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Olympia 2022 | Biathlon: Dieser Nachwuchsstar jagt Rentier und isst nur selbst erlegtes Fleisch


Grönländische Biathletin Slettemark
Dieser Nachwuchsstar jagt Rentier und isst nur selbst erlegtes Fleisch

  • T-Online
Von Alexander Kohne, Zhangjiakou

Aktualisiert am 13.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ukaleq Slettemark: Die 20-Jährige ist als erste grönländische Biathletin bei Olympischen Spielen dabei. Von 30 Schüssen in Einzel und Sprint trafen alle ihr Ziel.Vergrößern des Bildes
Ukaleq Slettemark: Die 20-Jährige ist als erste grönländische Biathletin bei Olympischen Spielen dabei. Von 30 Schüssen in Einzel und Sprint trafen alle ihr Ziel. (Quelle: Athit Perawongmetha/reuters)

Ukaleq Slettemark ist eine Exotin bei Olympia. Die einzige Grönländerin weinte nach ihrem ersten Wettkampf, jagt gerne und isst nur selbst erlegtes Fleisch. Obwohl es in ihrer Heimat keinen Schießstand gibt, ist sie Juniorenweltmeisterin und beste Schützin im Feld.

Nach ihrem ersten Biathlonrennen weinte Ukaleq Slettemark bittere Tränen. Mit 14 Jahren verfehlte die Grönländerin bei starkem Wind fast alle Scheiben. Ein Drama mit Ansage, denn trainiert hatte sie das bis dahin nicht.

Dann geschah etwas, an das sich die mittlerweile 20-Jährige bis heute genau erinnert: "Der dänische Kronprinz hat mich heulen sehen, ist spontan zu mir gelaufen und hat mich getröstet", berichtet Slettemark t-online.

Seitdem hat sich einiges verändert: Die Biathletin gewann nicht nur die nächsten beiden Rennen ohne Schießfehler, sondern wurde 2019 Juniorenweltmeisterin, schaffte ein Jahr später den Sprung in den Weltcup und ist bei nun den Olympischen Spielen in China aktuell beste Schützin im Feld.

"Bin sehr zufrieden mit meinem Schießen"

Im Einzel- und Sprintrennen fanden alle 30 Schüsse den Weg ins Ziel. Im Einzel reichte das für Platz 53., im Sprint für Rang 65. "Ich bin sehr zufrieden mit meinem Schießen, aber beim Laufen kann ich einfach noch nicht mithalten", sagt die Nachwuchsathletin, die bei ihrem Junioren-WM-Titel vor drei Jahre sogar Schwedens Star Elvira Öberg hinter sich ließ.

Dass es im Seniorinnenbereich noch nicht für ganz vorne reicht, beunruhigt Slettemark nicht: "Ich bin erst 20 und will mich langsam steigern."

In die Weltspitze möchte sie dennoch irgendwann vorstoßen. Nur auf einen Zeitpunkt möchte sich die Grönländerin nicht festlegen: "Es kann in vier, acht oder zwölf Jahren so weit sein. Ich lasse mir da Zeit." Eines ist für Slettemark aber klar: "Ich habe hohe Ziele, möchte die Beste werden – also Olympiasiegerin."

Denise Herrmann als Vorbild

Da ist es auch kein Wunder, dass die deutsche Denise Herrmann – frischgebackene Olympiasiegerin im Einzel – zu ihren "Vorbildern" gehört. "Denise ist eine tolle Athletin und eine Inspiration", sagt Slettemark und verrät. "Als ich meine Waffe wechseln sollte, habe ich mich von ihrem Gewehr inspirieren lassen – gerade was den Griff beim Stehendschießen angeht."

Zumindest bei den Olympischen Spiele hat Slettemark ihr Vorbild am Schießstand schon überholt. Dass es für die Grönländerin mit dem Gewehr so gut läuft, ist umso erstaunlicher, weil es in ihrer Heimat nicht einmal einen Schießstand gibt.

"Ich wünsche mir so sehr, dass sich das ändert", erklärt Slettemark, doch so lange dies nicht der Fall ist, trainiert sie in Norwegen. Dort besuchte Slettemark eine Sportschule und arbeitet nun in der Olympiastadt Lillehammer an ihrer Biathlonkarriere.

