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Nürnberg: Putin-Propaganda im Russisch-Deutschen Kulturzentrum? "Wie Sowjetzeit"


Nicht vom Krieg distanziert
Putin-Propaganda in Nürnberger Kulturzentrum?


15.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum (r.) in Nürnberg: Die Leiterin hat jahrelang mit einer Propagandastiftung zusammengearbeitet.Vergrößern des Bildes
Das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum (r.) in Nürnberg: Die Leiterin hat jahrelang mit einer Propagandastiftung zusammengearbeitet. (Quelle: imago / t-online)

Das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum hat jahrelang mit einer Stiftung zusammengearbeitet, die inzwischen auf der Sanktionsliste der EU steht. Dennoch fördert die Stadt es weiterhin mit Zehntausenden Euro jährlich.

Tief im Nürnberger Südwesten, im Stadtteil Röthenbach, befindet sich das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum (RDK) – im Hinterhof, direkt neben einem Kulturladen der Stadt. Hier sollen Einwanderer und deren Kinder bei der Integration unterstützt und kultureller Austausch gefördert werden. Eigentlich eine gute Sache. Nebenbei hat das RDK aber auch den Ruf, eher putinfreundlich zu sein und sich nicht vom Angriffskrieg gegen die Ukraine zu distanzieren.

Die Einrichtung existiert seit 1998 und bietet pro Woche 120 Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Im Jahr besuchen bis zu 50.000 Menschen das Zentrum, wie das RDK selbst auf seiner Website schreibt. Chefin des RDK ist Irina Fixel – parallel ist sie beim Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg beschäftigt.

Das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum in Nürnberg-Röthenbach.
Das Russisch-Deutsche-Kulturzentrum in Nürnberg-Röthenbach. (Quelle: t-online)

Russisch-Deutsches-Kulturzentrum in Nürnberg

Das RDK wird von einem Verein getragen. Zu seinen Förderern gehört unter anderem die Stadt Nürnberg. Sie bezuschusst das Zentrum mit rund 120.000 Euro jährlich. Auch vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus erhält es Gelder – weil es die Mittagsbetreuung an einer staatlichen Grundschule organisiert.

Chefin des Zentrums von Putin in Kreml eingeladen

Fixel trägt zu dem Ruf des Zentrums massiv bei. Sie arbeitete jahrelang mit einer russischen Stiftung zusammen. Die Stiftung steht inzwischen auf der Sanktionsliste der EU – wegen Propaganda. Sie heißt "Russkij Mir". "Russkij Mir" ist eine Organisation der russischen Regierung. Offiziell wurde sie gegründet, um die russische Sprache und Kultur zu fördern.

Philologe Oleksandr Zabirko von der Universität Regensburg sagt im Gespräch mit t-online, die Stiftung betreibe überwiegend normale Kulturförderung – vergleichbar mit dem Goethe-Institut. "An bestimmten Stellen kommt aber das Propagandistische raus", sagt Zabirko weiter.

Stiftung seit Juli 2022 auf der Sanktionsliste

Vom Kreml wird "Russkij Mir" unter anderem als Instrument dafür genutzt, der Ukraine die Legitimation als eigener Staat abzusprechen, so der Europäische Rat. Seit Juli 2022 steht sie deshalb auf der Sanktionsliste der EU. Das Russisch-Deutsche Zentrum war bis zum Ausbruch des Kriegs eine Vertretung der Stiftung in Nürnberg.

Chefin Irina Fixel macht indes aus ihrer Vergangenheit kein Geheimnis. Wer auf die Website der RDK klickt, liest dort bis heute – "von 2009 bis 2021 Direktorin der Nürnberger Vertretung der russischen Stiftung Russkij Mir". Fest steht auch: Fixel war mit "Russkij Mir" über Jahre eng verbunden und wurde von der Stiftung, die jetzt auf der Sanktionsliste steht, für Ihre Arbeit ausgezeichnet. 2007 wurde sie sogar von Präsident Wladimir Putin in den Kreml eingeladen, wie der "Nürnberger Stadtanzeiger" damals berichtete.

