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Nürnberg: Was ein Helfer an der ukrainischen Grenze erlebte


Was ein Helfer an der Grenze erlebte
Flüchtlinge aus der Ukraine haben Angst vor Menschenhändlern

Von Annik Schalck

11.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Geflüchtete Ukrainerinnen in einem Reisebus an der polnischen Grenze (Archivbild): Ein Busunternehmer wünscht sich, dass der Transport den Profis überlassen wird.Vergrößern des Bildes
Geflüchtete Ukrainerinnen in einem Reisebus an der polnischen Grenze (Archivbild): Ein Busunternehmer wünscht sich, dass der Transport den Profis überlassen wird. (Quelle: ANE Edition/imago-images-bilder)

Ein Reisebusunternehmer hat Hilfsgüter zur ukrainischen Grenze gefahren und Geflüchtete nach Nürnberg gebracht. Doch viele hatten Angst, in seinen Bus einzusteigen – weil sie sich vor Zwangsprostitution fürchten.

"Am Mittag habe ich im Fernsehen das Leid gesehen und um halb zwei stand der Spendenstand", erzählt Marco Eichhorn vom Nürnberger Reisebusunternehmen Crazy Tours t-online. In einer Spontanaktion hat er gemeinsam mit mehreren Sponsoren, unter anderem den Nürnberg Ice Tigers, eine Hilfsaktion für die von Putins Angriffskrieg erschütterte Ukraine auf die Beine gestellt.

Der Plan: Hilfsgüter in die Ukraine bringen – und Flüchtlinge wieder mit zurück. Doch während der erste Teil gut klappte, gestaltete sich der zweite schwierig.

Spendenaktion in Nürnberg: Drei Busse voller Hilfsgüter für die Ukraine

"Am Sonntag haben wir mit Sammeln angefangen und am Mittwoch waren wir schon voll", berichtet Eichhorn. Neben Geld- und Sachspenden von Privatpersonen haben seiner Aussage nach auch Unternehmen gespendet. So habe beispielsweise eine Brauerei Getränke beigesteuert. Zudem hat das Unternehmen MAN einen Reisebus zur Verfügung gestellt, wie ein Sprecher t-online bestätigt – ein echter Teamerfolg also.

Mit drei Bus-Kofferräumen voller medizinischer Hilfsmittel, Hygieneartikel, Schlafsäcke und Nahrung hat sich Eichhorn dann am vergangenen Freitagvormittag mit elf anderen auf den Weg nach Polen gemacht. Neben sechs Fahrern seien ukrainische und russische Dolmetscher, Erzieherinnen und Sanitäter mit von der Partie gewesen: "Damit sich die Geflüchteten dann auch wohl und sicher fühlen."

Die Abgabe der Sachspenden habe sich leicht gestaltet, so Eichhorn: Der medizinische Teil der Lieferung sei sofort in Pkw umgeladen und an die ukrainische Front gefahren worden. "Die warten auf Verbandsmaterial ohne Ende." Beim Ausladen der restlichen Fracht habe das polnische Militär geholfen und direkt mit dem Sortieren begonnen. Manches sei dann an die Bevölkerung in der Ukraine gegangen und manches bei den Geflüchteten geblieben.

Gerüchte kursieren: Frauen haben Angst, zum Anschaffen gezwungen zu werden

Vor Ort in den Aufnahmelagern in Polen seien Gerüchte herumgegangen, dass vermeintliche Hilfsaktionen sich als Menschenhandel entpuppen könnten. "Es heißt dann, die Frauen, die nichts taugen, werden irgendwo im Niemandsland ausgesetzt, und die anderen werden zum Anschaffen geschickt." Trotz aller Überzeugungsarbeit, auch von polnischen Soldaten, die die Ausweise der Helfenden fotografiert hatten, habe man deshalb von 164 freien Plätzen lediglich 55 füllen können.

"Es war ein Wahnsinn, das muss man einfach mal selbst erlebt haben", sagt der Reisebusunternehmer. Zusätzlich habe er sich um zwei Ukrainer in seinem Team gesorgt: "Deshalb bin ich nicht ganz an die Grenze herangefahren, sonst wären die vielleicht weg gewesen – man weiß es ja nicht."

Helfer: Privatpersonen können leicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten

Er warnt hilfsbereite Privatpersonen außerdem davor, dass man beim Helfen auch ganz schnell mit dem Gesetz in Konflikt geraten könne. "Männer durften wir nicht mitnehmen – sonst gilt man als Schleuser." Nur männliche Personen unter 18 und über 60 sowie Frauen und Kinder dürfe man nach Deutschland bringen, was viele Privatpersonen jedoch in ihrer Hilfsbereitschaft nicht beachten würden. Zudem berichtet Eichhorn von zahlreichen hilfsbereiten Menschen vor Ort, die inzwischen überflüssige Hilfsgüter wie Kleidung brächten.

Er wünscht sich deshalb, dass die Hilfsfahrten den Busunternehmen überlassen werden, unterstützt von privaten Geldspenden. "Der Busunternehmer weiß, was muss man beachten, wie muss man sich verhalten." Außerdem sei die Menge an Hilfsgütern, die von Bussen gebracht werden könnten, eine ganz andere.

"Kannst du bitte meine Familie holen? Meine schwangere Frau ist noch in der Ukraine"

Die 55 Passagiere sowie ein Hund und eine Katze seien nach der langen Reise bei der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg abgeliefert und dort von Feuerwehr und Sanitätern erstversorgt worden. "Sie haben sofort ein warmes Essen bekommen, alles, damit sie sich willkommen fühlen können", lobt Eichhorn die Stadt Nürnberg. "Ich musste dann aber auch damit abschließen, als sie aus der Tür raus waren – sonst mach ich mir selbst zu viele Gedanken."

Dennoch verfolgt der Einsatz Eichhorns Busunternehmen auch im Nachgang noch: Er habe durch die Aufmerksamkeit Anrufe von Menschen erhalten, die Angehörige in der Ukraine haben, erzählt er t-online. "Da heißt es dann 'Kannst du bitte meine Familie holen? Meine schwangere Frau ist noch in der Ukraine' – da blutet einem das Herz."

Eichhorn und seine Truppe würden noch mal helfen, sagt er. "Wenn die Hilfsorganisationen es bis dahin nicht alleine hinkriegen sollten." Die Aktion sei nur mithilfe der Geldspenden möglich gewesen und neben der körperlichen und mentalen Belastung auch eine finanzielle.

Seit mehr als zwei Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. Der russische Autokrat Wladimir Putin ist mit seinen Truppen in das Land einmarschiert, täglich zerstören Bomben auch zahlreiche zivile Ziele. Mehrere Städte sind von der Versorgung abgeschnitten, Millionen Menschen sind schon geflohen (alle Entwicklungen lesen Sie hier). Deutsche Städte stoßen bei der Aufnahme von Geflüchteten bereits an ihre Grenzen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Marco Eichhorn von Crazy Tours
  • Anfrage bei MAN Truck & Bus
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