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HomeSportFußballKolumne - Stefan Effenberg

Nationalmannschaft: Effenberg kritisiert Nagelsmann nach Portugal-Pleite


DFB-Niederlage gegen Portugal
Das ist ein fatales Signal

MeinungVon Stefan Effenberg

05.06.2025 - 18:37 UhrLesedauer: 4 Min.
Fassungslos: Bundestrainer Julian Nagelsmann im Spiel der DFB-Elf gegen Portugal.Vergrößern des Bildes
Fassungslos: Bundestrainer Julian Nagelsmann im Spiel der DFB-Elf gegen Portugal. (Quelle: IMAGO/Harry Langer/DeFodi Images/imago-images-bilder)
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Die Pleite im Halbfinale der Nations League muss sich auch Bundestrainer Julian Nagelsmann ankreiden, schreibt Stefan Effenberg. Doch ein grundsätzliches Problem liegt tiefer, meint der t-online-Kolumnist.

Ich muss es zu Beginn ganz deutlich sagen: Dieses 1:2 im Halbfinale der Nations League gegen Portugal ist ein herber Rückschlag für die deutsche Nationalmannschaft. Nicht nur, weil es ein Dämpfer für die Euphorie ist, die um die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann wieder entstanden war. Nicht nur, weil das Final Four der Nations League in Deutschland stattfindet und man sich mit dem Heimvorteil mehr erhofft hatte. Nicht nur, weil man den Titel als Ziel ausgegeben hatte und sich nun als Folge der Niederlage wohl auch auf eine schwere Gruppe bei der kommenden WM 2026 einstellen muss.

Nein, dieses 1:2 ist vor allem auch spielerisch ein Rückschlag. Denn das, was die DFB-Elf da am Mittwochabend in der Münchner Allianz Arena gezeigt hat, war sehr durchwachsen – höchstens. Den Spielern sind viel zu viele einfache, individuelle Fehler unterlaufen, diese Unsicherheiten zogen sich durch die ganze Partie – und eine Mannschaft wie Portugal nutzt solche Unzulänglichkeiten gnadenlos aus. Und nach dem 1:2? Da setzte keine Trotzreaktion bei den Gastgebern ein, es gab kein Aufbäumen, keinen Offensivwirbel. Im Gegenteil, die zwei portugiesischen Tore innerhalb von fünf Minuten waren klare Wirkungstreffer für die deutsche Elf, von denen sie sich nicht wieder richtig erholen konnte.

Aber: Eine große Überraschung war dieser Auftritt der deutschen Mannschaft für mich nicht – denn schon in den zwei Nations-League-Spielen gegen Italien wurde deutlich, dass es an Stabilität fehlt. Sie erinnern sich an diese beiden Spiele im März: Deutschland siegte 2:1 auswärts, spielte wenige Tage später dann zuhause 3:3. Diese beiden Partien wurden vielerorts bejubelt. Aber ich habe schon damals gesagt: Von diesen 180 Minuten waren höchstens 90 Minuten gut: Die zweite Halbzeit im Hinspiel, als man einen 0:1-Rückstand drehen konnte, und wiederum die erste Halbzeit im Rückspiel, als man Italien 3:0 vorführte. Beide Halbzeiten täuschten aber über die offensichtlichen Schwächen hinweg – die sich auch jetzt wieder zeigten: Souveränität, Abgeklärtheit, Sicherheit.

Taktisch lief ganz wenig zusammen

Ich finde es sehr gut und richtig, dass DFB-Kapitän Joshua Kimmich nach der Partie unumwunden angesprochen hat, was alles schief gelaufen ist. Noch wichtiger aber: Er hat auch eine unangenehme Wahrheit angedeutet: Der deutschen Mannschaft fehlt im Vergleich zu Top-Nationen wie Portugal, Frankreich oder Spanien die Tiefe. Und er hat Recht damit. Für die DFB-Elf muss alles, aber auch wirklich alles perfekt zusammenlaufen, um Erfolg zu haben. Die Spieler müssen am Limit spielen, als Team funktionieren, es dürfen keine Fehler passieren, ein wenig Glück darf auch nicht fehlen. Portugal dagegen? Dort wird in der zweiten Halbzeit einfach mal ein Vitinha eingewechselt, der gerade erst als Leistungsträger bei Paris Saint-Germain die Champions League gewonnen hat. Das ist herausragend, was dort für Potenzial noch auf der Bank wartet – und da können wir, so offen muss man es sagen, nicht mithalten.

