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EM 2012: Hummels erklärt, dass Löw sich ihn weniger aggressiv wünscht


Hummels fühlt sich endlich auch bei Löw gebraucht

Von t-online
Aktualisiert am 17.06.2012Lesedauer: 7 Min.
Mats Hummels im Einsatz im EM-Klassiker gegen die Niederlande.Vergrößern des BildesMats Hummels im Einsatz im EM-Klassiker gegen die Niederlande. (Quelle: dpa-bilder)
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Mats Hummels hat es endlich geschafft. Dem Dortmunder gelang in seinem 15. Länderspiel gegen Portugal der Durchbruch. Zusammen mit dem Bayern Holger Badstuber bildet der 23-Jährige die Innenverteidigung der Nationalmannschaft bei der EM. Dafür musste der langjährige Abwehrchef Per Mertesacker auf die Bank. Im Interview spricht Hummels über die Chefrolle in der Nationalelf, die Umstellung seines Spielstils sowie das kommende Spiel gegen Dänemark.

Mats Hummels, nach Ihrem Spiel gegen Portugal wurde geschrieben, es wäre die Geburtsstunde des Nationalspielers Mats Hummels gewesen. Können Sie diese Meinung nachvollziehen?
Das kann ich nachvollziehen, denn es war das erste Mal, dass ich in der Nationalmannschaft so gute Kritiken bekam wie in Dortmund. Es gab davor schon ein paar ganz gute Spiele von mir, aber das war das erste herausragende, denke ich.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie dazu 15 Anläufe benötigt haben?
Wie sagt man so schön: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, ein Spiel auch nicht. Es ist richtig, dass ich Zeit benötigt habe, in das neue Umfeld herein zu finden. Mir fehlte das Gefühl, immer gebraucht zu werden. Mal sitzt man auf der Bank, mal spielt man. Das ist anders als beim BVB, wo ich immer spiele und Führungsspieler bin. Aber das Zweite ist, dass gegen Portugal auch die Einstellung von uns eine ganz andere war als etwa in Freundschaftsspielen. Es wurde mehr nach hinten gearbeitet, es waren mehr Zweikampfhärte und Willen zu spüren. Das ist für die Verteidigung immer wichtig. Das macht es einfacher, als wenn man immer in Schnellangriffe der Gegner laufen muss.

Sie haben vor der EM gesagt, sie wären kein Mitläufer-Typ. Mussten Sie bei der Nationalmannschaft erst lernen, nicht diese herausragende Stellung einzunehmen wie in Dortmund?
Es geht nicht mal darum, die herausragende Figur zu sein, sondern um das Bewusstsein, hier wichtig zu sein. Dass man weiß, man wird gebraucht und gewollt. Es ist mir wichtig, dieses Vertrauen zu spüren.

Im Trainingslager war auffällig, dass Per Mertesacker sofort die Chefrolle an sich gerissen und im Training die Kommandos gegeben hat.
Ich halte von der Diskussion um einen Abwehrchef nicht so viel. Man muss sich immer unterstützen und gegenseitig helfen. Wenn Per oder Holger etwas sagen, muss ich das nicht auch noch machen. Ich greife ein, wenn mir etwas auffällt. Aber ich habe es auch im Spiel nicht in mir, alle 20 Sekunden etwas zu rufen.

Was auch auffiel: Der Bundestrainer hat Sie im Training immer wieder korrigiert. Fiel es Ihnen schwer, die Automatismen aus Dortmund abzustellen?
Im reinen Verteidigerspiel möchte Joachim Löw andere Dinge von mir, das ist richtig. Ich soll zum Beispiel weniger aggressiv in den Zweikampf gehen, sondern eher abwartend und zurückhaltend agieren. Das ist in Dortmund ganz anders, und das ist auch der größte Unterschied zu meinem Spiel dort.

Wie schwer fällt es, im Spiel die richtigen Abläufe abzurufen und nicht plötzlich im Nationaltrikot in die Dortmund-Spielweise abzudriften?
Das ist jetzt besser geworden. Aber ich muss mir im Spiel manchmal noch vor Augen führen, dass ich den Angreifer nicht sofort attackiere. Im Endeffekt überwiegen aber viele Parallelen. Wenn der Stürmer im Eins-gegen-Eins vor dir steht, ist es immer das gleiche.

