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Thomas Broich über Goretzka und Kimmich: "Alles andere als selbstverständlich"


ARD-Experte Broich
"Als junger Spieler habe ich das Geld einfach so hingenommen"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

25.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Thomas Broich: Der ARD-Experte kann derzeit keine Spiele analysieren. Es wird nicht mehr gespielt.Vergrößern des Bildes
Thomas Broich: Der ARD-Experte kann derzeit keine Spiele analysieren. Es wird nicht mehr gespielt. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Bei der EM hätte Thomas Broich zusammen mit Bastian Schweinsteiger als Experte tätig sein sollen – doch diese wurde verschoben. Mit t-online.de spricht er über Solidarität im Fußball und Existenzängste junger Spieler.

Wer Anfang März die Achtelfinalspiele des DFB-Pokals in der ARD verfolgt hat, der kam an diesem Mann nicht vorbei: Thomas Broich. Der 39-Jährige ist für den öffentlich-rechtlichen Sender als Experte und Co-Kommentator aktiv.

Gemeinsam mit Bastian Schweinsteiger und Almuth Schult hätte er die Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2020 begleiten sollen – doch daraus wird bekanntlich nichts. Die EM wird aufgrund der Corona-Krise auf 2021 verschoben.

Und auch sonst ist Broichs TV-Präsenz überschaubar, denn jegliche Fußballspiele und Wettbewerbe pausieren auf unbestimmte Zeit. Im Interview mit t-online.de spricht Broich über die Solidarität der Fußballer, Existenzängste junger Spieler sowie die Ungewissheit in Zeiten der Coronakrise.

t-online.de: Herr Broich, derzeit wird viel darüber gesprochen, dass sich Fußballer solidarisieren und Geld spenden oder auf Gehalt verzichten sollen. Sehen Sie die Sportler derzeit in einer besonderen Verantwortung?

Thomas Broich (39): In der Verantwortung sehe ich uns alle. Allerdings sind Sportler natürlich wesentlich sichtbarer als die meisten Menschen. Deren Worte oder Taten sind imstande, andere für die Problematik zu sensibilisieren und das Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen zu erhöhen. In diesem Sinne können sie doppelt Gutes tun. Zum einen hilft jeder monetäre Beitrag die akute Not zu lindern, zum andern inspiriert jede Spende zur Nachahmung.

Fußballer verdienen viel Geld. Kann man von Ihnen verlangen, einfach so auf Teile des Gehalts zu verzichten?

Appellieren ja, verlangen nein. Am Ende muss jeder selbst entscheiden dürfen, inwieweit er sich finanziell solidarisch zeigen möchte. Kollektive Gehaltsverzichte, wie beispielsweise bei Borussia Mönchengladbach, senden starke Signale. Und natürlich fällt einem sofort die Spendeninitiative von Joshua Kimmich und Leon Goretzka ein. Es ist alles andere als selbstverständlich, sich bereits in so jungen Jahren durch ein derart großes soziales Engagement hervor zu tun.

Diese Art von gesellschaftlicher Verantwortung würde man sich von allen wünschen, die vermögend sind – Fußballer oder nicht. In den unteren Ligen muss das Thema Gehaltsverzicht noch differenzierter betrachtet werden.

Inwiefern?

Die Kausalität von Spielergehältern und drohenden Insolvenzen liegt auf der Hand, ob Bundesliga oder 3. Liga. Der große Unterschied ist, dass Großverdiener den Ausfall von einigen Monatsgehältern ungleich leichter verkraften als Zweit- oder Drittligaspieler, die zwar relativ zur Normalbevölkerung für den Augenblick überdurchschnittlich gut verdienen, jedoch nur ein Zeitfenster von wenigen Jahren haben, um sich für das Leben nach der Karriere abzusichern.

Neben der Ligazugehörigkeit spielt auch das Alter eine Rolle. Ein junger Spieler, bei dem noch nicht einmal absehbar ist, wie lange er sich im Profigeschäft halten können wird, ist mit einem langjährigen Bundesligaspieler nicht zu vergleichen.

Kennen Sie junge Spieler, die in der aktuellen Situation auch Existenzängste haben?

Nicht persönlich. Aber ich kenne diese grundsätzliche Problematik noch sehr, sehr gut aus meiner Zeit in Australien, wo Fußball eben keineswegs heißt: Ich habe für alle Zeiten ausgesorgt. Außerdem kommt noch erschwerend hinzu, dass sich besonders junge Menschen der Dimensionen des Lebens nicht bewusst sind. Auch wenn ich da an meine eigene Fußballerkarriere zurückdenke.

Was genau meinen Sie?

Ich musste nach meiner Karriere erst einmal feststellen, was es bedeutet, außerhalb des Fußballplatzes seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Da habe ich zum ersten Mal begriffen, wie die ganze Karriere über das Geld verhältnismäßig leicht hereinkam. Als junger Spieler habe ich das Geld einfach so hingenommen.

Dachten Sie: Das ist erst der Anfang?

In gewisser Weise schon. Ich ging davon aus, dass das einfach so weiter gehen würde bis zu meinem Karriereende mit 35. Zwar wurde schon zu meiner Zeit unser Einkommen oft mit Verdienst und Leistung einer Krankenschwester kontrastiert, aber die Zahlen blieben für mich als junger Mensch irgendwie abstrakt. Und das meine ich gar nicht in einem abgehobenen Sinne. Man muss gewisse Lebensrealitäten erlebt haben, um sie begreifen zu können.

Haben Sie damals aus Sicherheit Geld zur Seite gelegt?

Ich war weit davon weg, einen Millionenvertrag zu unterschreiben und außerdem wurde ich relativ konservativ erzogen, nach dem Motto: nur das Geld ausgeben, das man hat. Ich habe mir nie teure Autos oder Uhren gekauft. Mein Luxus war es einfach, dass ich mir das gönnen und kaufen konnte, was ich wollte – in meinem Fall vor allem Essen gehen, Reisen, Kino, Musikinstrumente – und am Ende des Monats war trotzdem mehr Geld auf dem Konto als vorher.

Was hat das mit Ihnen gemacht?

Ich habe mir nie Gedanken gemacht, dass kein Geld da sein könnte. Das führt zu einem sehr sorgenfreien Leben, aber eben auch zu einer gewissen Sorglosigkeit. Weil irgendwann der Tag kommt, an dem der Geldhahn abgedreht wird. Und ich hatte keine Ausbildung, hatte nicht studiert. Ich habe Glück mit dem, was ich jetzt machen darf. Aber nochmal: du hast keine Garantie. Nicht jeder wird in dieser glücklichen Lage sein, wie ich. Manche Spieler werden sich in der aktuellen Situation sicherlich ihre Gedanken machen.

Sie sind aktuell Experte für die ARD, wären auch bei der EM im Einsatz gewesen. Diese fällt nun aus. Wie geht es für Sie persönlich jetzt weiter?

Ich halte es da mit dem Prinzip Hoffnung: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Im Vordergrund steht für mich ohnehin, wie wir als Gesellschaft die aktuelle Krise meistern können. Zuallererst was die Gesundheit eines jeden Einzelnen angeht, aber auch wie wir die finanziellen Nachwirkungen abfedern können.

Machen Sie sich selbst Sorgen?

Ich für meinen Teil bin relativ entspannt. Es ist mehr die Frage nach den fehlenden beruflichen Inhalten. Weil eben niemand weiß, wann es weitergeht und in welcher Form. Gleichzeitig gilt: solange Ungewissheit mein größtes Problem ist, habe ich kein Problem. Es gibt weitaus Wichtigeres in diesen Tagen.

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