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Hertha BSC – Kay Bernstein vor der Wahl: "Ich bin mehr als die Schlagzeilen"


Hertha-Fan will Präsident werden
"Ich stand da, habe das gesehen und einfach geweint"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

25.06.2022Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Kay Bernstein: Der 41-Jährige will Präsident seines Herzensvereins werden.Vergrößern des Bildes
Kay Bernstein: Der 41-Jährige will Präsident seines Herzensvereins werden. (Quelle: Matthias Koch/imago-images-bilder)

Er war Ultra, ist Unternehmer – und will Präsident von Hertha BSC werden: Kay Bernstein. Vor der großen Wahl wehrt er sich gegen Vorurteile.

Für die meisten Fußballfans ist aktuell Sommerpause. Die Nachrichten über den eigenen Herzensklub sind meist Transfergerüchte oder Berichte vom Start der Saisonvorbereitung. Bei Hertha BSC ist die Lage anders. Die Anhänger des Vereins aus Berlin-Westend stehen vor der wichtigsten Wahl der vergangenen Jahre.

Nach dem Rücktritt von Werner Gegenbauer sucht die Hertha einen neuen Präsidenten. Am Sonntag geben die Mitglieder der Hertha ihre Stimmen ab. Die beiden Hauptkandidaten sind Frank Steffel und Kay Bernstein. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Steffel, Politiker und Unternehmer, gilt als Favorit des "Establishments" im Klub. Auch Investor Lars Windhorst soll den aktuellen Präsidenten des Handballklubs Füchse Berlin favorisieren.

Bernstein hingegen hat weder mit der Politik etwas am Hut, noch hat er bisher für einen Sportverein gearbeitet. Er ist sein Leben lang Hertha-Fan. Als Jugendlicher war er Teil der Hertha-Ultras, war Mitgründer der "Harlekins". Seit vielen Jahren sitzt der mittlerweile 41-Jährige auf der Haupttribüne und ist Besitzer einer Agentur in Berlin-Neukölln. Dort empfing er auch t-online zum Interview.

t-online: Herr Bernstein, Sie haben in diesem Wahlkampf einige Interviews gegeben und viele Dinge gesagt. Was haben Sie denn noch nicht gesagt?

Kay Bernstein (41): Das sind für mich die zehn großen Maßnahmen, die in den ersten 100 Tagen als Präsidium erfolgen müssen. Da habe ich einen klaren Plan, den ich heute noch nicht verraten will. Das passiert am Sonntag in meiner Rede.

Hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie im Wahlkampf sind?

Nein, nicht wirklich. Ich sehe das nicht als Wahlkampf. Seit Anfang April sind wir am Werkeln und am Denken, wie wir es bei Hertha BSC besser machen können. Wir sind sehr offen und transparent mit unserer Vision und unseren Inhalten rausgegangen. Die letzten Tage waren aber leider so, dass es weniger um Inhalte ging. Für mich ist es aber auch heute noch ein Kay oder Frank für Hertha BSC, kein Gegeneinander.

In den Berichten über den Wahlkampf werden Sie meist nur mit dem Begriff "Ex-Ultra" beschrieben. Wie ist das für Sie?

Es ist ein bisschen schade, darauf reduziert zu werden. Man könnte mich genauso einen Unternehmer nennen. Ich bin ja einer. Oder man könnte mich Herthaner nennen. Ein junger Mann, der sich für seinen Verein aufopfert. Aber es wird natürlich polarisierend reduziert auf das "Ultra-Ding", was für einige Medien die schönere Geschichte ist. Für mich macht es das aber schwerer, weil ich mehr dafür arbeiten muss, dass auf den Inhalt geachtet wird.

Welches Feedback gab es denn dazu von den Fans?

Ich habe gemerkt, dass der Stempel "Ultra" einen gewissen Rucksack mit sich bringt. Aber wenn ich mich mit den Leuten hingesetzt, ihnen zugehört und meine Sicht der Dinge mitgeteilt habe, dann habe ich schnell mit ihnen über das Inhaltliche gesprochen. Die Vorbehalte, Zweifel und Ängste sind wichtig. Es wäre doch auch komisch, wenn ich sage "Kay Bernstein ist da" und 80 Prozent der Mitglieder schreien "Hurra". Aber wenn es diese Zweifel gibt, will ich eine Chance bekommen, darüber zu reden. Ich bin ein Kind der Kurve und will mit jedem darüber reden, der dazu eine Meinung hat. Und ich glaube, dass jeder von denen, die sich inzwischen mit mir beschäftigt haben, mich mit etwas anderen Augen sieht. Ich bin mehr als die Schlagzeilen in der Zeitung.