Sie sind gegen Portugal sehr verhalten und vorsichtig ins Spiel gestartet. Mussten Sie sich erst mal eine Komfortzone einrichten?
Es war für das persönliche Gefühl sehr wichtig für mich, nicht sofort mit einem Risikopass anzufangen. Wenn der erste Pass direkt nicht sitzt, hat man nicht diese Sicherheit im Fuß. Die wollte ich mir erst einmal durch drei, vier Pässe und Zweikämpfe holen. Als sie da war, bin ich dann auch stärker ins Risiko gegangen. So mache ich es auch nach längeren Pausen in der Bundesliga. Den ersten Pass der neuen Saison werde ich wohl auch nicht direkt über 50 Meter schlagen.

Welche Rolle hat der Druck von außen gespielt? Nach Ihrer überraschenden Aufstellung standen Sie verstärkt unter Beobachtung…
Während einer Partie ist der Druck von außen nie da, weil ich selbst sehr viel von mir erwarte. Das reicht mir vollkommen.

Generell fällt auf, dass viele Mannschaften stark auf die Karte Sicherheit bauen. Wo liegen Ursachen für die aufkeimende Risiko-Vermeidung?
Ich kann da nicht für alle Mannschaften sprechen. Wir haben durch die vielen Spieler aus München die Spielweise der Bayern natürlich stark verinnerlicht. Das hat sich mit den Jahren auch auf die anderen übertragen. Auch die Niederländer haben sich im Aufbau viel Zeit gelassen und Sicherheit geholt, weil sie vorne mit Afellay und Robben große individuelle Klasse haben und sie gezielt aus einer sicheren Basis heraus einsetzen wollen.

Müssen Sie sich manchmal bremsen? In Dortmund geht es ja meist deutlich schneller in die Spitze.
Auf jeden Fall. Manchmal habe ich im Kopf: Jetzt würde ein langer Ball in die Tiefe funktionieren. Aber dann läuft da niemand herein, wenn ich gucke. Das ist dann immer die Zehntelsekunde, in der ich umschalten muss.

Gegen die Niederlande und Portugal sind Sie mehrmals selbst mit dem Ball am Fuß nach vorne gegangen. Wir dachten immer, das sei Innenverteidigern in der Nationalelf verboten…
Nein, das ist es absolut nicht. Wenn der Raum sich bietet und die Gegner das Mittelfeld zustellen, ist das eine Variante, um Bewegung reinzubringen. Ich habe danach meist den sicheren Pass gewählt. Trotzdem sorgen die Vorstöße dafür, dass das Spiel nicht so statisch ist. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass ich das alle fünf Minuten mache, sondern höchstens zweimal pro Spiel, wenn es sich irgendwo anbietet.

Nach einem dieser Vorstöße gegen die Niederlande ist ein Foto entstanden, das sie breit grinsend vor einer Gruppe von streitenden Oranje-Spielern zeigt. Es gibt einen regelrechten Internet-Hype darum. Kennen Sie es?
(lacht) Ja, das Foto kenne ich. Das ist nach meiner Doppelchance entstanden und ist wirklich ein cooles Foto.

Nach dem Schweiz-Spiel gab es für Sie nicht so viel zu lachen. Die Kritik ist nach der 3:5-Niederlage massiv auf Sie niedergeprasselt. Haben Sie danach an sich gezweifelt?
Ehrlich gesagt, habe ich nicht an mir gezweifelt, sondern eher daran, was so alles geschrieben wurde. Ich habe mich gefragt, wieso völlig offensichtliche Dinge nicht erkannt werden. Die Gegentore hatten immer unterschiedliche Gründe. Trotzdem wurde an vielen Stellen geschrieben, die Innenverteidigung hätte immer Schuld gehabt. Das schockiert mich. Wenn man so lange über Fußball berichtet, wie die Leute, die über die Nationalmannschaft schreiben, darf man doch erwarten, dass so etwas auffällt.

