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Olympia 2022 – Biathlon in der Krise: Wo bleibt die neue Laura Dahlmeier?


Wo ist die neue Laura Dahlmeier?

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Aus Peking berichtet Alexander Kohne

Aktualisiert am 06.02.2022Lesedauer: 5 Min.
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Laura Dahlmeier im Frühjahr 2019: Die ehemalige Biathletin hat große Fußstapfen hinterlassen.Vergrößern des Bildes
Laura Dahlmeier im Frühjahr 2019: Die ehemalige Biathletin hat große Fußstapfen hinterlassen. (Quelle: imago-images-bilder)

Nach Laura Dahlmeiers Karriereende 2019 sind Siege für das deutsche Biathlonteam Mangelware. Das Team ist überaltert, Nachwuchs fehlt und bei Olympia droht eine durchwachsene Bilanz. Wie es anders geht, zeigen die Skandinavier.

Wenn Uschi Disl an der Loipe steht, herrscht Gewusel. Überall flitzen Kinder hin und her. Seit einiger Zeit arbeitet die zweifache Olympiasiegerin als ehrenamtliche Biathlontrainerin in Mora. Etwas mehr als 12.000 Menschen leben hier in Mittelschweden – ein Ort vom Typ Bullerbü-Idylle. Hierhin ist die deutsche Sportlegende nach dem Karriereende ausgewandert, wohnt mit ihrem schwedischen Mann und den zwei gemeinsamen Kindern in einem über 100 Jahre alten Holzhaus.

In Mora ticken die Uhren etwas anders – auch im Biathlon. "Momentan haben wir in unserem Klub an die 40 Kinder bis 15 Jahre. Wir können uns vor Anmeldungen kaum retten", sagt Disl zu t-online. Die mittlerweile 51-Jährige lacht immer noch so oft und herzlich, wie sie Millionen TV-Zuschauer während der aktiven Karriere kennengelernt haben.

Momentan gebe es im Klub einfach nicht genug Gewehre, sonst wären noch mehr Kinder dabei, erklärt Disl. Biathlon ist in Schweden en vogue – sieht man auch im Weltcup der Profis. Dort mischen die Öberg-Schwestern Hanna und Elvira, 26 und 22 Jahre, die Frauenkonkurrenz mit ihrer frischen, angriffslustigen Art gehörig auf. Auch der 24-jährige Sebastian Samuelsson – aktuell Nummer vier bei den Herren – ist dabei, sich dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren.

Deutsche Siege sind die Ausnahme, nicht mehr die Regel

Schweden hat sie, die Talente, die in Deutschland so sehr fehlen. Denn im Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) herrscht seit dem Abschied von Laura Dahlmeier, die 2019 mit nur 25 Jahren ihr Karriereende verkündete, eine andere Zeitrechnung: Siege sind nun nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme.

Video | Uschi Disl: Das darf man bei Olympia nicht verpassen
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Quelle: t-online

Dies sieht man deutlich bei den Olympischen Spielen in Peking. Nachdem Deutschland vor vier Jahren in Pyeongchang mit sieben Medaillen noch erfolgreichste Nation war, wäre man heute auch mit zwei bis drei Podestplätzen zufrieden. Hoffnungsträger wie Denise Herrmann, Benedikt Doll und Erik Lesser sind allesamt jenseits der 30 und eine Athletin wie Dahlmeier, die vor vier Jahren allein drei Medaillen (davon zweimal Gold) holte, ist weit und breit nicht zu sehen.

Doch woran liegt das? Wann gibt es in Deutschland wieder Biathlon-Superstars wie Dahlmeier oder Magdalena Neuner, die 2010 in Vancouver dominierte? "Das ist eine Prognose, die ich schwer abgeben kann. Dahlmeier und Neuner waren natürlich außergewöhnliche Talente", gibt Ex-Weltklasseathletin Disl zu bedenken und verdeutlicht: "Dass jemand in diesen jungen Jahren schon so gut ist, gibt es nur sehr, sehr selten."

Dennoch gibt es im deutschen Biathlon wachsende Nachwuchssorgen. Bereits vor einem Jahr zeigte sich der Sportliche Leiter, Bernd Eisenbichler, beunruhigt. "Natürlich ist der Altersschnitt höher als in anderen Mannschaften im Weltcup. Wir arbeiten daran, das zu ändern", so der Bayer, der sich über die nächste Generation im deutschen Biathlon seit längerer Zeit Gedanken macht.

