilen geprägt waren und sich zuerst gegen die türkische Community richteten.

Bayraktar erzählt, dass deshalb anfangs kaum jemand mit der Polizei sprechen wollte. Und das, obwohl "viele Zeugen über die Umtriebe" des mutmaßlichen Schützen Bescheid gewusst haben sollen. Vielmehr seien ihm, Bayraktar, wichtige Beweismittel anvertraut worden – er sei derjenige gewesen, der die Dokumente dann an die Mordkommission weitergeleitet habe. Auch t-online liegen manche der Papiere vor. Immerhin würden nun türkischsprachige Beamte eingesetzt, um die Zeugen zu vernehmen. So haben mittlerweile viele Zeugen gehört werden können, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so der Vorsitzende.

Gewalttat in der Südstadt in Nürnberg: Noch viele Fragen offen

Die zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hält sich dazu bedeckt. Eine Sprecherin beruft sich auf ermittlungstaktische Gründe: Auskunft zum aktuellen Stand dürfe sie nicht geben. Dabei sind so viele Fragen offen: Wie viele Hinweise sind nach der öffentlichen Fahndung eingegangen? Ist eine heiße Spur dabei? Die Informationen, die die Ermittler herausgeben, sind spärlich.

Das wundert Bayraktar. Und es frustriert ihn, genauso wie die Angehörigen des Todesopfers. Der Vater des 30-Jährigen, der die Schüsse nicht überlebte und eine schwangere Frau sowie eine Tochter hinterlässt, könne das nicht verstehen. Nicht einmal ihn würden die Ermittler über den aktuellen Stand informieren. Das zumindest habe der Vater Bayraktar erzählt – sie stünden nach seiner Aussage in engem Kontakt.

Und wie geht es dem damals schwer Verletzten mittlerweile? Der 35-Jährige wurde aus dem Krankenhaus entlassen, erklären die Ermittler. Hat er vielleicht sogar das Land verlassen? An Bayraktar wurde herangetragen, dass der 35-Jährige ausgewiesen worden sein soll. Ein Skandal in den Augen des Vaters des Verstorbenen: Dieser sei doch ein wichtiger Zeuge in dem Fall. Die Polizei jedoch verweigere ihm eine Antwort – wegen datenschutzrechtlicher Bestimmungen.

Nach Angaben Bayraktars soll das zweite Opfer erst vor Kurzem nach Nürnberg gekommen sein und aus der Türkei stammen, und zwar aus derselben Gegend wie der angebliche Todesschütze. Auf Nachfrage von t-online nach dem Aufenthaltsstatus der Beteiligten verweist die Staatsanwaltschaft auf die Ausländerbehörde.

40-köpfige Sonderkommission der Polizei sucht nach Todesschützen

Fakt ist: Der Mann, der die Schüsse abgefeuert haben soll, ist auch einen Monat nach der Tat noch nicht gefasst. In der Fahndungsmeldung warnt die Polizei vor Mert A., der möglicherweise gefährlich ist. Es wurde Haftbefehl gegen ihn erlassen wegen des dringenden Verdachts des Totschlags und des versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung. Die Polizei hat dazu eine rund 40-köpfige Sonderkommission gegründet. "Parallel dazu werden selbstverständlich auch die Ermittlungen zum Tatgeschehen selbst fortgeführt", heißt es weiter. Es würden etwa Spuren ausgewertet oder Zeugen vernommen. Derzeit sei nicht absehbar, wann die Ermittlungen abgeschlossen werden können.

Nach Informationen Bayraktars soll Mert A., der spätere mutmaßliche Todesschütze, Mitte September an der deutsch-tschechischen Grenze mit falschen Papieren erwischt worden sein. Große Konsequenzen scheint dies nicht gehabt zu haben. Es stellt sich die Frage, wieso der 28-Jährige danach offenbar unbehelligt weiterreisen durfte.

Wo sich der Todesschütze momentan aufhält, darüber weiß der Repräsentant der türkischen Community nichts. Gemeindemitglieder gingen davon aus, dass sich A. nicht mehr in Deutschland befinde. "Gemeindemitglieder sagen, wer es schafft, über die Ukraine nach Deutschland zu gelangen, kann viel einfacher wieder aus Deutschland flüchten."

All diese Umstände belasteten den Vater des "Mordopfers", wie es Bayraktar ausdrückt, bis heute sehr. Es stünden viele Fragen im Raum, die auf Antworten warten.

Der Artikel wurde am 29.1.23 aktualisiert.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Bülent Bayraktar
  • Telefonat mit Polizei Mittelfranken
  • Anfrage bei der Staatsanwaltschaft
  • Protokoll über Sicherstellung Akins an Grenze
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