Schon Vater und Matter waren im Biathlon aktiv

Dass die 20-Jährige diesen Weg einschlagen würde, war fast unausweichlich. Denn: Die Familie Slettemark ist Biathlon-verrückt. Vater Oystein war 2010 in Vancouver der erste grönländische Biathlet bei den Olympischen Spielen, Mutter Uiloq startete 80-mal im Weltcup und ist Präsidentin des Biathlonverbandes der größten Insel der Welt.

2002 schaffte sie es nur nicht zu Olympia, weil sie mit Ukaleq schwanger war. "Als Baby haben mich meine Eltern dann immer mitgenommen zu den Rennen. Ich bin also mit Biathlon aufgewachsen", berichtet Ukaleq Slettemark.

Als Kind habe sie in Norwegen gelebt – ihr Vater ist gebürtiger Norweger – und einmal in der Woche trainiert. Dann zog die Familie nach Grönland, wo sich Slettemark auf Langlauf konzentrierte. Erst nach der eingangs erwähnten Episode ging es zurück nach Norwegen.

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"Rentier – das schmeckt am besten"

In ihrer Heimat ist die 20-Jährige deshalb nur noch selten. "Einmal im Jahr kehre ich nach Grönland zurück, normalerweise im Juli und August – zur Jagdsaison", verrät Slettemark, die seit Kindertagen begeisterte Jägerin ist.

"Damit bin ich groß geworden. Schon als ich klein war, gab es im Sommer immer Rentier – das schmeckt einfach am besten", sagt sie. In Grönland jage jeder. Deshalb esse sie auch nur selbst gejagtes Fleisch. "Das ist eine ethische Sache – ich mag einfach kein industriell produziertes Fleisch. Deshalb essen wir eigentlich nur Rentier und Fisch."

Kommt ihre Treffsicherheit am Schießstand also von der frühen Erfahrung im Jagen? "Das weiß ich nicht", sagt die 20-Jährige und lacht. Sie sei auch nicht nur zum Jagen auf Grönland. Wenn Schnee liege, trainiere sich natürlich auch Langlauf. Auf natürlichem Schnee wohlgemerkt.

Künstliche Anlagen – "sehr seltsam"

Die komplett auf künstlichem Untergrund angelegten olympischen Anlagen in China findet sie dagegen befremdlich: "Natürlich ist das sehr seltsam", sagt Slettemark. "Aber was hätte man anderes machen sollen? Kein anderer wollte die Spiele. Und wenn niemand die Spiele in der Form, wie sie jetzt sind, haben will – vielleicht sollte man sie da verändern, damit sie wieder auf echtem Schnee und in echter Natur stattfinden können."


Wenn es so weit sein sollte, hofft Slettemark auch, bei der olympischen Eröffnungsfeier mit einem grönländischen Team einlaufen zu dürfen. Weil Grönland offiziell autonomer Teil des Königreichs Dänemark ist, gehört sie aktuell zur dänischen Delegation. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erkennt die Insel nicht als eigenes Land an.

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Im Biathlon-Weltcup darf Slettemark dagegen für Grönland starten und auch bei einer Handball-Weltmeisterschaft war Grönland bereits mit einem eigenen Team dabei. "So richtig verstehe ich das nicht", erklärt Slettemark. "Ich bin zwar stolz darauf, für das Königreich Dänemark anzutreten, aber natürlich würde ich lieber für mein eigenes Land starten."

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Ihre Wurzeln präsentierte die junge Grönländerin immerhin auf ihrem Rennanzug, den sie mit Tunniit-Markierungen der Inuit gestaltet hat. Und selbst die Dänen würden sie als "grönländische Biathletin, die für Dänemark antritt" bezeichnen.

"Das IOC sollte das ändern", sagt Slettemark mit einem Lächeln. Sie bezeichnet es als großen Traum, "bei den nächsten Winterspielen mit der grönländischen Fahne an der Eröffnungsfeier teilzunehmen." Bei ihrem tränenreichen ersten Rennen vor sechs Jahren hatte sich Slettemark das niemals vorstellen können.

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Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ukaleq Slettemark im Biathlonstadion von Zhangjiakou
  • Instagram-Account von Ukaleq Slettemark
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