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Russische Flagge: Die Stiftung "Russkij Mir" verbreitet kremlfreundliche Propaganda. (Quelle: IMAGO/Petrov Sergey/imago)

Die Stiftung "Russkij Mir"

"Russkij Mir" ist eine Stiftung der russischen Regierung. Offiziell wurde sie gegründet, um die russische Sprache und Kultur zu fördern. Vom Kreml wird die Stiftung unter anderem als Instrument dafür genutzt, der Ukraine die Legitimation als eigener Staat abzusprechen, so der Europäische Rat. Unter anderem verbreitet sie kremlfreundliche und antiukrainische Propaganda, weshalb sie seit Juli 2022 auf der Sanktionsliste der EU steht. Das Russisch-Deutsche Zentrum war bis zum Ausbruch des Kriegs eine Vertretung der Stiftung in Nürnberg.

Insgesamt liegt die Vermutung nahe, dass hinter den Türen des Russisch-Deutschen-Kulturzentrums mehr passiert als Friede, Freude und Kulturaustausch. t-online hat mit etwa einem Dutzend Menschen aus der russischen und ukrainischen Community, dem Umfeld des Zentrums und der Stadt gesprochen. Sie bekräftigen die Vermutung.

Mutter einer Aktivistin bedroht

Da sind zum Beispiel die Antikriegsaktivisten Elizaveta Shlosberg und Alexander Schumski. Sie haben einen Verein gegründet, der unter anderem gegen russische Desinformation in Deutschland kämpft. Als 2022 Russland die Ukraine angriff, seien sie verwundert gewesen – weil das RDK schwieg. Darum wandten sich Shlosberg und Schumski an die Einrichtung. Man habe höflich gefragt, warum es noch kein Statement zum Krieg gebe und ob das Zentrum immer noch mit der Stiftung "Russkij Mir" zusammenarbeite, sagt Shlosberg.

Stutzig machte die Aktivisten schließlich aber die Reaktion des Zentrums – es habe nämlich gar nicht reagiert. Von Unterstützern des Zentrums wurden Shlosberg und Schumski hingegen in den sozialen Medien an den Pranger gestellt, sahen sich zahlreichen Anfeindungen konfrontiert, sagen die Aktivisten weiter. Shlosbergs Mutter sei sogar bedroht worden. "Halte deine Tochter im Zaum", habe in einer Nachricht an ihre Mutter gestanden.

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Schließlich haben die beiden Aktivisten die engen Kontakte zur Stiftung "Russkij Mir" recherchiert. t-online hat die Angaben überprüft und kann sie in weiten Teilen betätigen. Shlosberg und Schumski erwarten jetzt wenigstens, "dass Fixel sich von Russkij Mir öffentlich distanziert, ohne etwas kleinzureden". Zum anderen müsse die Leiterin des Zentrums den Krieg klar verurteilen. "Es geht hier um Arbeit mit Kindern – wenn man nicht in der Lage ist, sich klar zu positionieren, sollte man nicht mit Kindern zusammenarbeiten".

Einige Mitarbeiter vermutlich "russischer Propaganda verfallen"

Und es ist nicht nur Irina Fixel, die mit prorussischer Propaganda von sich reden macht. Facebookposts belegen, wie manche Mitarbeiter über den Krieg in der Ukraine denken. Eine Lehrerin im Zentrum – laut Shlosberg vermutlich "Fixels rechte Hand" – schreibt etwa vom "Kampf gegen den ukrainischen Nazismus", "der militärischen Sonderaktion" oder feiert russische Soldaten als "Helden." "Das ist eine klare Befürwortung des Kriegs, das sind Narrative der russischen Propaganda", meint Shlosberg.

Ähnlich denkt auch eine Nürnbergerin mit russischen Wurzeln – aus dem Umfeld des Zentrums. Die Frau möchte anonym bleiben, sagt aber im Gespräch mit t-online: "Ich vermute, dass einige Mitarbeiter des Zentrums russischer Propaganda verfallen sind." Eine andere Frau, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden will, erzählt, dass sie früher Kulturveranstaltungen im RDK besucht habe. "Ich habe mich dort gefühlt wie zur Sowjetzeit, deshalb bin ich dann dort schnell nicht mehr hin", sagt sie weiter.

