Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Zum Tod von Hulk Hogan Sein letzter Auftritt war traurig

Er hat den Showsport Wrestling zu ungekannten Höhen geführt. Abseits davon wurde Hulk Hogan aber zur problematischen Figur – die letztendlich isoliert war. Ein Nachruf.
Es war ein fast schon mitleiderregender Anblick, der sich im Januar dieses Jahres bot, beim letzten großen öffentlichen Auftritt von Hulk Hogan, der an diesem Donnerstag im Alter von 71 Jahren in Florida gestorben ist.
Hogan war zu Gast in der Sendung "Raw" von "World Wrestling Entertainment" (WWE) – und wurde vom Publikum in Los Angeles gnadenlos ausgebuht. Die Zuschauer sahen einen gebrechlich wirkenden Ex-Star, der verzweifelt versuchte, gegen die Buhrufe und Pfiffe anzureden und dabei wie geplant sein neues Bier anzupreisen. Erfolglos. Zahlreiche private Skandale und Aussetzer in den vergangenen Jahren hatten den Ruf des einstigen Idols zu stark beschädigt.
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Mit der Heldenverehrung von Legenden im Sport ist das so eine Sache: Der durch und durch wunderbare Roger Federer wird bei jedem Tennis-Turnier begeistert empfangen und hofiert wie sonst nur die Royals am Centre Court von Wimbledon. Basketball-Grande Michael Jordan schwebt für viele in einer ganz eigenen Sphäre. Die Augen von Formel-1-Fans und -Experten blitzen auf, wenn es um die Meriten von Michael Schumacher geht.
Dann wieder gibt es die, denen – nicht immer nachvollziehbar – auch gröbste Verfehlungen verziehen werden. Doping-Radprofi Jan Ullrich beispielsweise, der sich bei Auftritten im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen nach wie vor großer Verehrung erfreuen und allerlei eigene Sachen bewerben darf.
Entlassung nach "Rocky III"
Dieses Privileg wurde Hulk Hogan nicht zuteil. Zuletzt galt er im Showsport, der ihn und den er weltberühmt gemacht hat, fast schon als "Persona non grata". Keine Auftritte in den zahlreichen Sendungen der WWE, dem ihm seit Jahrzehnten verbundenen größten Veranstalter der Branche. Selbst Erwähnungen fanden kaum noch statt. Der Auftritt in L.A. galt als weiterer Schritt einer langsamen Wiederannäherung – der krachend scheiterte. Er selbst verstand nicht, warum. Wollte es nicht verstehen. Oder konnte es nicht verstehen. Hogan schien bis zuletzt verankert in einer vergangenen Zeit. Und verpasste es so, in Würde als Legende zu altern. Das ist letztlich seine größte Niederlage.
Dabei hat kein anderer Wrestler das Geschäft dermaßen geprägt wie Hogan. Die teuer produzierten Hochglanz-Shows der WWE, weltweite Touren, große Sponsoren, Filmstars wie Dave Bautista, Dwayne "The Rock" Johnson oder John Cena, die ihre Wrestling-Bekanntheit nutzten, um sich im Showbusiness zu etablieren – Hogan war der Wegbereiter.
Ohne den hochgewachsenen Mann aus dem US-Bundesstaat Georgia wäre das alles kaum möglich gewesen. Noch vor dem ganz großen Durchbruch verhalf ihm 1981 eine Rolle in "Rocky III – Das Auge des Tigers" zu gesteigerter Aufmerksamkeit – führte aber zunächst zur Entlassung aus der World Wrestling Federation (die spätere WWE) von Vincent J. McMahon, einem Traditionalisten der Branche, der die Fassade der "echten Kämpfe" im Ring aufrechterhalten wollte.
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Erst McMahons Sohn, der später legendäre Wrestling-Promoter Vince McMahon, erkannte in seiner aggressiven Expansionspolitik in den frühen 80er Jahren Hogans echtes Starpotenzial. Die von McMahon miterdachte Figur des in Gelb und Rot gekleideten, gutmütigen, schier unbesiegbaren amerikanischen Patrioten traf den damaligen Zeitgeist. Mit seinen fast schon grotesk aufgepumpten Muskeln, dem enormen Bizeps – seinen "60-Zentimeter-Pythons", wie Hogan selbst sagte – und dem breiten Schnauzbart wirkte der US-amerikanische Hüne wie eine fleischgewordene Comicfigur. Ein tadelloser Charakter, der seine Fans dazu anhielt, "Esst Eure Vitamine, sagt Eure Gebete und glaubt an Euch." Ein Gesamtkunstwerk.
"Er war einer der größten Kassenschlager"
Seine Popularität, der Hype um den "Real American" (den "wahren Amerikaner") steigerte die weltweite Bekanntheit des Wrestling – die bis heute anhält. Das Match gegen den legendären "André the Giant" bei "Wrestlemania 3" 1987 gilt noch heute als eines der prägendsten nicht nur der WWE-Geschichte, sondern der ganzen Wrestling-Historie. Sein "Bodyslam", mit dem er im Finish des Duells den über 220 kg schweren Giganten auf die Matte wirft, wird auch dreieinhalb Jahrzehnte später noch als Referenz für ikonische Momente des Sports herangezogen.