Zu Ihrer Zeit als Ultra waren Sie auch Capo, also Vorsänger in der Kurve. Eine Aufgabe, bei der Sie auch an der Spitze einer großen Menge stehen. Hilft das nun für das mögliche Präsidentenamt?

In beiden Fällen geht es darum, zu begeistern, Dinge vorzuleben und die Menschen ernst zu nehmen. Du kannst Sachen noch so oft predigen – wenn du sie nicht vorlebst, verpufft es. Die Leute merken, ob du authentisch bist.

Was leben Sie denn in Ihrem aktuellen Berufsleben vor?

Disziplin. Ich will, dass wir die Dinge richtig und genau machen. Es braucht einen konkreten Plan, wie wir von A nach B kommen. Und dann geht es darum, einfach zu machen. "Einfach machen" ist auch in seiner Doppeldeutigkeit das Motto in meiner Firma. Alle kennen das Ziel und dann geht es darum, dieses gemeinsam zu erreichen.

Das "Gemeinsame" ist bei Hertha in den letzten Monaten nicht vorhanden gewesen. Im Verein kam es zu einer Lagerbildung von "Team Bobic" und "dem Rest". Wie wollen Sie das im Falle eines Wahlsieges verändern?

Es geht darum, das Präsidium einzuschwören und zu einen. Sitzen wir alle im gleichen Boot? Ziehen wir alle an einem Strang? Und dann geht es weiter. Dann müssten wir schauen, wie viele Gräben es in der Geschäftsstelle gibt und wie wir diese egalisieren. Man muss wissen: Beim "Team Bobic" geht es um Verzeihen und Vertrauen. Seit einem Jahr wirkt Fredi mit den von ihm geholten Mitarbeitern unter Voraussetzungen, die anders sind als sie ihm gesagt wurden. Dazu kamen Altlasten und fehlendes Vertrauen. Das ist ein schwieriges Umfeld für die Arbeit. Das müssen wir ändern, denn davon profitieren auch die, die bisher nicht zum "Team Bobic" zählten.

Und das Verzeihen?

Das kommt danach. Wir können nicht alle Dinge aufarbeiten, die geschehen sind. Aber wir können uns gegenseitig verzeihen und mit etwas Zeit und einem guten Umgang wird es besser.

Bei Hertha ging es in den letzten Monaten auch oft um Schuldzuweisungen. Windhorst gegen Gegenbauer, Gegenbauer gegen Windhorst. Die Fehler lagen stets beim anderen. Eine positive Fehlerkultur sieht anders aus.

Dabei weiß jeder, dass wir alle Fehler machen. Wir müssen uns nur besser reflektieren. Wir müssen uns fragen, ob wir einer Annahme oder einem Fakt gefolgt sind. Das müssen wir korrekt prüfen und dann auch offen kommunizieren.

Nach Fehlern wird in der Öffentlichkeit schnell ein Rücktritt gefordert. Sorgt das nicht auch dafür, dass viele Menschen in Führungsrollen Angst haben, ihre Fehler zuzugeben?

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So pauschal würde ich das nicht sagen. Nehmen wir einen Vergleich aus dem Fußball: Dem Spieler, der mit Leidenschaft und Identifikation jeden Zweikampf annimmt, wird viel mehr ein Fehler auf dem Platz verziehen. Und so ist es auch in anderen Rollen.

Beim Thema Fehler bei Hertha fällt vielen Fans der "Transfer-Ladebalken" im letzten Sommer ein. In den sozialen Medien postete der Klub am letzten Transfertag einen Ladebalken mit 22 Prozent nach dem ersten Neuzugang. Die Fans erwarteten mindestens vier neue Spieler. Die Realität sah anders aus, die Wut war groß. Wie wäre dieser Fehler von Ihnen kommuniziert worden?

Ich hätte mich informiert, was die Ursache dafür war. War es eine falsche Abstimmung? Ein persönlicher Fehler? Lag es an der Technik? Oder an fehlender Konzentration? Denn wir gehen nicht davon aus, dass Menschen absichtlich Fehler machen. Und dann heißt es: Dort lag der Fehler, hier liegt die Entschuldigung, wir werden uns um 180 Grad bemühen, es besser zu machen.

Ein weiteres Ereignis, das für viel Aufregung gesorgt hat, war der Auftritt einiger Ultras bei einem Hertha-Training im Januar. Einige Spieler waren danach verunsichert. Wie wären Sie damit umgegangen?

Ich glaube, dass es gar nicht dazu gekommen wäre. Auch das ist das Ergebnis einer Aneinanderreihung von Enttäuschungen. Das war ein Hilfeschrei von ungehörter Liebe. Diese Fans bringen viel mit ein, erwarten aber auch etwas zurück in Form von Leistung. Ich sehe das etwas anders, weil es ein Kann-Angebot ist. Dazu kommt, dass auch die Ultras unter dieser negativen Stimmung im Verein leiden.

