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Borussia Mönchengladbach: Das historische Fenster


Bundesliga
Gladbachs historisches Fenster

Von t-online
Aktualisiert am 20.01.2012Lesedauer: 4 Min.
Reus (li.) und Neustädter (re.) jubeln im Gladbacher Trikot. Ein Bild, das bald der Vergangenheit angehört.Vergrößern des BildesReus (li.) und Neustädter (re.) jubeln im Gladbacher Trikot. Ein Bild, das bald der Vergangenheit angehört. (Quelle: imago-images-bilder)
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Eine Kolumne von Johnny Giovanni

Es war das große Märchen des Jahres 2011. Aus den Ruinen des Fast-Abstiegs erstand Borussia Mönchengladbach wieder auf. Plötzlich sprach man wieder von den Fohlen, man dachte an Netzer und seine Lovers Lane, erinnerte sich an den Büchsenwurf und die vielen großen Europapokalabende am Bökelberg, man ging die glorreichen 1970er-Jahre durch und zählte die Meisterschaften (fünf!). Könnte es vielleicht, den Bökelberg ausgenommen, alles noch einmal werden wie früher? Könnte einer der populärsten deutschen Klubs wieder werden, was er war – eine richtig große Adresse?

Da schien es wie bestellt, dass zum Rückrundenauftakt auch noch die Bayern an den Niederrhein kommen, zu einer aktualisierten Auflage des großen Duells von damals. Doch jetzt, wo der Termin erreicht ist, fällt es schwer, die Ansetzung als Erinnerung an die große Vergangenheit zu sehen. Eher spiegelt es die brutale Realität. Egal, wie das konkrete Spiel ausgeht – in vier Wochen Winterpause ist der Traum zerplatzt, dass Gladbach und die Bayern so bald wieder mehr als nur formal in einer Liga spielen.

Aderlass im Sommer

Reus wird gehen, Neustädter wird gehen, Dante wird wahrscheinlich gehen. Tapfer erklärt Manager Max Eberl: "Wir werden versuchen, Marco Reus mit viel Geld zu ersetzen und den Kader damit zu unterfüttern, um nachhaltig in den Regionen zu spielen, die wir uns vorstellen." Eberl ist ein guter Einkäufer, das hat er in den letzten Jahren bewiesen. Aber sollte er wirklich wieder eine ähnlich gute Mannschaft zusammen bekommen, es wäre mehr als ein Märchen, es wäre fast ein Wunder.

Die Borussia weiß ja selbst am besten, wie schwer es ist, das Puzzle zusammenzufügen. 15 Jahre ist es her, dass sie zuletzt im Europapokal spielte. Seitdem wurde viel probiert, mit vielen Spieler und vielen Trainern. Aber erst jetzt passt es wieder. Gelungene Transfers über mehrere Jahre in Folge, den richtigen Trainer dazu, auch mal das nötige Glück – es ist schwer, sich wieder an die Spitze zu kämpfen, wenn man einmal unten war. Wer mag, kann gern nachfragen in Köln, Frankfurt oder Berlin.

Was wird aus Favre?

Noch viel schwerer ist es, oben zu bleiben, wenn nach ein paar guten Monaten die Mannschaft schon wieder zerfällt. Dass Reus gehen würde, okay, er ist Dortmunder und er bringt viel Geld ein, 17 Millionen Euro. Aber Neustädter? Der Mann geht ablösefrei zu Schalke 04. Und Gladbach hat wieder eine Lücke im defensiven Mittelfeld, der jahrelangen Problemzone. Sollte auch noch Dante – der offenbar eine niedrige Ausstiegsklausel hat – gehen, muss Eberl auch die neuralgische Position des Abwehrchefs neu besetzen. Und hat er richtig Pech, dann interessiert sich auch noch ein großer Klub für Trainer Lucien Favre.

Sisyphusgleich muss Eberl dann wieder von unten anfangen, den Stein auf den Berg zu rollen. Vielleicht klappt es, vielleicht klappt es aber auch nicht.

Die ersten Plätze sind reserviert

Letztlich zeigt sich an diesem Beispiel eine Entwicklung des Fußballs, die man nicht wirklich als Fortschritt bezeichnen kann. Der Wettbewerb hat seine Durchlässigkeit verloren. Eine Geschichte wie die der Bayern etwa wäre heute nicht mehr möglich. Als die Bundesliga gegründet wurde, waren die Münchner alles andere als eine große Nummer, sie spielten anfangs nicht mal mit. Zehn Jahre später gewannen sie zum ersten Mal den Europapokal der Landesmeister. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass Fortuna Düsseldorf in zehn Jahren im Finale der Champions League steht?

Wie die Bayern mit ihren Beckenbauers, Maiers und Müllers profitieren damals auch die Gladbacher, die parallel ihren eigenen Aufstieg vollzogen, von einer Ausnahmegeneration junger Spieler. Unter heutigen Umständen wären diese spätestens mit 20 Jahren zu einem anderen, "größeren" Klub gewechselt. Mit der Kommerzialisierung des Fußballs, maximiert durch teure Fernsehrechte und die Einführung der Champions League, hat sich eine feste Hackordnung etabliert. Die enormen Unterschiede in der Finanzkraft machen sie praktisch unumstößlich. Also kauft, beispielsweise, Bayern bei Schalke, das sich wiederum in Mönchengladbach bedient.

Die Schere wird immer größer

Nicht nur durch den exklusiven Zugang zur lukrativen Champions League perpetuiert sich das System dabei immer weiter selbst. Die Bundesliga etwa lobt sich oft ihrer fairen Verteilung der Fernsehgelder. Tatsächlich erhält der Meister doppelt so viel wie der Tabellenletzte. Wie soll da jemals auch nur ansatzweise Chancengleichheit entstehen?

Um einen ausgeglichenen Wettbewerb zu haben, müsste genau das Gegenteil passieren. Der Letzte müsste doppelt so viel bekommen wie der erste. Die reichen Klubs würde das als Sozialismus verunglimpfen, dabei funktioniert der Sport in den jeglichen Sozialismus unverdächtigen USA genau nach solchen Prinzipien. Dort zahlen die Teams aus stärkeren Märkten Kompensationsbeiträge an die schwächeren, und das Draftsystem sorgt dafür, dass die schwächsten Klubs der vorigen Saison die besten neuen Spieler bekommen, und nicht die sowieso schon besten Klubs noch besser werden. Man kann davon halten, was man will, aber die Abwechslung ist definitiv größer. So gab es seit 2000 in Baseball, Football und Eishockey neun verschiedene Meister. In der Fußball-Bundesliga waren es nur fünf, und allein sechs Titel gingen an die Bayern.

Nutzt Gladbach die einmalige Chance?

Vielleicht ist das amerikanische System zu beliebig und außerdem würde es kaum dem EU-Recht standhalten. Umgekehrt sind im europäischen Fußball die vorgegeben Unterschiede inzwischen so groß, dass Max Eberl zehn Jahre am Stück einen besseren Job machen könnte als Christian Nerlinger – und Gladbach trotzdem wohl keine einzige Saison vor den Bayern landen würde. Es sei denn vielleicht, Gladbach spielt jetzt auch eine hervorragende Rückrunde, schafft es in die Champions League, und, und, und. Noch ist Reus da, noch ist Dante da. Für die Borussia öffnet sich gerade ein historisches Fenster. Wer weiß, wann diese Chance wieder kommt.

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