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Olympia 2021| Goldfavoritin Malaika Mihambo packt aus: "Und dann kamen die Selbstzweifel"


Malaika Mihambo
Goldfavoritin vor dem Finale: "Und dann kamen die Selbstzweifel"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 03.08.2021Lesedauer: 6 Min.
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Malaika Mihambo: Die Weitspringerin kam in der Qualifikation in Tokio auf die zweitbeste Weite. In der Nacht zum Dienstag hofft sie auf Olympisches Gold.Vergrößern des Bildes
Malaika Mihambo: Die Weitspringerin kam in der Qualifikation in Tokio auf die zweitbeste Weite. In der Nacht zum Dienstag hofft sie auf Olympisches Gold. (Quelle: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/Martin Meissner/AP/dpa)

Heute Nacht kann Malaika Mihambo in Tokio die erste deutsche Weitsprung-Olympiasiegerin seit 21 Jahren werden. Der äußere Druck ist immens. Doch Mihambo lässt sich davon nicht beirren. Hier äußert sie sich zu Kritikern, ihrem potenziellen Gold-Song und Bald-Trainer Carl Lewis.

Als Heike Drechsler am 29. September 2000 in Sydney als letzte Deutsche Weitsprung-Olympiasiegerin wurde, war Malaika Mihambo gerade einmal sechs Jahre alt. Mittlerweile ist Mihambo der Superstar der deutschen Leichtathletik und schickt sich in der Nacht zum Dienstag (ab 3.50 Uhr im Liveticker von t-online) an, es Drechsler gleichzutun und das erste deutsche Weitsprung-Gold seit über zwei Jahrzehnten zu holen. Dafür hat sich die Studentin der Umweltwissenschaften und passionierte Klavierspielerin besonders vorbereitet.

t-online: Frau Mihambo, Sie sind Musikliebhaberin. Wenn Sie Gold holen und sich einen Song für die Siegerehrung aussuchen müssten, welcher wäre das?

Malaika Mihambo: Das ist schwierig. (lacht)

Gar keine Idee?

Ich musste gerade an "Congratulations" von Post Malone denken. Einfach nur, weil ja schon "Glückwünsche" im Titel sind.

Und was wäre der Soundtrack, wenn alles perfekt läuft?

Puh, wahrscheinlich ein Song, der eher ruhig und melancholisch beginnt und dann einen Höhepunkt hat, bei dem sich alles in Freude auflöst, bei dem der Text das auch widerspiegelt, die Musik Vollgas gibt und dann nur noch die pure Freude da ist. Ich kenne jetzt keinen Song, der so ist.

Das hört sich allerdings schon sehr spezifisch an.

Ja, aber ich kenne wirklich keinen (lacht). Ich musste nur an mein Jahr denken – das hat holprig angefangen, dann folgte ein langer steiniger Weg…

… der womöglich mit dem Olympiasieg endet. Viele Fans erwarten nach dem WM-Titel 2019 nun Gold. Wie realistisch ist das?

Wenn ich mein Bestes zeige, sind die Chancen gut, gelingt mir das nicht, sind sie weniger gut. Ich will mich einfach darauf konzentrieren, das Beste aus mir rauszuholen. Erst im zweiten Schritt gucke ich auf die Platzierung. Für mich geht es darum, im Idealfall den besten Weitsprung meines Lebens zu präsentieren. Wenn ich damit Neunte werde, ist das auch in Ordnung.

Sie wären nach Platz vier 2016 in Rio also wirklich nicht enttäuscht, wenn es wieder keine Medaille wird?

Mein Ziel ist das natürlich immer. Aber es ist ein starkes Jahr, die anderen Athletinnen sind auch gut. Von daher weiß ich, dass ich vieles richtig machen muss, damit es klappt. Wenn es nicht zu einer Medaille reichen sollte, wäre ich im ersten Moment natürlich enttäuscht, aber letztendlich war es dann einfach noch nicht an der Zeit. Von daher ist auch so ein Szenario nicht schlimm. Weil ich davon auf jeden Fall etwas mitnehmen werde und stärker und weiser daraus hervorgehen werde.

Aber mal ehrlich: Visualisieren Sie nicht manchmal den Wettkampf und sehen sich am Ende ganz oben auf dem Podium stehen?

So konkret nicht. Natürlich freundet man sich in seinem Gehirn auch schon mit dem Olympiasieg an. Aber gerade, weil dieses Jahr sehr holprig war, hatte ich erst mal mit ganz anderen Dingen zu tun: mit dem Gefühl, der alten Leistung hinterherlaufen zu müssen und nicht an diese anknüpfen zu können. Und dann kamen die Selbstzweifel und das Gefühl, zu einer Gejagten zu werden. Im letzten halben Jahr habe ich mich darauf konzentriert, das loszulassen und wieder zu mir zu kommen, zu meinem Selbstvertrauen. Und auch das Gefühl zu haben, dass ich weder etwas beweisen muss noch etwas zu verlieren habe.

Sie haben den holprigen Saisonbeginn angesprochen. Die ehemalige Trainerin Gertrud Schäfer nannte Ihren Absprung gar eine "Katastrophe". Wie stehen Sie dazu?

Ich verfolge das gar nicht, weil das für mich selbst einfach nicht zielführend ist. Es gibt immer Kritiker, das hat man bei der Fußball-EM auch gesehen – mit Hunderttausenden Bundestrainern, die es alle besser wissen. Von außen ist es einfach schwierig zu sagen, warum ein Athlet übertreten hat – ob er vorher zu nah am Brett war oder zu lange Schritte gemacht hat, weil er gemerkt hat, dass er eigentlich zu weit weg ist vom Brett. Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann, von denen Außenstehende gar nichts wissen.


