Schalke eröffnet Zweitliga-Saison Das können sie sich nicht nochmal leisten

Eine erneute Horror-Spielzeit können sich die Knappen nicht leisten. Doch die Voraussetzungen sind widrig. Der Druck auf den neuen Trainer ist groß, das Auftaktprogramm schwer.
Die Arena auf Schalke? Wird am Freitag wieder bis auf den letzten ihrer 62.271 Plätze gefüllt sein. Wenn zum Zweitliga-Auftakt unter Flutlicht Hertha BSC zu Gast ist (ab 20.30 Uhr im t-online-Liveticker), werden alle blau-weißen Fans wieder da sein und Champions-League-Atmosphäre erzeugen.
Dabei hätten sie allen Grund, zu Hause zu bleiben, nach alldem, was sie in den vergangenen drei Spielzeiten mit ansehen mussten. Der Zweitliga-Meisterschaft 2022 folgte der direkte Wiederabstieg als Tabellen-17. der Bundesliga. Es folgten ein 10. und jüngst ein desaströser 14. Platz im Unterhaus, der gleichbedeutend mit der schlechtesten Platzierung der Vereinsgeschichte war. Mehr Abstiegssorgen als Aufstiegshoffnungen und mal wieder viel Frustration unter den Anhängern.
Und die Aussichten, dass es unter den jetzigen Bedingungen besser wird, sind düster. Der sportliche Abstieg vom Champions-League-Achtelfinalisten 2019 zum Zweitliga-Kellerkind 2025 hat dem Verein auch finanziell arg zugesetzt. Die Folge: Schalke hat ein negatives Eigenkapital angehäuft, das zum Jahresstart noch knapp 100 Millionen Euro betrug. Das heißt, die Schulden des Klubs, die aktuell bei rund 150 Millionen Euro liegen, sind höher als seine Vermögenswerte.
Schalke muss Lizenzauflagen erfüllen – sonst droht Punktabzug
Heißt: Schalke muss sparen und hat besondere Lizenzauflagen zu erfüllen. Man muss das negative Eigenkapital jedes Jahr um mindestens fünf Prozent reduzieren. Gelingt das nicht, droht in der darauffolgenden Saison ein Punktabzug.
Dass eine solche Strafe im vergangenen Jahr vermieden werden konnte, lag zum einen an Spielerverkäufen, aber auch an Einnahmen aus Konzerten, die in der Arena stattfanden und Stadionmiete einbrachten. Etwa von Taylor Swift oder Rammstein.
Das klare Ziel der Verantwortlichen ist es, weiterhin keinen Punktabzug zu riskieren. Dass nicht in jedem Jahr derartige Top-Konzerte auf Schalke stattfinden, erschwert das Vorhaben jedoch. Genau wie die gesunkenen TV-Einnahmen aufgrund der schlechten Platzierungen in den vergangenen Jahren. Aus diesem Pool erhält Schalke 5,5 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.
Sportdirektor Youri Mulder sagte im Interview mit der "Bild": "Wir dürfen nicht auf unsere Zukunft wetten, dürfen mit hohen Gehältern und Transfers nicht blind ins Risiko gehen. Wir setzen mehr auf Teamspirit und die Entwicklung der jungen Spieler."
In die Kaderverstärkung investierte man daher bisher gerade einmal 650.000 Euro für vier Spieler. Nikola Katić (450.000 Euro/FC Zürich), Soufiane El-Faouzi (250.000 Euro/Aachen) sowie die ablösefreien Verteidiger Timo Becker (Rückkehrer aus Kiel) und Hasan Kuruçay (Leuven) wurden verpflichtet.
Immerhin: Der Druck, Leistungsträger aus finanziellen Gründen unbedingt abgeben zu müssen, ist etwas gesunken. Das liegt an der Einführung der Fördergenossenschaft "Auf Schalke eG", über die Mitglieder Anteile erwerben können. Mehr als acht Millionen Euro sind dabei bereits zusammengekommen.
Schalkes Vorstandsvorsitzender Matthias Tillmann sagt: "Die Genossenschaft gibt uns Freiraum und eine ganz andere Verhandlungsposition." Die sich insofern verbessert, als nun Hoffnung besteht, dass man Torjäger Moussa Sylla (16 Treffer in der vergangenen Saison) und Top-Talent Taylan Bulut doch halten kann. Beide galten zuletzt als Trennungskandidaten, da man sich von ihnen eine möglichst hohe Ablöse erhoffte.