Eisenbichlers Plan

Der große "Überflieger" sei nicht in Sicht. "Wir haben da Arbeit vor uns", wiederholt Eisenbichler mantrahaft – und hat seinen Masterplan erarbeitet. Er will noch konsequenter in die zweite Garde investieren. "Mehr Lehrgänge, mehr Reibungspunkte, mehr Präsenzphasen an den Stützpunkten", konkretisiert Eisenbichler. Darüber hinaus wurden Perspektivkader verjüngt und die Schieß- und Lauftrainer des A-Kaders in die Nachwuchsausbildung integriert. Die übergeordnete Forderung des Sportdirektors: "Wir müssen eine eigene deutsche Handschrift entwickeln."

Unmittelbare Ergebnisse daraus sind nicht zu erwarten. "Wir sprechen hier von einer Dekade", umreißt Zibi Szlufcik im ZDF den Zeithorizont, mit dem man beim DSV denkt. Der gebürtige Pole ist im Skiverband seit etwa zweieinhalb Jahren als Cheftrainer für den Nachwuchs zuständig.

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Seine Prämisse: "Wir dürfen die jungen Athleten nicht verheizen, bevor wir im Seniorenbereich ankommen." Eine Forderung, der sich auch Biathlon-Legende Disl anschließt. "Das sehe ich als wichtigen Punkt in Deutschland: Die Jugend muss langsam an den Weltcup herangeführt werden. Sie soll nicht schon ausgebrannt sein, wenn sie in den Seniorenbereich kommt." Deshalb sagt sie klipp und klar: "Es ist nichts Überlebenswichtiges, Juniorenweltmeister zu werden. Man sollte den Spaß am Sport behalten."

Die Sache mit dem Spaß

Dieser Spaßfaktor scheint in Deutschland im Jugendbereich zuletzt etwas zu kurz gekommen zu sein. Szlufcik berichtete bereits vor einem Jahr von "über 20 hoffnungsvollen Talenten", die dem DSV in der jüngeren Vergangenheit von der Stange gegangen seien.

Wie es anders geht, macht Norwegen vor. Dort schaffen Nachwuchshoffnungen regelmäßig den Weg ins Weltcupteam – und das sogar, wenn sie im Juniorenbereich nicht überragend waren. Disls Hypothese dazu: "Es ist schon wichtig, im Jugendbereich regelmäßig zu trainieren – aber noch nicht mit diesem Leistungsgedanken im Hintergrund. In Norwegen haben die Kinder jeden Mittwoch einen Trainingswettkampf und werden so früh daran gewöhnt", so die achtfache Weltmeisterin.

Der norwegische Weg

Ein Punkt ist für Disl aber noch entscheidender: "Titel stehen dabei nicht im Vordergrund. Die haben nicht so einen großen Druck, unbedingt die großen Superstars im Juniorenbereich zu sein."

Exemplarisch dafür steht Sturla Holm Lägreid. Der 24-Jährige stieß in der vergangenen Saison wie aus dem Nichts in die Weltspitze vor – und hat mittlerweile vier Weltmeistertitel auf dem Konto. Seine WM-Titel im Juniorenbereich: null. Karrieren wie Lägreids gab es im deutschen Team seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr.

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Erik Lesser, der Routinier im DSV-Olympiaaufgebot, macht dafür den Übergang in den Seniorenbereich verantwortlich: "Wir schaffen es nicht, unsere Athleten beim Wechsel von den Junioren zu den Männern in der vollen Qualität auszubilden." Ein klassisches "Nachwuchsproblem" sieht der 33-Jährige nicht.

Ex-Athletin Disl widerspricht nicht grundsätzlich. Aus ihrer Sicht gewinnt aber ein anderer Faktor an Bedeutung. "Es gibt immer weniger Kinder in den Skiklubs. Deshalb sind solche Talente wie Dahlmeier und Neuner in Deutschland manchmal gar nicht zu entdecken."

Disl: "Talente von morgen sitzen manchmal nur vor dem Fernseher"

Das hänge mit unterschiedlichen Entwicklungen zusammen. "Als ich jung war, war ich jeden Tag draußen und habe mich bewegt. Das machen die Kinder heutzutage aber nicht mehr so viel und es gibt einfach weniger Nachwuchs. Die Talente von morgen sitzen manchmal nur vor dem Fernseher."

Entscheidender ist für Disl aber etwas anderes: "Für mich fängt das Problem beim Schulsport an. Der hat eine immer geringere Bedeutung. Dort sollte die Politik ansetzen – egal ob es um mehr Stunden, weniger Unterrichtsausfall oder vor allem mehr unterschiedliche Sportarten geht", so die 51-Jährige. "Das wird momentan einfach nicht als wichtig genug angesehen. Das ist fatal. Denn über den Schulsport können wir Kindern den Spaß an Bewegung wieder mehr vermitteln."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Uschi Disl
  • ZDF: Aufholjagd über die nächste Dekade hinweg
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