Oberbürgermeister weiß seit 2022 von den Vorwürfen

Dennoch wird die Einrichtung bis heute von der Stadt gefördert. Immerhin mit 120.000 Euro pro Jahr. Oberbürgermeister Marcus König dürften die Vorwürfe rund um das Kulturzentrum nicht neu sein. t-online konfrontiert die Stadtverwaltung mit der Recherche. Dokumente, die unserer Redaktion vorliegen, belegen, dass der CSU-Mann seit 2022 im Bilde war.

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Anstatt König äußert sich auf die Anfrage ein Stadtsprecher. Er sagt, Bedingung der Förderung seitens der Stadt sei, dass das Zentrum keine Gelder der russischen Stiftung mehr erhalte. Das RDK habe diese Förderbedingung akzeptiert. Weiter sagt der Sprecher: "Die Stadt Nürnberg hat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich verurteilt und dies mehrfach unterstrichen. Das erwartet sie auch von ihr unterstützten Einrichtungen."

"Man könnte meinen, in der Ukraine sei ein Vulkan ausgebrochen"

Genau das hat aber das RDK bislang nicht gemacht – zumindest nicht öffentlich. Der Stadtsprecher dazu: "Wir fragen nicht bei allen in der Stadt befindlichen und auch geförderten Institutionen ab, ob bestimmte politische Erklärungen abgegeben wurden oder werden."

Überhaupt hat sich das Zentrum bislang nur einmal zum Krieg geäußert – in einem Post auf Instagram, verfasst von Irina Fixel. Der Philologe Zabirko hat sich den Post für t-online angesehen, er sagt: "Es ist die Rede von schrecklichen Ereignissen, von Leid und Elend." Der russische Angriffskrieg werde aber mit keinem Wort erwähnt. "Man könnte meinen, in der Ukraine sei ein Vulkan ausgebrochen und deshalb kommen Flüchtlinge von dort nach Deutschland", sagt Zabirko weiter. Das Wort Krieg komme im Statement einmal vor – in einem Satz, in dem stehe, über den Krieg wollen wir hier nicht reden.

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Stadtrat Michael Ziegler von der SPD weiß auch von den Vorwürfen rund um die Einrichtung und spricht von "einer schrägen Situation". Er fordert: "Auch die Menschen im Russisch-Deutschen-Kulturzentrum müssen anerkennen, dass es Putins Angriffskrieg ist, da gibt es nichts zu deuteln." Von Fixel erwarte er, dass sie sich – auch als Mitarbeiterin der Stadt – klar zum deutschen Rechtsstaat bekenne. "Wenn die Probleme nicht geklärt werden können, muss es Konsequenzen geben", sagt Ziegler.

Inzwischen hat das RDK die Zusammenarbeit mit der Propagandastiftung zwar beendet. Bis heute aber hat sie sich nicht öffentlich von "Russkij Mir" distanziert. Und bis heute hat das RDK auch den Krieg nicht klar verurteilt. Philologe Zabirko sagt: "Vom Saulus zum Paulus wird man nicht an einem Tag. Ich würde meine Kinder dort nicht hinschicken." Irina Fixel selbst wollte mit t-online nicht sprechen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit zwei Aktivisten
  • Gespräch mit Oleksandr Zabirko vom Institut für Slavistik der Universität Regensburg
  • Gespräch mit einer ukrainischen Aktivistin
  • Gespräch mit Michael Ziegler von der SPD-Stadtratsfraktion
  • Anfrage bei Oberbürgermeister Marcus König und Kulturreferentin Julia Lehner
  • Anfrage bei der Stadt hinsichtlich der Förderungen des Russisch-Deutschen-Kulturzentrums
  • Anfrage bei Irina Fixel vom Russisch-Deutschen Kulturzentrum
  • Weitere Hintergrundgespräche
  • consilium.europa.eu: Liste der EU-Sanktionen gegen Russland
  • bpb.de: "Russkij mir – Vom kulturellen Konzept zur geopolitischen Ersatzideologie" vom 15. Juni 2023
  • tagesschau.de: "Russland meldet Kontrolle über Mariupol" vom 21. April 2024
  • facebook.com: Posts einer Mitarbeiterin
  • rdkev.de
  • Website der Stiftung "Russkij Mir"
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