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Guardiola gegen Tuchel: Grandioses Taktikduell


Grandioses Taktikduell
Guardiola siegt gegen einen potenziellen Bayern-Coach

Von t-online
20.10.2013Lesedauer: 4 Min.
Top-Trainer auf Augenhöhe: Pep Guardiola (li.) und Thomas Tuchel.Vergrößern des BildesTop-Trainer auf Augenhöhe: Pep Guardiola (li.) und Thomas Tuchel. (Quelle: imago/MIS)
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Aus München berichtet Thomas Tamberg

Der eine trug mit leicht hängenden Schultern einen Trainingsanzug, und hatte, wenn er nicht gerade wild gestikulierend seinen Spielern Anweisungen gab, die Hände meist in der Tasche. Er legte sich ständig mit dem Vierten Schiedsrichter an, blieb dabei aber fast immer in der Coaching-Zone. Während des Nachdenkens strich er sich seinen Scheitel zurecht, der die etwas dünnere Haarpracht noch gut kaschieren kann.

Der andere trug einen Anzug, der seine leichten O-Beine betonte und stand vor allem in der ersten Hälfte fast immer einen Schritt außerhalb der Coaching Zone. Er zupfte sich ständig an der Nase, strich sich mit den Händen über den Kopf und gestikulierte mindestens genauso wild mit den Armen wie sein Pendant auf der anderen Seite. Die Schiedsrichter ließ er in Ruhe. Der eine heißt Thomas Tuchel, der andere Pep Guardiola.

Coachen auf höchstem Niveau

Selten zuvor wurde ein Bundesliga-Spiel so sehr von den Trainern bestimmt wie das Duell beim 4:1-Sieg des FC Bayern gegen den FSV Mainz 05, ohne dass dabei irgendetwas Außergewöhnliches passieren musste, ein Trainer auf die Tribüne verwiesen wurde oder sich sonst etwas herausnahm, was nicht erlaubt ist. Nein, die beiden taten das, wofür sie der Klub vorrangig bezahlt: Sie coachten. Aber sie taten das auf allerhöchstem Niveau, leidenschaftlich, raffiniert, sich gegenseitig belauernd, analysierend. Immer bereit, sofort eine Gegenmaßnahme bei taktischen Veränderungen des Gegenübers einzuleiten. Und ebenso bereit, diese sofort wieder zu verwerfen, sofern sie nicht fruchteten.

Ihre Ideen und ständigen Veränderungen im System spiegelten sich auf dem Platz so offensichtlich wider, wie es selten der Fall ist. Spätestens als Diego Contento in der zweiten Hälfte auf der Innenverteidiger-Position aufgetaucht war, merkte auch der Taktik-Laie, dass hier irgendetwas Besonderes im Gange war. Wobei man sagen muss, dass Contento erst im Zuge mehrerer taktischer Umstellungen Guardiolas wohl eher notgedrungen im Abwehrzentrum landete und kein besonderer Schachzug des Bayern-Trainers war.

Guardiola weiß zunächst keine Antwort

Der zwei Jahre jüngere Mainzer Coach setzte zu Spielbeginn auf eine Fünfer-Abwehrkette mit drei Innenverteidigern und einem Vierer-Mittelfeld, dass das Zentrum extrem verdichtete, so dass die Münchner weder die Außenbahnspieler in Szene setzen konnten, noch ihr Kurzpassspiel durch die Mitte aufziehen konnten. Die Folge war: Der FC Bayern hatte in Abschnitt eins keine einzige Torchance.

Alle Gegenmaßnahmen Guardiolas während der ersten Hälfte liefen ins Leere. Erst als er Mario Götze nach der Pause einwechselte und stark vereinfacht erstmals seit seinem Wirken beim FC Bayern nahezu wie einst Jupp Heynckes spielen ließ, mit Angriffen über die Flügel und einer Doppelsechs, konnte er die Mainzer Hintermannschaft knacken. Neun von 14 eingesetzten Spielern änderten im Laufe des Spiels ihre Position oder Laufwege. Aus der Startelf änderte sich nur für Mario Mandzukic, Jeromé Boateng und Torhüter Manuel Neuer weitestgehend nichts. Wer es ganz genau wissen will, dem sei hier eine ausführliche Taktikanalyse des Spiels empfohlen.