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"Er ist wohl der berühmteste Wrestler, der jemals gelebt hat, und mehr Menschen haben Eintritt bezahlt, um ihn zu sehen, als für jeden anderen Wrestler", schrieb der renommierte Wrestling-Journalist Dave Meltzer als erste Reaktion auf Hogans Tod. Jim Cornette, einst selbst als Manager im Ring und hinter den Kulissen aktiv und mit enzyklopädischem Wissen über die Historie des Showsports ausgestattet, merkte schon vor Jahren an: "Er war einer der größten Kassenschlager – aber man wird sich auch an ihn erinnern als Hauptattraktion einer Ära, die viele Fans vergrätzt hat."
Tatsächlich brachen zu Hochzeiten Fans in Jubelstürme aus, wann immer Hogans Einlaufmusik ertönte, die Ränge waren in Gelb getaucht durch die Hogan-Fanartikel. Keine Halle in dieser Zeit, in der nicht unzählige übergroße gelbe Schaumstoff-Finger, gelbe Bandanas und gelbe Muskelshirts aus den Zuschauermassen ragten. Wrestling-Experten aber konnten mit den familienfreundlichen, technisch wenig anspruchsvollen, grob überzeichneten Matches der WWE und insbesondere von Hogan wenig bis gar nichts anfangen.
Mitte der 90er wurden allmählich aber auch die Fans der immergleichen, eindimensionalen Figur Hogans überdrüssig. Bei World Championship Wrestling (WCW) erfand er sich als schillernder Bösewicht neu. Als Chef des Teams "New World Order" (NWO) kleidete er sich auf einmal ganz in Schwarz – T-Shirts der Gruppierung sind noch heute Verkaufsschlager.
Durch den Rollenwechsel erlebte Hogan ein Karriere-Revival – und fachte den für Wrestling-Zuschauer spektakulären Konkurrenzkampf zur WWE an. Über Jahre versuchten sich beide Veranstalter in ihren wöchentlichen Shows zu übertrumpfen.
Nach seiner Rückkehr zur WWE im Jahr 2002 wollte Hogan nochmals der große Star sein – als man den mittlerweile 50-Jährigen im Ring mit teilweise 30 Jahre jüngeren Athleten aber nicht mehr porträtieren wollte. Hogan wurde immer mehr zu einem, der nicht erkennen wollte, dass seine große Zeit als Aktiver im Ring hinter ihm lag. Den richtigen, den zeitigen Absprung ins Karriereende verpasste er.
Das öffentlich bis dato weitestgehend saubere Image bekam in den Folgejahren immer mehr Risse: Schon 1994 hatte er ein hochnotpeinliches Gerichtsverfahren, in dem er jahrelangen Missbrauch von Steroiden zugab, gerade so überstanden. Im Ring hängt Hogan rückblickend der Ruf eines mindestens schwierigen Partners an, dem es zu aktiven Zeiten primär darum ging, selbst möglichst stark und unbezwingbar auszusehen. Noch 2018 gab er rückblickend zu: "Jeder sagt, Hulk Hogan sei ein Backstage-Politiker gewesen. Gott sei Dank war ich das! Deshalb habe ich mehr Geld verdient als alle anderen, deshalb habe ich die Champion-Titel länger gehalten als alle anderen, deshalb habe ich 35 Jahre lang ganz oben gestanden."
"Es wird keinen zweiten Hulk Hogan geben"
Dann kamen in den 2010er Jahren Sex- und Rassismus-Skandale dazu. Affären. Skurrilste Lügengeschichten. Mit der aktuellen Wrestler-Generation verscherzte er es sich zusätzlich, als er den heutigen WWE-Stars mal als einzige Lehre aus seinen Verfehlungen mitgab, sich "nicht erwischen" zu lassen.
Zuletzt machte Hogan als leidenschaftlicher Unterstützer von Donald Trump Schlagzeilen, äußerte sich mindestens grenzwertig über US-Politikerin Kamala Harris (mehr dazu lesen Sie hier). Auf Trump-Wahlkampfveranstaltungen konnte er nochmals ganz er selbst sein. Riss sich das T-Shirt vom Leib wie einst im Ring, spannte den nicht mehr ganz so strammen Bizeps an. Da war er in seinem Element, blühte auf im Jubel des "Make America Great Again"-Publikums, das sich nichts mehr wünscht als die Rückkehr in alte Zeiten. Wie er selbst auch. Und dabei verkannte, dass das nicht möglich war. Er konnte wohl nicht anders.
Fans und Stars von heute wendeten sich ab von einem, der sie zum Wrestling gebracht hatte, der einmal ihr Idol war – aber für diese Rolle im echten Leben ganz offensichtlich nicht das Format hatte. Das Wrestling wollte ihn nicht mehr. Von den Superstars des Jahres 2025 werden kaum Beileidsbekundungen für Hogan kommen.
"Er war das Paradebeispiel dafür, was es bedeutete, ein Superstar zu sein", schrieb dafür der heutige WWE-Chef Paul "Triple H" Levesque nach Hogans Tod bei X. "Es gab keinen zweiten Hulk Hogan, und es wird wohl auch nie wieder einen zweiten Hulk Hogan geben." Im Guten wie im Schlechten.
- Eigene Beobachtungen