Eine neue Dimension
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Lucas Hernández ist bis heute kein unumstrittener Stammspieler, jetzt drohen ihm auch noch sechs Monate Haft. Ist er der größte Bayern-Flop aller Zeiten?
Bayern-Profi Lucas Hernández hat sich wegen seiner drohenden Haftstrafe von sechs Monaten einen Tag früher als vorgesehen einem Gericht in Madrid gestellt. Nun wird sich zeitnah klären, ob er tatsächlich ins Gefängnis muss. Doch bereits jetzt ist seine Person heftig umstritten.
Die hitzige Diskussion um Lucas Hernández sehen Sie hier im Video. Alternativ können Sie am heutigen Montagabend auch Sport1 einschalten. Zwischen 21 Uhr und 21.45 Uhr wird der "Zweikampf der Woche" im Rahmen von "Bundesliga Pur" übertragen.
Bayern-Präsident Herbert Hainer erklärte bereits am Donnerstag, dass sein Verein den Spieler "selbstverständlich" unterstütze, nachdem das Gericht die Vollstreckung einer 2019 verhängten sechsmonatigen Haftstrafe gegen Hernández angeordnet hatte.
Sowohl für Hernández als auch für Bayern kommt die Aufregung zur Unzeit. Am Mittwoch steht das nächste wichtige Spiel in der Champions League bei Benfica Lissabon an. Hernández ist bis heute kein völlig unumstrittener Stammspieler, schien aber in dieser Saison eigentlich auf einem guten Weg. Bei sieben von acht möglichen Spielen stand er von Beginn an auf dem Platz. Welche Rolle spielt die neue Entwicklung in der Bewertung des Verteidigers, der 2019 für die Rekordsumme von 80 Millionen Euro von Atlético Madrid zu Bayern wechselte?
Ist Lucas Hernández der größte Flop der Bayern-Vereinsgeschichte?
Ja, das ist eine neue Dimension
Wenn ein Profifußballer für satte 80 Millionen Euro verpflichtet wird, muss er liefern. Und genau das hat Lucas Hernández nicht getan. Im Gegenteil: Er hat nur 69 von 107 möglichen Pflichtspielen für seinen Verein absolviert – zwar auch aus Verletzungsgründen. Aber: In den Partien, in denen er gespielt hat, zeigte er viel zu häufig durchschnittliche Leistungen. Doch damit nicht genug.
Ihm droht nun auch noch eine mehrmonatige Haftstrafe. Und auch wenn der Fall, um den es aktuell geht, bereits vor seiner Zeit beim FC Bayern verhandelt wurde, ist das Thema damit nicht aus der Welt. Dafür ist es zu gewichtig. Vielmehr muss man sich fragen, weshalb der Rekordmeister einen Spieler verpflichtete, der bereits wegen häuslicher Gewalt verurteilt worden war.
Fest steht: Lucas Hernández wird nicht nur dem Titel "Rekordtransfer des FC Bayern" nicht gerecht, sondern bringt durch seine privaten Verfehlungen auch noch Unruhe in den gesamten Klub. Und deshalb ist er der größte Flop der Bayern-Geschichte.
Und klar: Auch ehemalige Bayern-Spieler wie Renato Sanches konnten sportlich in München nicht wirklich überzeugen. Aber Sanches kostete 35 Millionen Euro Ablöse – und nicht 80 Millionen wie Lucas Hernández. Und eine Gefängnisstrafe drohte ihm auch nicht. Der aktuelle Fall ist eine neue Dimension.
Nein, er ist noch kein Flop – drei andere schon
Hat Hernández mit seiner Leistung in 69 Spielen für Bayern seine Ablösesumme von 80 Mio. Euro gerechtfertigt?
Eher nicht.
Aber: Ihn nun als größten Flop der Klubhistorie zu bezeichnen, ist Schwachsinn.
Erstens: Sein Ärger mit der Justiz hat in dieser Rechnung nichts zu suchen. Hernández ist 2017 und somit zwei Jahre vor seinem Bayern-Transfer wegen – nie im Leben zu rechtfertigender – häuslicher Gewalt verurteilt worden, hat seine Strafe abgearbeitet. Dass ihn nun ein Verstoß gegen ein Kontaktverbot ins Gefängnis bringen soll, weil sich Hernández und seine Frau versöhnten und im Juni 2017 heirateten, ist zumindest diskutabel.
Zweitens: Sportlich hat Hernández Topniveau. Er ist 2018 als Stammspieler mit Frankreich Weltmeister geworden, hat 2020 mit Bayern die Champions League gewonnen – und mit erst 25 Jahren noch fast drei Jahre bis zu seinem Vertragsende Zeit, um seine Kritiker verstummen zu lassen. Sein Marktwert liegt trotz der Corona-Preisstürze immer noch bei 45 Mio. Euro. Am Sonntag beim 5:1 in Leverkusen war er überragend.
Die größten Flops der Bayern-Geschichte heißen Renato Sanches (35 Mio. Ablöse), Mario Götze (38 Mio.) und Jean-Pierre Papin (2,75 Mio.). Die waren für ihre Zeit im Vergleich mindestens genauso teuer und nach maximal drei Jahren wieder weg. Echte Flops eben. Im Gegensatz zu Hernández.
Wer hat recht?
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Im "Zweikampf der Woche" kommentieren wöchentlich Florian Wichert (Stellvertretender Chefredakteur bei t-online) und Robert Hiersemann (Head of Fußball und Sport) aktuelle Fußballthemen.