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EM 2012: Bastian Schweinsteiger wird zum Mysterium


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Schweinsteiger: Vom Sunnyboy zum großen Grübler

Von t-online
Aktualisiert am 20.06.2012Lesedauer: 4 Min.
Bastian Schweinsteiger hat sich in ein Schneckenhaus zurückgezogen.Vergrößern des BildesBastian Schweinsteiger hat sich in ein Schneckenhaus zurückgezogen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Aus Danzig berichtet Thomas Tamberg

Beim ersten Mannschaftstraining nach dem Dänemark-Spiel fehlte Bastian Schweinsteiger. Das Sprunggelenk sei ein bisschen gereizt. Bastian trainiere im Kraftraum, beeilte sich Bundestrainer Joachim Löw mitzuteilen. "Eine reine Vorsichtsmaßnahme." Seit Monaten wird über den Gesundheitszustand des Mittelfeld-Stars spekuliert. Nicht nur bei der EM 2012. Mit vagen Andeutungen nährt Schweinsteiger zusätzlich die Gerüchteküche. Überhaupt hat sich der emotionale Leader, der früher den Blätterwald bestimmte, medial längst in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Er hat seine Gründe. (Das Zwischenzeugnis: Die Noten der deutschen Elf)

Es ist immer das gleiche Bild: Wenn Schweinsteiger nach den Partien durch die Mixed Zone geht - dort wo die Journalisten warten, um Statements von den Spielern zu erhaschen - dann läuft der Mittelfeld-Star wortlos an ihnen vorbei. Beim Auftaktspiel gegen Portugal sparte er sich diesen Gang gänzlich und schlich gleich durch den Hinterausgang zum Mannschaftsbus. Gegen Dänemark, nach dem Erreichen des Viertelfinals, gab der 27-Jährige immerhin zwei kurze TV-Interviews. Doch seine Aussagen verwirrten die Zuschauer eher, als dass sie etwas erklärten. Für die schreibende Zunft, immerhin die Mehrzahl der Journalisten vor Ort, hat Schweinsteiger kein Wort mehr übrig. Der Star, zusammen mit seiner Modell-Freundin Sarah Brandner einst Liebling des Boulevard, macht sich seit längerem rar.

Der 93-fache Nationalspieler redet nur noch ganz selten, vorzugsweise, wenn er muss. Auf offiziellen Pressekonferenzen zum Beispiel. Die hatten früher durchaus großes Entertainment-Potential. Schweinsteiger kann schon Pointen setzen, wenn er will. Nur will er mittlerweile nicht mehr. Wenn er redet, dann ist es ihm meistens ernst. So wie bei seinem bisher einzigen öffentlichen Auftritt im DFB-Medienzentrum vor den Toren Danzigs nach seinem überragenden Auftritt gegen die Niederlande.

Schweinsteigers innerer Schweinehund

"Ich hatte in dieser Saison ständig Probleme, konnte nie zu 100 Prozent trainieren und war nie richtig fit." Auch jetzt habe er noch gelegentlich Schmerzen, sagte er. So weit so gut. Doch dann fügte Schweinsteiger noch hinzu: "Aber für ein Spiel kann man den Schweinehund bezwingen." Für ein Spiel? Was ist mit dem Dänemark-Match, dem Viertel-, Halbfinale und erst dem Endspiel? So lautet doch das erklärte Ziel. Wie fit oder unfit ist der Mittelfeld-Stratege wirklich? Die Frage blieb wieder einmal unbeantwortet.

Ähnlich kryptisch klang sein Satz ins ARD-Mikrophon nach dem Sieg gegen Dänemark, der den Viertelfinaleinzug perfekt gemacht hat. "Ich persönlich bin müde", sagte Schweinsteiger, "weil man leider viel laufen musste. Und das sollte normalerweise nicht so sein, dass man so viel laufen muss." Von Euphorie keine Spur, selbst auf Nachfrage des verdutzten Moderators. Schweinsteiger war unzufrieden mit einigen Mitspielern. Wollte dies aber nicht öffentlich äußern. Und so musste ausgerechnet er, der noch nicht richtig fit ist, die größte Laufarbeit verrichten. Knapp 12,5 Kilometer legte er gegen die Dänen zurück, gefolgt von Sami Khedira und Lars Bender, die beide unter zwölf Kilometern lagen.

Er hat Ballack stets gestützt

Schweinsteiger stellt sich voll und ganz in den Dienst der Mannschaft. Egal, wie er persönlich dabei abschneidet. Gerne spricht die Öffentlichkeit Menschen, die bereits Millionen Euro auf dem Konto haben, den totalen Ehrgeiz, den unbedingten Siegeswillen ab. Doch genau das treibt Schweinsteiger an. Er, der immer genau zugehört hat und immer noch zuhört, wenn Oliver Kahn Ratschläge gibt. Er, der sich nach der WM 2010 für eine Rückkehr von Michael Ballack ins DFB-Team ausgesprochen hat, obwohl die Entscheidung längst zu Ungunsten des Capitanos gefallen war. Er, der sich die Äußerungen von Uli Hoeneß zu Herzen nahm, als dieser anno 2007 polterte, dass man dem Bayern-Jüngling zu viel Puderzucker in den Hintern geblasen hätte.

Schweinsteiger orientiert sich an den Großen seiner Zunft. An denen, die nicht den leichten Weg gegangen sind. An denen, die Verantwortung übernommen haben. Er hat erlebt, wie Kahn die Champions League gewonnen hat, er weiß, wie die Bayern-Elf von 2001 immer mehr verklärt wird. Er hat aber auch am Beispiel Ballack gesehen, wie es ist, wenn man vergeblich einem internationalen Titel hinterherjagt. Der Einzug in die Riege der ganz Großen im internationalen Fußball bleibt einem so verwehrt.

Das Chelsea-Trauma

Und genau dort will Schweinsteiger hin. Das ist sein Ziel. Allzu viel Zeit hat er nicht mehr. Zuletzt wurde ihm der Titel in der Königsklasse im Finale Dahoam gegen den FC Chelsea auf dem Silbertablett serviert. Er ballerte die Kugel im entscheidenden Moment an den Pfosten. Was soll man da noch in die Mikrophone der Journalisten sagen? Jedes Wort scheint da zu viel. Immer wieder erklären zu müssen, warum es wieder nicht mit dem ganz großen Wurf geklappt hat, frisst an der Seele, raubt Energie. Als Einziger hat er nach dem Dänemark-Spiel zugegeben, dass er zwischenzeitlich fürchtete, aus dem Turnier auszuscheiden. Er weiß, wovon er spricht. Da ist er lieber bis zur Erschöpfung gelaufen.

Mag sein, dass seine Verweigerung gegenüber der Öffentlichkeit als unprofessionell angesehen wird. Medienarbeit gehört schließlich zum modernen Profitum dazu. Aber am Ende des Tages wird Schweinsteiger nicht am Unterhaltungswert seiner Interviews gemessen, sondern an Titeln. Für schlaue Sprüche bleibt nach der Karriere noch ausreichend Zeit.

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