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Jens Lehmanns Kettensägen-Attacke: Die nächste Eskalationsstufe


Provokateur Jens Lehmann
Die nächste Eskalationsstufe

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 28.07.2022Lesedauer: 5 Min.
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Jens Lehmann: Der frühere Nationaltorhüter sorgt durch neuerliche Eskapaden für Schlagzeilen. (Quelle: H. Langer via www.imago-images.de)

Jens Lehmann soll die Garage seines Nachbarn zersägt haben. Das würde ins Bild passen, das der einstige DFB-Keeper seit Jahren von sich zeichnet.

Es gibt Dinge im Leben, die sind gewiss. Der Tod und die Steuern etwa, würde Benjamin Franklin sagen. Und immer wieder Ärger mit Jens Lehmann, dürften Fußballfans hinzufügen.

Aktuell findet sich der WM-Held von 2006 in den Schlagzeilen wieder, weil er der Garage eines Nachbarn mit einer Kettensäge kurzerhand einen neuen Grundriss verpasst haben soll. Um sich den Ausblick auf den nahen Starnberger See zu erhalten, heißt es in Medienberichten (mehr dazu lesen Sie hier).

Diese neuerliche Eskapade des früheren Weltklasse-Torhüters, die bei Twitter unter dem Hashtag "Starnberg Chainsaw Massacre" über alle erdenklichen Humorschienen gejagt wird, fügt sich nahtlos in das Bild eines Menschen mit niedriger Impulskontrolle ein, das Lehmann seit nun fast 40 Jahren selbst zeichnet.

Lehmann pulverisiert sein Image als smarter Ex-Fußballer

Seine Aussetzer auf dem Platz – allein sieben Platzverweise in seiner Bundesliga-Karriere für Schalke, Dortmund und Stuttgart – wurden von der Öffentlichkeit oft mit dem immensen Adrenalinspiegel eines Profifußballers entschuldigt oder aufgrund ihrer Absurdität mit einem Schmunzler hingenommen, wie etwa seine Wildpinkeleinlage hinter einer Werbebande in der Champions League 2009. Es sind vielmehr Lehmanns Aktionen und Aussagen abseits des Flutlichts, die sein Image pulverisieren.

Dieses Image sah nämlich einstmals so aus: Lehmann, der smarte Abiturient. Lehmann, der über den Fußballtellerrand schauende Ex-VWL-Student. Lehmann, der eloquente Gesprächspartner für Politik und Wirtschaft. Lehmann, der aufgeklärte Wohltäter. Davon ist kaum noch etwas übrig. Schuld daran ist nur eine Person: Lehmann selbst.

Der Niedergang dieses Images begann zu einer Zeit, in der Lehmanns Popularität in Deutschland ihren Zenit erreicht hatte. Der gebürtige Essener hatte Oliver Kahn in die DFB-Rente geschickt und durfte als bombensichere Nummer eins für die EM planen, als er im Frühjahr 2008 in die Talkrunde von Maybritt Illner ging. Da elaborierte der Familienvater zum Thema "Was läuft schief bei der Jugend von heute?" über die Gefahren des Alkoholgenusses. Er selbst greife bevorzugt zu der alkoholfreien Variante – und ergänzte: "Meine Tochter ist zwei und trinkt gerne alkoholfreies Bier." Schockstarre im Studio. Einsicht bei Lehmann, als die Runde ihn entsetzt auf den Restalkohol solcher Getränke hinweist? Minimal. "Wir machen das ja nicht jeden Tag."

Die öffentliche Position als Vorzeigevater ließ Lehmann daraufhin jedoch nicht ruhen. Ein gutes Jahr später echauffierte er sich ausgiebig über einen Balljungen von Hannover 96, der mit Blick auf die knappe 1:0-Führung seines Teams Lehmann den Ball nicht mit einem Knicks in die Hände legte. "Jetzt gehe ich nach Hause und muss meine Kinder erziehen, damit wenigstens die korrekt werden", verkündete Lehmann aufgebracht, ehe er weiter polterte: "Selbst die Balljungen sind Betrüger." Äußerst fraglich, ob ein 39-Jähriger vor einem Millionenpublikum so über einen 14-Jährigen herziehen sollte.

Peinliche Schnorrer-Posse am Münchner Flughafen

Statt einen Gang herunterzufahren, zündete Lehmann zwei Monate später – im Dezember 2009 – die nächste Eskalationsstufe.