Mainz mit Tuchel ist Bayerns Angstgegner

Nun hat also auch Guardiola Bekanntschaft mit Tuchels ausgeklügelter Spielweise gemacht. Der 42-jährige Spanier war vorgewarnt. Er habe im Vorfeld gehört, dass sein Kollege aus Mainz immer einen raffinierten Matchplan parat habe, sagte Guardiola nach dem Spiel. In der Tat, hatte Tuchel ein solchen wieder einmal mitgebracht. Bis tief in die Nacht vor dem Spiel habe er die Taktik mit der Mannschaft diskutiert, sagte der Trainer der 05er.

Trotz der Niederlage hat sich Mainz unter Tuchels Regie mittlerweile als Angstgegner der Münchner entwickelt. Kein aktueller Bundesliga-Trainer kann eine bessere Bilanz gegen den Triple-Sieger vorweisen als Tuchel. 1,11 Punkte holte er bisher im Schnitt. Drei Siege und ein Remis in neun Duellen: Das kann sich sehen lassen.

Tuchel hat jede Menge Erfahrung

Trotz seiner Jugend gilt Tuchel als erfahrener Trainer. Mit 24 Jahren musste er wegen Knieproblemen seine hoffnungsvolle Karriere nach dem Aufstieg mit Coach Ralf Rangnick mit dem SSV Ulm in die zweite Liga 1998 beenden. Zwei Jahre später holte Rangnick den studierten Betriebswirt als U15 Trainer zum VfB Stuttgart. So bekam Tuchel Kontakt zur sogenannten Stuttgarter Schule, die vor der Jahrtausendwende im Manndecker-geprägten Deutschland mit der ballorientierten Raumdeckung eine Revolution lostrat. Zur dieser Schule zählen neben Rangnick auch Bundestrainer Joachim Löw oder Werder-Coach Robin Dutt. Gründungsvater ist der weitestgehend unbekannte Trainer Helmut Groß, der bereits in den 80er Jahren in der Verbandsliga mit Viererkette spielen ließ.

Geprägt wurde Tuchel allerdings vom mittlerweile verstorbenen Hermann Badstuber, dem Vater des Bayern-Profis Holger Badstuber. So besitzt Tuchel durchaus eine Verbindung zum FC Bayern. In einem Interview mit t-online.de schwärmte Badstuber-Intimus Bastian Schweinsteiger einmal so sehr von Tuchel und nannte Mainz gar als Geheimfavorit auf den Meistertitel, dass es der Medienabteilung des FC Bayern zu viel wurde und sie diese Passage bei der Autorisierung des Interviews wieder herausstrich.

Guardiola und Tuchel gar nicht so unähnlich

Neben Tuchels Klasse als Trainer ist es auch diese latente Nähe, warum immer wieder einmal sein Name auftaucht, wenn in der bayerischen Landeshauptstadt über zukünftige Trainer spekuliert wird. „Ich ziehe vor diesem jungen Trainer den Hut, er verdient vollen Respekt“, sagte bereits Louis van Gaal, nachdem ihm Tuchel 2010 eine 1:2-Pleite in der Allianz Arena zugefügt hatte. Und Bundestrainer Löw äußerte einmal den Gedanken, dass er sich Tuchel sogar als Bundestrainer vorstellen könnte. Aber am deutlichsten wurde Jupp Heynckes während seiner Abschiedssaison. Er habe immer was in petto, lobte der Trainerfuchs den Mainz-Coach. "Thomas Tuchel ist prädestiniert, irgendwann den FC Bayern zu trainieren.“

Und so ist es gut möglich, dass sich an diesem neunten Bundesliga-Spieltag der aktuelle und ein zukünftiger Trainer des Rekordmeisters gegenüber standen. In vielen taktischen Dingen und in ihrer Besessenheit vom Fußball sind Guardiola und Tuchel ohnehin schon Brüder im Geiste. Und einen Trainingsanzug kann man schnell gegen einen richtigen Anzug tauschen. Die Schultern etwas hochziehen, der Beinstellung einen Hauch mehr O-Haltung verpassen, dann hat sich Tuchel auch äußerlich Guardiola angenähert. Und bis es mit dem Traineramt in München soweit ist, passt es auch mit den Haaren.

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