Wobei Schäfer lange Jahre als Trainerin gearbeitet und Olympia- beziehungsweise WM-Medaillengewinner betreut hat. Ist Ihnen eine solche Kritik dennoch egal?

Ja, schon. Anregungen kann man immer aufnehmen, aber letztendlich ist das eigene Gefühl entscheidend. Tipps höre ich mir natürlich gerne an, aber am Ende muss man immer selbst gucken, was passt und was nicht.

Sie haben die Fußball-EM angesprochen. Das Turnier war hochpolitisch. Wie ist das bei Olympia?

Wichtiger, als dass Olympische Spiele per se politisch sind, ist, dass Menschen Haltung zeigen für Themen, die ihnen am Herzen liegen – und die unseren Gesellschaften auch am Herzen liegen sollten. Wie die Fußball-EM zeigt, tun sie dies teilweise aber noch nicht. Weil Leute nicht offen genug sind und Anderssein – in welcher Art auch immer – nicht zulassen. Deshalb finde ich es gut, wichtig und richtig, dass sich Menschen dafür einsetzen. Und dann ist das auch etwas ganz Privates und nicht etwas Politisches – etwas, das den eigenen Charakter, das eigene Denken und Fühlen ausdrückt und schön ist. Weil es ehrlich ist.

Durch Regeländerungen des IOC ist auch ein Kniefall möglich, durch den beispielsweise die englischen Fußballer bei der EM ihre Verbundenheit mit der Black-Lives-Matter-Bewegung ausgedrückt haben. Einige Fußballteams haben das in Tokio ebenfalls getan. Ist das auch für Sie eine Option?

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Ich persönlich konnte mich mit diesen großen Gesten noch nicht so anfreunden. Das würde nicht mir entsprechen, so wie ich heute hier sitze. Aber das kann sich noch ändern. In diesem Moment kann ich mir das aber nicht vorstellen und würde es anders versuchen. Beispielsweise mit einem Interview, durch das ich versuche, zum Denken anzuregen. Es ist wichtiger, dass jeder für sich persönlich etwas lernt und schaut, wo er noch offener oder noch großzügiger und großherziger werden kann. Und da gehe ich meinen Weg.

Nochmal zu den englischen Fußballern. Nach dem EM-Finale wurden Spieler, die Elfmeter verschossen haben, rassistisch beleidigt. Haben Sie das mitbekommen und wenn ja: Was haben Sie dabei empfunden?

Natürlich habe ich das mitbekommen. Ich finde es erschreckend, dass wir im 21. Jahrhundert noch genau mit den gleichen Mindsets wie vor 10, 20 oder 100 Jahren zu kämpfen haben. Dass wir uns noch nicht weiterentwickelt haben. Und das ist genau der Punkt, bei dem ich denke, dass jeder für sich ins Nachdenken kommen und fragen sollte, was er dazu beitragen kann, damit die Welt offener wird. Indem man beispielsweise einen Kollegen fragt, "Warum siehst Du das so?", und argumentativ versucht, Einsicht zu erzeugen. Man sollte aber auch bei sich selbst anfangen und fragen: "Wo habe ich denn Vorurteile – basierend auf dem einen oder anderen Grund?" Es geht doch am Ende darum, dass man im Miteinander fair und offen bleibt und Menschen so sein lässt, wie sie sind.

Größtenteils kamen die Beleidigungen über Social Media. Haben Sie so etwas auch schon einmal erlebt? Und würden Sie sich wünschen, dass die sozialen Netzwerke da stärker eingreifen?

Ich persönlich habe damit auf meiner Seite nicht zu kämpfen. Aber es gibt Seiten, die ein ganz anderes Publikum ansprechen, auf denen solche Kommentare auch gängiger sind. Der anonyme Raum lädt viele Menschen dazu ein, Aggressionen rauszulassen. Und natürlich sollten soziale Medien da auch mehr machen, zum Beispiel mithilfe ihrer Algorithmen, gerade um soziale Blasen fernab der Realität zu vermeiden. Gleichzeitig ist aber auch die Politik gefordert um für alle – also Nutzer und Unternehmen – klare Regeln zu formulieren.

Blicken wir auf die Zeit nach den Spielen. Anfang 2020 haben Sie verkündet, in die Trainingsgruppe des neunfachen Olympiasiegers Carl Lewis nach Houston zu wechseln. Durch Corona wurde das immer wieder aufgeschoben. Wie ist der Stand?

Grundsätzlich hat sich nichts verändert. Es ist angedacht für Herbst, aber aktuell beschäftige ich mich gar nicht damit und das wird auch so bleiben, bis meine Saison vorbei ist. Danach werde ich erst mal Urlaub machen – und dann kommt das Ganze eigentlich erst richtig ins Laufen.

Haben Sie sich im Vorfeld der Spiele Tipps von Lewis geholt?

Nein, bisher habe ich mir keine Tipps von ihm geholt. Weil das Ganze ja auch noch gar nicht richtig angelaufen ist. Es ist erst mal ein Versuch. Ich muss wissen, ob es mir dort vor Ort gefällt. Passt das Zwischenmenschliche? Wie ist es vom Training her? Macht mein Körper das mit? Wie spricht der darauf an? Das sind einfach Dinge, die noch mit im Raum stehen. Deshalb konzentriere ich mich erst mal auf das Leben hier und denke von Schritt zu Schritt. Amerika ist für mich noch nicht in Sichtweite.

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