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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Neuling überzeugt Für den Bundestrainer wird er zur dauerhaften Option

Die Finalrunde der Nations League war für die deutsche Nationalelf weitestgehend eine Enttäuschung. Hoffnung macht aber vor allem der Auftritt eines Neulings.
Aus Stuttgart berichtet William Laing
Das Final-Four-Turnier der Nations League dürften sie sich bei der deutschen Nationalmannschaft allesamt anders vorgestellt haben. Statt eines angestrebten Titelgewinns setzte es im Halbfinale am Mittwoch in München zunächst eine Niederlage gegen Portugal (1:2), am Sonntag im Spiel um Platz drei in Stuttgart dann auch noch eine Pleite gegen Frankreich (0:2). Einem DFB-Profi werden die zwei verlorenen Partien aber aller Voraussicht nach trotzdem in positiver Erinnerung bleiben – zumindest aus persönlichen Gründen.
- "Sorry an Toni": Nagelsmann entschuldigt sich wegen Woltemade bei U21-Trainer
Nick Woltemade feierte im Duell mit den Portugiesen sein Debüt für die deutsche A-Auswahl. Dabei stand der 23-Jährige direkt in der Startelf. Ein Privileg, das ihm Bundestrainer Julian Nagelsmann vier Tage später gegen Frankreich gleich ein weiteres Mal gewährte. Der Stürmer des VfB Stuttgart wusste das Vertrauen in seinem Heimstadion mit einer ansprechenden Leistung zu rechtfertigen. Eine Zukunft in der Nationalmannschaft dürfte ihm damit erst mal sicher sein.
Woltemades Debütspiele: Nur "das i-Tüpfelchen" fehlte
Nicht alles gelang Woltemade in seinen ersten beiden Spielen für Deutschland. Gegen Portugal hatte er keinen einfachen Stand, hätte jedoch im ersten Durchgang durchaus ein Tor erzielen können. Gegen Frankreich präsentierte er sich dann noch einmal weitaus gefälliger. Die Abwehr der "Équipe Tricolore" hatte mit dem quirligen Woltemade alle Hände voll zu tun. Der, auch das gehört zur Wahrheit, hätte dieses Mal aber definitiv einen Treffer erzielen müssen.
Schon nach zwei Minuten tauchte er allein vor Torhüter Mike Maignan auf, der den zu unplatzierten Schuss des Angreifers aber abzuwehren wusste. Kurz vor der Pause scheiterte er erneut am Schlussmann der Franzosen. Julian Nagelsmann wollte dennoch nicht allzu hart mit Woltemade ins Gericht gehen.
"Er hatte gute Aktionen", sagte der Bundestrainer auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Klar, das eine Tor, sowohl gegen Portugal als auch heute, muss er, glaube ich, schon machen. Das ist dann am Ende das i-Tüpfelchen auf einer guten Leistung." Insgesamt zeigte er sich mit Woltemade aber überaus zufrieden. "Ich finde, er hat sich heute gut eingebracht, er hat es gut gemacht", so Nagelsmann, der damit die Tür für weitere Nominierungen des Neulings bereits weit aufstieß.
Nagelsmanns Entschuldigung anstelle des Verzichts
45 Minuten durfte Woltemade im Spiel um Platz drei am Ende auf dem Rasen stehen, war ein ständiger Unruheherd in und um den Strafraum der Franzosen. Der ein oder andere Deutschland-Fan dürfte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit deshalb auch verwundert die Augen gerieben haben, als der Offensivakteur nicht auf den Platz zurückkehrte und für Deniz Undav weichen musste. Das hatte aber einen guten Grund.
Bereits am Mittwoch startet die U21-EM in der Slowakei. An der soll auch Woltemade mit der deutschen Auswahl unter der Leitung von Cheftrainer Antonio Di Salvo teilnehmen. Nagelsmann wollte dementsprechend Rücksicht nehmen auf seinen Amtskollegen, der bei dem Turnier fest mit dem ehemaligen Bremer im Sturmzentrum plant.
Mit Di Salvo habe es bezüglich Woltemade Absprachen gegeben, die dann noch mal verändert worden seien, so der Bundestrainer. "Und dann war es eigentlich schon die Idee, dass er nicht zwingend von Anfang an spielt. Deswegen da noch mal so ein kleines 'Sorry'." Dass Nagelsmann sich bei Di Salvo lieber entschuldigte, anstatt von Beginn an auf Woltemade zu verzichten, machte dabei eine Sache direkt deutlich: welchen Stellenwert sich der Spieler in kürzester Zeit in der A-Nationalmannschaft erarbeitet hat.
"Ich bin sehr groß und meine Energie ist auch groß"
Woltemade selbst bedankte sich nach Schlusspfiff derweil für das Vertrauen des Bundestrainers in ihn. "Ich glaube, du konntest heute sehen, dass ich mich schon besser angepasst habe an das Niveau, was ich jetzt noch nicht so häufig gespielt habe", ordnete er in der Mixed Zone der Arena seine Leistung ein. "Deswegen freue ich mich sehr darüber und bin sehr dankbar, dass ich heute noch mal starten durfte."
Dass es für ihn in der A-Nationalmannschaft weitergehen dürfte, dessen scheint er sich zudem bewusst zu sein. Gespräche über seine künftige Rolle im DFB-Team habe es mit Nagelsmann zwar noch nicht gegeben. Dafür seien die beiden jüngsten Spiele zu wichtig gewesen. Doch Woltemade erklärte auch: "Irgendwann ist ja dann der nächste Lehrgang. Da sprechen wir dann bestimmt mal über die Zukunft." Ein klares Indiz dafür, dass er davon ausgeht, zum Start der WM-Qualifikation im September erneut in den Fokus des Bundestrainers zu rücken.
Vorher möchte er aber bei der U21-EM für Furore sorgen. Von Müdigkeitserscheinungen nach einer harten Saison will er dabei nichts wissen. "Ich bin sehr groß und meine Energie ist auch groß. Deswegen ist die Energie auf jeden Fall noch da", so der 1,98-Meter-Mann. Er fühle sich nicht kaputt, sondern habe jetzt zwei Länderspiele gespielt. "Ich glaube, es gibt deutlich Schlechteres. Und jetzt spiele ich eine U21-EM. Gibt auch deutlich Schlechteres. Deswegen freue ich mich sehr darüber." Genauso wie wahrscheinlich Antonio Di Salvo, der einen offenbar weiterhin hoch motivierten Stürmer für die Europameisterschaft in seinen Reihen weiß – und Julian Nagelsmann, für den Woltemade mit dieser Einstellung in Zukunft wohl zu einer dauerhaften Option werden dürfte.
- Pressekonferenz mit Julian Nagelsmann in Stuttgart
- Mixed-Zone-Gespräch mit Nick Woltemade in Stuttgart
- Eigene Beobachtungen