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Ex-St.-Pauli-Trainer spricht | Vrabec: "Wir hätten die Erwartungshaltung bremsen müssen"


Ex-St.-Pauli-Trainer spricht
Vrabec: "Wir hätten die Erwartungshaltung bremsen müssen"

Von t-online
Aktualisiert am 13.10.2014Lesedauer: 4 Min.
Nachdenklich: Roland Vrabec will aus den Fehlern während seiner Zeit beim FC St. Pauli lernen.Vergrößern des BildesNachdenklich: Roland Vrabec will aus den Fehlern während seiner Zeit beim FC St. Pauli lernen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Der Saisonstart des FC St. Pauli verlief alles andere als erfolgreich. Roland Vrabec wurde daher am 3. September als Trainer des Fußball-Zweitligisten aus der Hansestadt entlassen, der damals auf Rang 14 lag. In der vergangenen Runde hatte der Coach mit St. Pauli lange um den Aufstieg mitgespielt, letztlich Rang acht belegt. Im ersten Interview nach seinem Aus spricht der 40-Jährige exklusiv mit t-online.de über seine Fehler und das schwierige Umfeld bei dem Kult-Klub.

t-online.de: Herr Vrabec, Ihre Entlassung als Trainer beim FC St. Pauli liegt bereits einige Wochen zurück. Wie geht es Ihnen heute?

Roland Vrabec: Danke, gut. Ich habe für mich bereits einige Dinge aufgearbeitet und bin mit mir im Reinen. Eine Entlassung gehört zum Geschäft.

Das klingt sehr abgeklärt.

Es ist doch im Fußball-Business so, wer einen Vertrag bei einem Verein im Profibereich unterschreibt, der unterschreibt auch seine Kündigung gleich mit. Ich habe gelesen, dass die durchschnittliche Verweildauer eines Trainers bei einem Zweitligisten zehn Monate beträgt. Ich war genau zehn Monate bei St. Pauli. Verträge werden im Trainergeschäft doch fast nie erfüllt.

Ist das Arbeiten bei Klubs wie dem FC St. Pauli, dazu noch in einer Medienstadt wie Hamburg, schwerer als anderswo?

Na klar. Hier sind mehrere Tageszeitungen, die Schlagzeilen liefern müssen. Egal, ob beim FC St. Pauli oder dem HSV. Hier ist auch wegen der großen Anhängerschaft immer was los. Vor allem dann, wenn es einmal nicht so läuft, kommen die Negativ-Schlagzeilen. Aber das gehört dazu. Wer hier einen Vertrag unterschreibt, muss damit leben.

Die Erwartungshaltung beim FC St. Pauli ist ja enorm. Obwohl die Truppe von der Zusammensetzung besten Falls Liga-Mittelmaß darstellt.

Der FC St. Pauli ist vom Etat im Liga-Mittelfeld angesiedelt. Da kann eigentlich niemand den Aufstieg erwarten. Wenn es gut läuft, kann man oben reinschnuppern. So wie wir es vergangene Saison mit einer jungen, hungrigen Mannschaft getan haben. Davon ausgehen, dass es immer klappt, sollte man aber nicht. Dafür ist die 2. Liga viel zu stark.

Welche Rolle spielen diesbezüglich das Vereinsumfeld und die Klubführung?

Die Begeisterung ist beim FC St. Pauli riesengroß. Nach ein paar Siegen kommt sofort Euphorie auf, dann wird vom Aufstieg geträumt. Das ist für einen Trainer ein ewiger Spagat. Bremst du die Euphorie, heißt es, der traut sich das nicht zu, der identifiziert sich nicht mit den Zielen des Vereins. Bläst du mit ins Euphorie-Horn, wirst du an den großen Ansprüchen gemessen und bekommst ordentlich Feuer, wenn es mal nicht läuft. Das macht nachhaltiges Arbeiten richtig schwer.

Was ist für den FC St. Pauli ein realistisches Ziel?

Die Mannschaft hat einige Perspektivspieler, die sich entwickeln, die einmal richtig gut werden können. Bei den meisten reicht es aber sicherlich noch nicht für die 1. Liga. Mit dem aktuellen Kader ist eine Platzierung unter den ersten acht der 2. Liga realistisch, echte Aufstiegskandidaten sind andere Klubs. Ich denke in erster Linie an Kaiserslautern, Nürnberg, Düsseldorf und Leipzig.

Was war aus ihrer Sicht die Hauptursache für die Probleme zum Saisonstart?

Wir alle, Trainer, Sportdirektor, Präsident und auch andere Personen aus dem Umfeld, hätten die Erwartungshaltung bremsen müssen und vor allem die vergangene Saison nicht so negativ beurteilen dürfen.

Das war tatsächlich so?

Ja klar. Obwohl wir eine gute Saison gespielt haben, lange überraschend im Aufstiegsrennen dabei waren und am Ende den achten Platz belegt haben, wurde die Spielzeit negativ bewertet. Wir alle hätten klarer raustellen müssen, dass das richtig gut war und wir perspektivisch etwas entwickeln können. Dadurch, dass viele die Mannschaft besser gesehen haben, als sie wirklich ist, kam auch in der Öffentlichkeit eine falsche Zielsetzung an. Es entstand so unnötig Druck.

Was würden Sie heute anders machen?

Da gibt es natürlich einiges. Genauer eingehen will ich darauf aber nicht, das sieht sonst so aus, als wollte ich nachtreten. So viel kann ich sagen: Dadurch, dass ich vom Co-Trainer zum Cheftrainer wurde und das meine erste Station im Profifußball war, konnte ich einige Dinge nicht so umsetzen, wie ich das eigentlich hätte tun müssen. Die Erfahrung habe ich abgespeichert, die Fehler werde ich nicht nochmal machen.

Wie war denn am Ende ihr Verhältnis zur Mannschaft. Gab es atmosphärische Störungen?

Nein, das Verhältnis war absolut intakt. Einige Spieler haben sich nach meiner Entlassung gemeldet und eine Mitschuld auf sich genommen. Das hat mich gefreut und bestätigt. Natürlich gibt es unzufriedene Spieler, aber die gibt es in jedem Verein.

Ihre Trainingsarbeit, ihre Spielphilosophie, ihre Persönlichkeit werden auch in der Branche anerkannt. Haben Sie bereits Anfragen von anderen Vereinen?

Mit einem Zweitligisten und Sturm Graz hatte ich gute Gespräche. Am Ende haben sich die beiden Klubs aber für andere Trainer entschieden. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich da bald etwas tut.

In welche Richtung denken Sie?

Ich war jetzt fast ein Jahr bei einem Zweitligisten Trainer. So unglücklich das Ende auch war, ich weiß jetzt, dass ich auf diesem Niveau arbeiten kann. Ein Engagement bei einem Zweit- oder Drittligisten kann ich mir also sehr gut vorstellen.

Ein Verein mit einem ruhigeren Umfeld und mehr Zeit für Entwicklungen wäre Ihnen bestimmt recht?

Nein, das ist wirklich egal. Die Zeit beim FC St. Pauli war rückblickend einfach nur richtig stark. Mit allem was dazugehört. Ich habe hier extrem viel gelernt. Egal, wo ich als nächstes arbeite. Die Erfahrungen helfen mir weiter und sie machen mich besser.

Das Interview führte Jörg Runde

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