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Haben Sie sich wie im falschen Film gefühlt?
Ja… Die Leistung der Nationalmannschaft wird meiner Meinung nach oft nur sehr oberflächlich analysiert. Es wird weniger über das Spiel an sich geschrieben, sondern nur nach Ergebnis berichtet. Wenn wir 2:1 gegen die Niederlande gewinnen, ist alles gut. Irgendwo stand sogar, wir hätten sie entzaubert. Dabei entsprach das absolut nicht der Realität. Wir waren einfach nur etwas effektiver. Es ist schon erstaunlich. Wenn man von fünf Chancen eine nutzt, ist es nicht gut. Spielt man sich aber nur drei heraus, verwandelt davon aber zwei, wird gesagt, man hätte im Offensivspiel gezaubert.

Der "Spiegel" hat jüngst einen sehr negativen Bericht über Sie geschrieben. Fühlen Sie sich manchmal auch zu Unrecht als Person angegriffen?
Es stimmt, es wird manchmal sehr persönlich. Das hat mich auch sehr überrascht. Jeder Spieler der Welt hat mal einen schlechten Tag, aber es wird dann bei der Nationalmannschaft immer direkt sehr intensiv kritisiert. So etwas kennt man auch aus Spanien. Wenn Mesut Özil da fünfmal glänzt und dann ein schlechtes Spiel macht, wird geschrieben, er sei lustlos und sei nicht bei der Sache. Da wird in den Extremen sehr gewandelt. Die Journalisten müssen selbst wissen, was sie schreiben. Aber als Spieler registriert man schon, wer sachlich-fachlich kritisiert und wer ins Persönliche geht.

Ihre Mutter ist selbst Sportjournalistin. Hat sie Sie medial geschult?
Nein, das lernt man mit der Zeit einfach. Natürlich war mein erster Auftritt im "Sportstudio" etwas Besonderes. Das habe ich jahrelang selbst geguckt. Da war ich auch nervös. Beim zweiten Besuch ging es dann schon etwas besser.

Ausländische Zeitungen haben Sie nach dem Niederlande-Spiel als neuen Beckenbauer und Kaiser 2.0 bezeichnet. Jetzt mal ganz ehrlich: Wissen Sie überhaupt, wie er damals gespielt hat?
Es ist eine große Ehre, wenn man mit ihm verglichen wird. Aber ich kenne sein Spiel nur aus Geschichten und ein paar Highlight-Sendungen im Fernsehen. Deshalb ist es schwierig für mich, das zu beurteilen. Ich bin ja doch ein paar Jahre nach seiner aktiven Zeit auf die Welt gekommen. Mein Lieblingsspieler ist Zinedine Zidane, aber bei ihm war das Spiel dann doch etwas eleganter als bei mir. Das ist für mich unmöglich zu erreichen. (lacht)

Die Beckenbauer-Vergleiche zielten auf ihren Offensivdrang ab. Haben Sie das Gefühl, dass Sie im Spiel nach vorne stärker beäugt werden als in Ihrem Kerngeschäft, der Abwehrarbeit?
Ja, aber das liegt auch oft daran, dass wir in Spielen wie gegen Aserbaidschan oder Kasachstan die meiste Zeit den Ball haben und wir einfach weniger defensive Zweikämpfe führen. Defensivspieler werden aber generell häufiger nach einzelnen Situationen bewertet als nach ihrer Gesamtleistung. Wenn Holger oder ich einen Zweikampf verlieren, aber neun gewinnen, wird meist auf den verlorenen geschaut. Gewinnt ein Stürmer dagegen nur zwei von seinen zehn Duellen, macht dann aber ein Tor, wird dies gewürdigt. Da ist die Wahrnehmung generell eine andere.

Am Sonntag stehen Sie wieder im Blickpunkt. Eine Niederlage gegen Dänemark und Sie könnten aus dem Turnier fliegen. Wie bewerten Sie die kuriose Situation, trotz zweier Siege zum Auftakt noch ausscheiden zu können?
Die Tabelle vermittelt eine trügerische Sicherheit. Die zwei vermeintlich stärksten Gegner geschlagen, sechs Punkte. Aber die Dänen haben eben auch eine sehr hohe Qualität. Es kann sehr leicht passieren, dass wir rausfliegen. Wir müssen ja nicht mit drei Toren verlieren und die Portugiesen mit 6:0 gewinnen. 0:1, 1:0 – das kann schnell gehen. Deshalb müssen wir mit der Einstellung ans Spiel gehen, unbedingt gewinnen zu müssen. Dann ist die Konzentration so hoch, dass man sich keine Nachlässigkeit erlaubt.

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