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Zum journalistischen Leitbild von t-online.TV-Expertin ordnet Gwinn-Aus ein "Wird im Mannschaftskreis gewisse Wellen schlagen"

Giulia Gwinns Verletzung und das damit verbundene EM-Aus ist ein harter Schlag für Deutschland. TV-Expertin Julia Šimić ordnet den Ausfall ein.
Aus Zürich berichtet Kim Steinke
Die Europameisterschaft war für Giulia Gwinn nach nur 36 Minuten Spielzeit beendet. Nach der Innenbandverletzung beim 2:0-Auftaktsieg am Freitagabend gegen Polen wird die Kapitänin der deutschen Mannschaft mehrere Wochen fehlen. Für die ehemalige Nationalspielerin und TV-Expertin Julia Šimić ein richtiges Unglück, wie sie im Gespräch mit t-online erklärte.
"Es ist ein Schock", sagte die 36-Jährige. "Das wird jetzt erst mal einen Knick für die Mannschaft bedeuten. Im Spiel fiel es direkt auf: Die Spielerinnen waren im ersten Moment verunsichert, schafften es in der zweiten Halbzeit aber, den Hebel umzulegen", sagte Šimić, die die DFB-Frauen auch etwas in der Bringschuld gegenüber Gwinn sieht. "Sie haben für Giuli gespielt, gewonnen, geackert. Die deutsche Mannschaft ist es Gwinn auch ein bisschen schuldig, weil sie gerade in der Vorbereitungszeit viel auf sich genommen hat – auch medial."
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DFB-Kapitänin Gwinn hatte sich die Knieverletzung nach einer Rettungstat gegen Polens Ewa Pajor zugezogen. Šimić beeindruckte die Aktion: "Sie wirft sich rein – und hat sich mal wieder in den Dienst der Mannschaft gestellt. Die Aktion kostet sie das Turnier und das tut weh."
Für den Bayern-Star sei das vermutlich "Glück im Unglück" gewesen. "Es ist ein Rieseneinschnitt, weil sie sich auf das Turnier fokussiert und wochenlang darauf gefreut hat. Jetzt als Kapitänin hat sie eine neue Rolle eingenommen, die so wichtig gewesen wäre für die Mannschaft", betonte Šimić, meinte aber auch, dass Gwinn immerhin nicht so lang fehlen werde, wie zuletzt nach ihren Kreuzbandrissen.
Deutschland fehlt damit eine Führungsperson auf dem Platz – und daneben. "All das wird im Mannschaftskreis gewisse Wellen schlagen", erklärte Šimić t-online weiter.
So ist auch die Arbeit von Bundestrainer Christian Wück betroffen, der nun vor einer großen Herausforderung steht – und den passenden Ersatz für Gwinn finden muss. "Denn das ist die Position, die man nicht so gut ersetzen kann", sagte Šimić klar. Gegen Polen kam Carlotta Wamser ins Spiel, die das in ihren Augen "sehr gut" gemacht hat: "Sie hat sofort funktioniert, war am 2:0 entscheidend beteiligt und hat hinten alles weggehalten. Das sind spielentscheidende Aktionen gewesen."
Allerdings mahnte Šimić: "Sie ist von der Qualität her eine, die der Mannschaft natürlich helfen kann, aber sie ist keine gelernte Verteidigerin, die ein Turnier einfach so wegspielen kann." Schließlich habe sie gerade erst drei Länderspiele absolviert. Trotzdem könne sie der Mannschaft guttun als belebendes Element.
Nun komme es vor den letzten zwei Gruppenspielen darauf an, dass die Mannschaft eine "Jetzt-erst-recht-Mentalität" entwickle. "Man hat ja bei der deutschen Mannschaft schon auch immer gerade medial moniert, dass die absolute Weltklasse nicht auf allen Positionen da ist und man sich deshalb vielleicht auch hinter Frankreich, Spanien und England aktuell einordnen muss", sagte Šimić', die in ihrer aktiven Karriere unter anderem für den FC Bayern und Turbine Potsdam auflief.
"Trotzdem hat man als Deutschland durch seine Geschlossenheit immer eine Chance. Jetzt muss der Rückschlag emotional weggesteckt und der Glaube neu entfacht werden", so Šimić. "Das ist etwas, das sich in der Theorie leichter anhört, als es letztlich ist."
- Gespräch mit Julia Šimić