Baumann kündigt späte Transfers an
Mulder sagt trotzdem: "Schalke hat zu viele Spieler und wir suchen nach Lösungen, um den Kader zu verschlanken und dann durch neue Spieler die Qualität zu erhöhen." Dabei hat man sich bereits von elf Spielern getrennt. Mit ihnen wurden aber "nur" 2,25 Millionen Euro an Ablösen erzielt.
Mal wieder findet also ein großangelegter Umbruch statt, samt neuem Trainer – Miron Muslić – und neuem Sportvorstand – Frank Baumann. Letzterer sagt: "Ich glaube, es macht nach den vergangenen zwei Jahren für Schalke keinen Sinn, ein Saisonziel auszugeben. Außerdem wird in unserem Kader noch einiges passieren. Es ist noch nicht abzusehen, wie unser Aufgebot am 2. September aussehen wird." Denn erst dann schließt das Transferfenster.
Und bis dahin können Trainer und Sportchef auch schon einschätzen, wo man steht. Denn die ersten Wochen haben es in sich. Nach dem Auftakt gegen ambitionierte Berliner reisen die Königsblauen auf den Betzenberg nach Kaiserslautern. Anschließend kommt Bundesliga-Absteiger Bochum zum Revierderby in die Veltins Arena, ehe es Ende August zu Aufsteiger Dynamo Dresden geht.
Wegen der klammen Kassen setzt Baumann auf die Strategie der späten Transfers, auch wenn das bedeutet, dass der Kader erst weit nach Saisonstart komplett sein wird. Die Hoffnung: Spieler, die anderswo nach den ersten Spielen unzufrieden sind, noch günstig oder per Leihe verpflichten zu können: "Nach dem zweiten oder dritten Spieltag wird noch der eine oder andere Spieler dazukommen. Das ist eine Chance für uns. Da geht es um Spieler, die sich aktuell noch nicht in der 2. Liga sehen", so Baumann.
"Gibt viele Spieler, die Bock auf Schalke haben"
Der ehemalige Bremer verspricht den Fans: "Es gibt viele Spieler, die Bock auf Schalke haben. Wir werden einen spannenden Kader zusammenhaben." Aber erst, wenn die Saison schon längst begonnen hat.
Da sich zudem Kapitän Kenan Karaman zu Beginn der Vorbereitung verletzte, am Meniskus operiert werden musste und den Auftakt verpasst, gilt für Schalke, sich durch die ersten Wochen zu hangeln, so gut es geht. Die Gefahr ist aber groß, dass bis dahin schon die erste Krise ausgebrochen ist – wenn die Ergebnisse gegen starke und unangenehme Gegner nicht stimmen.
Der stets besonnen auftretende neue Sportchef versucht, Gelassenheit auszustrahlen. Baumann: "Ich bin zuversichtlich, dass wir den Spagat zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sportlicher Wettbewerbsfähigkeit hinbekommen werden."
1. Spieltag
Allen Widrigkeiten zum Trotz gibt es auch Dinge, die den Knappen-Fans Hoffnung machen. Trainer Muslić hat es zumindest in der Vorbereitung geschafft, die in der vorangegangenen Saison so anfällige Defensive (62 Gegentore) zu stabilisieren. In den Testspielen gegen St. Gallen (1:0), Panathinaikos Athen (0:0), Twente Enschede (0:0) und RW Ahlen (3:0) stand jedes Mal die Null.
Das war einst das Erfolgscredo von Trainerlegende Huub Stevens und seinen Eurofightern. Längst vergangene Zeiten. Heute wären die Fans froh, in Liga zwei zumindest mal wieder oben mitzumischen. Doch dafür ist Geduld gefragt. Die hatte man auf Schalke selten.
Dafür kann die Stimmung ebenso schnell kippen – in jede Richtung. Satte 80.000 Anhänger kamen vergangenen Samstag zur Saisoneröffnung auf das Schalker Vereinsgelände – so, als hätte es die sportliche Talfahrt der vergangenen Jahre nicht gegeben. 45.000 davon sahen an diesem Abend das letzte Testspiel der Vorbereitung gegen den spanischen Erstligisten FC Sevilla in der Arena. Auch wenn die Null da nicht mehr stand: Ein respektables 2:4 sprang heraus.
"Das war super, super emotional", war Trainer Muslić begeistert von der Fan-Euphorie. "Aber die Jungs, die schon länger hier sind, haben gesagt: 'Das war nur das Aufwärmprogramm.' Das richtige Schalke werde ich am Freitagabend erleben." In welcher Stimmungslage, das haben allein er und seine Mannschaft in der Hand.
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- transfermarkt.de: Vereinsprofil FC Schalke 04
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