Aber was wäre die richtige Reaktion gewesen?

Noch einmal: Mit einem vernünftigen Krisenmanagement wäre es dazu nicht gekommen. In einem guten Umfeld sollte man so etwas auf einer gesunden Ebene ausdiskutieren. Aber das gab es nicht. Und so ist die eine Seite der Meinung, sie müsste jetzt ein Zeichen setzen und die Spieler bei ihrer Ehre packen. Das hätte man anders machen sollen – in der Wortwahl und in der Rhetorik. So wurden die Spieler nur demoralisiert und mental geschwächt. Das war vom Timing und Auftreten nicht zielführend und totaler Käse. Aber die Fehlerkette hat meiner Meinung nach viel früher begonnen.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Sie sprechen sich klar gegen die Zusammenarbeit mit Wettanbietern aus. Liegt das an einer persönlichen Erfahrung?

Ich habe in meinem Umfeld gesehen, wie schnell junge Menschen in diese Falle tappen können. Auch mit der zunehmenden Digitalisierung. Früher war das anders, als du für jeden Schein in ein Büro ans andere Ende der Stadt fahren musstest. Die Hürde war eine andere. Das Wetten gab es zwar schon immer, aber in den letzten drei Jahren hat sich das nochmal geändert. Wir machen Sky, DAZN oder Amazon an und kommen an diesem Thema nicht vorbei. Mir geht es darum zu sagen: Brauchen wir dieses Geld? Wir sollten nicht die Fans in die Hände der Wettmafia jagen.

Neben den Sportwetten steigt auch die Präsenz von Firmen aus dem Bereich der Kryptowährungen. Einige Fans haben dadurch viel Geld verloren. Wird dem Fußball immer gleichgültiger, woher die Einnahmen kommen?

Auf jeden Fall. Und der Fußball muss sich fragen, ob er noch ein Volkssport ist oder den Fokus auf die Unterhaltungsindustrie legt. Damit gehen natürlich Werte und Identität verloren.

Das heißt, Sie sind gegen diese Sponsoren mit dem Risiko, dadurch weniger Geld einzunehmen als Verein?

Ja! Und ich glaube, dass solch eine Entscheidung neue Partner bringen würde, wenn du Haltung bewahrst und klar für etwas stehst. Und der Fußball muss sich fragen, wo er hinwill. Genauso beim Thema 50+1. Wir sehen, dass in der aktuellen Entwicklung die Einschaltquoten zurückgehen und Merchandise-Verkäufe bei vielen Klubs rückgängig sind. Das Produkt verwässert.

Und das wird besser mit einem Schritt zurück?

Das kann ich nicht sagen. Aber wir brauchen eine Debatte darüber.

Wie hat sich denn Ihre Liebe zum Fußball in den vergangenen Jahren verändert?

Sie ist sachlicher und klarer geworden. Früher war sie träumerischer.

Was war denn Ihr schönstes Erlebnis mit Hertha?

Das waren die Zeiten in der Champions League auswärts. In Istanbul, in Prag, in Mailand. Das war ziemlich geil. Prag war sensationell, weil das sehr nah war und wir mit vielen Fans in ein kleines Stadion mit einer geilen Atmosphäre gekommen sind. Aber auch schöne Heimspiele waren dabei. Ich erinnere mich an ein 7:1 gegen den Hamburger SV. Aber es gibt nicht das eine Spiel für mich. Auch ein 1:0 in Mainz auf einen Dienstagabend konnte schön sein. Durch meine Prägung hing es für mich oft mit Choreos zusammen. Als wir gegen Dortmund die erste Stadionchoreo gemacht haben mit 76.000 Zetteln. Das war so viel Arbeit und Mühe. Und dann siehst du das ganze Stadion, das ein Bild abgibt. Ich stand da, habe das gesehen und einfach geweint.

Eine weitere Erfahrung mit Hertha wird am Sonntag hinzukommen, wenn gewählt wird. Es gibt nun zwei Szenarien. Fangen wir mit dem Fall der Niederlage an. Wie geht es dann für Sie weiter?

Ich bleibe Herthaner und stehe dem Verein für jede Hilfe zur Verfügung, damit Hertha befriedet wird. Ich werde nicht weg sein. Ich habe mit meiner Kandidatur ein Kann-Angebot an die Mitglieder formuliert.

Und bei einem Sieg?

Ich würde mit dem Präsidium so oft wie möglich zusammensitzen, um einen klaren Plan zu entwickeln für unsere kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Ziele. Und dann geht es ans Zuhören in den Gesprächen mit den Mitarbeitern. Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen – und müssen miteinander reden, reden, reden.

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