Nachdem er dem Freiburger Stürmer Aristide Bancé absichtlich auf den Fuß gestiegen war und wegen dieser Tätlichkeit des Platzes verwiesen wurde, legte sich Lehmann vor dem Stuttgarter Teambus mit den eigenen Fans an. Einem der Anhänger griff er dabei ins Gesicht und stahl ihm die Brille von der Nase. Erst nach mehrmaliger Aufforderung, gab er die Gläser zurück, verzichtete auf die Busfahrt und ließ sich stattdessen mit dem Taxi zum Stuttgarter Flughafen chauffieren. Von dort flog er nach München, um die Nacht im eigenen Bett am Starnberger See zu verbringen. Am Flughafen bat der hungrige Keeper dann einen Reporter um fünf Euro. Auf die Rückfrage, ob und wann er das Geld zurückbekäme, antwortete Lehmann: "Das kann ich leider nicht tun. Geben Sie es mir nun, oder nicht?" Der Reporter bot Lehmann darauf an, mit ihm ins Fast-Food-Restaurant zu gehen und ihm mit einem 20-Euro-Schein etwas zu essen zu kaufen. "Das geht so nicht. Ciao", gab Lehmann zu verstehen und düste ab.

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"Ich weiß ja nicht, was mit Jens los ist", erklärte daraufhin ausgerechnet Lehmanns großer Widersacher Kahn. "Das passiert ja jetzt praktisch jeden Spieltag. Ich weiß nicht, welches Problem er jetzt genau hat. Vielleicht sollte man ihn mal fragen. Das wirkt schon sehr seltsam."

Lehmann fabuliert über Zusammenhang mit Enke-Tod

Stattdessen begann Lehmann, sich Fragen zu stellen. Egozentrische, empathielose Fragen. "Es geschah ausgerechnet an meinem 40. Geburtstag, dem 10. November 2009: Robert Enke nimmt sich das Leben. (…) Warum bringt sich so jemand um? Und dann auch noch an meinem 40. Geburtstag – hatte das Ganze am Ende etwas mit mir zu tun?" Nachzulesen in Lehmanns 2010 erschienener Biografie "Der Wahnsinn liegt auf dem Platz".

Der Wahnsinn lag bei Lehmann aber zusehends – auch aufgrund seines Karriereendes 2011 – neben dem Platz. Homophobe Äußerungen nach dem Outing von Ex-Teamkollege Thomas Hitzlsperger ("Fußball ist Männersache", "Komisch irgendwie, man duscht ja jeden Tag zusammen"), vergiftetes "Lob" für den in Gelsenkirchen geborenen und aufgewachsenen DFB-Star Ilkay Gündogan ("Er ist sehr intelligent und spricht sehr gut deutsch"), Relativierung der Corona-Pandemie ("Nicht so bedenklich").

Rassistische Nachricht brachte ihn endgültig zu Fall

Und dann wäre da ja noch die Sache mit Dennis Aogo. "Ist Dennis eigentlich euer Quotenschwarzer?", fragte Lehmann in einer mit einem Lachsmiley versehenen Nachricht einen Sky-Mitarbeiter in einer WhatsApp-Gruppe. Dabei vergaß er jedoch, dass auch Aogo Mitglied dieser Chatgruppe war. Der frühere DFB-Verteidiger teilte einen Screenshot der Nachricht und löste damit eine Kettenreaktion aus. Lehmann verlor seinen Posten als Aufsichtsrat bei Hertha BSC und Berater des Hertha-Investors Lars Windhorst, zudem seine Botschafterrolle bei der Wohltätigkeitsorganisation Laureus.

Lehmann reagierte kurz darauf mit einer knappen und verdrehten Stellungnahme. "In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden, für den ich mich im Gespräch mit Dennis entschuldigt habe. Als ehemaliger Nationalspieler ist er sehr fachkundig und hat eine tolle Präsenz und bringt bei Sky Quote." Mehr Rechtfertigung als Entschuldigung. Denn Lehmann impliziert, dass es Aogos eigene Schuld sei, dass er aus der Nachricht eine rassistische Herabwürdigung gelesen habe. Vielmehr sei dies ja eine Herausstellung seiner Bedeutung für den Sender gewesen. Aogo nahm diese halbgare Entschuldigung dennoch an.

Wohl auch, weil er wusste: Während er immer noch eine Zukunft bei Sky haben kann – und gegenwärtig immer noch hat! – dürfte es für die öffentliche Person Lehmann düster aussehen.

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