Aber auch taktisch lief ganz wenig zusammen. Ein Indiz dafür: Nagelsmann begann mit einer Dreierkette in der Abwehr, stellte später dann aber doch auf Viererkette um – das ist überhaupt kein gutes Zeichen. Im Gegenteil: Das ist ein fatales Signal. Und das muss er sich ankreiden lassen. Dass das nicht funktionieren würde, sollte aber nicht verwundern. Denn sowohl Jonathan Tah als auch Waldemar Anton und Robin Koch sind gelernte Innenverteidiger, in Nagelsmanns Dreierkette aber mussten Tah und Anton quasi als Außenverteidiger agieren – und fühlten sich sichtlich unwohl.

Jetzt bin ich gespannt, wie Nagelsmann im Spiel um Platz drei reagiert. Er ist jetzt gefragt.

Nagelsmann darf nicht mehr experimentieren

Man kann die Situation übrigens sehr gut mit der bei Borussia Dortmund in der abgelaufenen Saison vergleichen. Über weite Strecken mussten nämlich auch dort Spieler auf für sie ungewohnten Positionen spielen. Das Ergebnis: Der BVB erlebte eine Achterbahnfahrt durch die Spielzeit, auf gute Auftritte folgten nicht selten große Enttäuschungen. Erst, als Niko Kovač als Trainer übernahm, setzte die dringend benötigte Stabilität ein. Warum? Weil er seine Spieler auf den für sie gewohnten Positionen einsetzte. So war das Spiel der Dortmunder stabiler, sicherer, selbstbewusster. Der Lohn: Sie schafften es doch noch in die Champions League.

Und das muss Nagelsmann nun unbedingt erkennen. Er muss erkennen, was er falsch gemacht hat. Er muss auch kritisch hinterfragen: Reicht es wirklich bei allen aus den letzten Startformationen zum Stammspieler in der Nationalmannschaft? Auf der linken Seite hat er eine große Baustelle, da war am Mittwochabend Robin Gosens nur das erste Glied in der Fehlerkette, die zum zwischenzeitlichen 1:1 führte.

Auch im so wichtigen Mittelfeldzentrum: Ist beispielsweise der sehr talentierte, aber eben noch sehr junge Aleksandar Pavlović dieser Aufgabe bereits gewachsen? Das wage ich nach den letzten Auftritten zu bezweifeln, das muss ich ganz ehrlich sagen. In der abgelaufenen Saison hat er insgesamt 19 Spiele in Klub und Nationalmannschaft verpasst, fehlte dem FC Bayern und der DFB-Elf erst wegen eines Schlüsselbeinbruchs, dann wegen des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Danach stieg er direkt wieder ein, Kurzeinsätze und Spiele über die vollen 90 Minuten wechselten sich ab. Vielleicht täte es ihm aber gut, wenn er sich eine Zeit lang nur auf die Aufgaben im Verein konzentrieren könnte, um wieder zur Bestform zu finden.

Im Spiel um Platz drei wartet nun entweder Europameister Spanien oder Frankreich – das wird nicht einfacher als gegen Portugal. Da darf Nagelsmann nun nicht mehr experimentieren. Ich erwarte, dass er in der Defensive umstellt und von Anfang an auf eine Viererkette setzt, in der zwei gelernte Innen- und zwei gelernte Außenverteidiger spielen. Über 90 Minuten muss eine deutliche Leistungssteigerung erkennbar sein. Mit mehr Einsatz, mehr Feuer, mehr Sicherheit. Sonst erlebt die deutsche Nationalmannschaft die nächste große Enttäuschung innerhalb weniger Tage. Und der Bundestrainer, die Nationalspieler, die Fans, sie alle gehen mit einem unguten Gefühl in die Sommerpause. Das wäre das Schlechteste, was passieren könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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