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Auftakt in der Schweiz - Sommermärchen-Prozess: Vier Angeklagte, viele Fragen


Sommermärchen-Prozess: Vier Angeklagte, viele Fragen

Von dpa
Aktualisiert am 06.03.2020Lesedauer: 3 Min.
Theo Zwanziger will aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht zum Prozess in die Schweiz reisen.Vergrößern des BildesTheo Zwanziger will aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht zum Prozess in die Schweiz reisen. (Quelle: Boris Roessler/dpa./dpa)
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Berlin (dpa) - Was Mohamed bin Hammam wohl gerade umtreibt? Sollte der 70-Jährige, einst eine der skandalösesten Figuren im Weltfußball, auch nur am Rande verfolgen, welche Wirrungen der Prozess um das deutsche Sommermärchen 2006 in der Schweiz nimmt, es dürfte ihn erheitern.

Zuletzt stand die am kommenden Montag beginnende Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona wegen des Coronavirus kurzzeitig auf der Kippe. Und weiterhin drohen Prozesstage ohne die drei angeklagten Ex-Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes.

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, der sich zusammen mit seinem Nachfolger Wolfgang Niersbach, dem früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und dem Schweizer Urs Linsi - einst FIFA-Generalsekretär - verantworten soll, hat eine Reise in die Schweiz praktisch ausgeschlossen. Der 74-Jährige leidet an den Folgen von zwei Augenoperationen, zudem treibt ihn die Sorge vor Sars-CoV-2 um. Er spricht von "beachtlichen gesundheitlichen Risiken". Niersbach (69) und Schmidt (78) argumentieren ähnlich. Das Gericht beschloss am Freitag, die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten, jeder Person werde "bei Eintritt in das Gerichtsgebäude die Körpertemperatur gemessen".

Linsi, 70 Jahre alt, werde am Montag vor Gericht erscheinen, "wenn nichts dazwischen kommt", zitierte zuletzt die Schweizer Zeitung "Tagesanzeiger" einen Sprecher des Angeklagten. Dem Quartett wird ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen. Als Zeugen sind Ex-FIFA-Boss Joseph Blatter, Günter Netzer und der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer geladen. Geplant sind zunächst zwölf Prozesstage. Falls einer der Angeklagten am Montag (9.00 Uhr) nicht erscheint, soll erst ab Mittwoch verhandelt werden. Laut Prozessplan sollen Blatter und Netzer am 12. März befragt werden. Beckenbauer wäre tags darauf an der Reihe.

Das Verfahren gegen den 74-Jährigen war wegen dessen Gesundheitszustandes abgetrennt worden. Ob er dann als "Auskunftsperson" auftritt? Auch eine Videoschalte wäre möglich. Das Gericht steht unter Zeitdruck: Spätestens am 27. April muss ein erstinstanzliches Urteil gefällt werden, weil sonst die Verjährung eintritt. Eine Gefängnisstrafe haben die deutschen Funktionäre ohnehin kaum zu befürchten, laut "Spiegel" wurde ihnen "freies Geleit" zurück nach Deutschland zugesichert.

Zur Aufklärung des Skandals um die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 hat bislang keiner der Beteiligten erhellende Details beigetragen. Die Affäre wurde bereits 2015 aufgedeckt. Seitdem ermittelten die Behörden in Frankfurt/Main und der Schweiz. Der DFB beauftragte zudem selbst eine Anwaltskanzlei mit Nachforschungen. Die Ergebnisse blieben überschaubar, was vor allem auch an Bin Hammam liegt.

Bei dem damaligen FIFA-Finanzchef landete im Jahr 2002 eine Zahlung derselben Summe, angewiesen von Beckenbauer und dessen Vertrauten. Der frühere Organisationschef der WM 2006 hatte sich das Geld beim Unternehmer Robert Louis-Dreyfus geliehen. Die Begründung: Das Geld habe für einen millionenschweren Zuschuss der FIFA zum späteren Sommermärchen fließen müssen. Der Weltverband selbst bestreitet diese Version.

Der wahre Zweck der Überweisung von 2002 bleibt deshalb weiterhin ungeklärt. Eine Bestechungszahlung im FIFA-Präsidentschaftswahlkampf? Oder eine nachträgliche Überweisung für die nötigen Stimmen bei der WM-Vergabe nach Deutschland im Jahr 2000? Auch über einen privaten TV-Rechte-Deal von Beckenbauer wird spekuliert. Bin Hammam ist in der Schweiz weder angeklagt noch als Zeuge geladen.

Der DFB tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. "Scheinbar sind da Sachen gelaufen, die man nur kriminell nennen kann", sagte der neue DFB-Präsident Fitz Keller im ZDF. Er äußerte die "größte Bitte, endlich mit der Wahrheit auf den Tisch zu kommen, damit wir uns nicht mehr mit so etwas beschäftigen müssen".

Ausgestanden ist die Affäre aber auch dann nicht, wenn die Verhandlung in Bellinzona nicht zum Showprozess verkommt. Die Schweizer sehen sich zuständig, weil für die Zahlungen auch Schweizer Bankkonten verwendet worden sind, zudem war 2005 die in der Schweiz ansässige FIFA involviert.

In Deutschland steht aber weiterhin eine Verfahrenseröffnung in Frankfurt/Main wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Raum. Die damaligen DFB-Funktionäre hatten die Überweisung 2005 als Beitrag zu einem Kulturprogramm für die WM 2006 deklariert - das aber so nie stattgefunden hat.

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