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Dragqueen Barbie Breakout: "Gefahr ist oft hoch, verprügelt zu werden"


Barbie Breakout
"Die Gefahr ist oft hoch, angespuckt oder sogar verprügelt zu werden"

InterviewVon Benedikt Amara

16.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Barbie Breakout: Sie moderiert "Drag Race Germany".Vergrößern des Bildes
Barbie Breakout: Sie moderiert "Drag Race Germany". (Quelle: Paramount Plus)

Sie muss oft um ihre Sicherheit fürchten und wird im Alltag angefeindet – Barbie Breakout ist Dragqueen. Mit t-online spricht sie über die Ablehnung ihr gegenüber.

Barbie Breakout ist Dragqueen und Aktivistin: Vor zehn Jahren nähte sie sich den Mund zu – aus Protest gegen die Homophobie der russischen Regierung. Aber den Mund lässt sie sich nicht verbieten. Sie geht offen mit ihrer HIV-Erkrankung um und leistet Aufklärungsarbeit. Jetzt moderiert sie den deutschen Ableger des US-Erfolgsformats "RuPaul’s Drag Race".

Mit t-online spricht die Buchautorin über die Ausgrenzung von Dragqueens und über Konzepte, mit denen man Diskriminierung entgegentreten kann.

t-online: Wie häufig erleben Sie Ablehnung in Ihrem Alltag als Dragqueen?

Barbie Breakout: Manchmal reicht es, als sichtbar schwuler Mann die Straße entlangzulaufen, um für die eigene Sicherheit fürchten zu müssen. Ich bin so oft angegriffen worden, daher scanne ich mittlerweile jedes Mal unterbewusst meine Umgebung: Wer kann mir hier gerade gefährlich werden? Die Gefahr ist oft sehr hoch, beschimpft, angespuckt, bedroht oder sogar verprügelt zu werden. Und wie gesagt: das nur als sichtbar schwuler Mann. Als Dragqueen ist die Gefahr deutlich größer. Es gibt sehr viele Ressentiments gegen Dragqueens.

Dragqueen

Dragqueens sind – meist, nicht immer – Personen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und die etwa bei künstlerischen Performances Weiblichkeit(-en) darstellen beziehungsweise parodieren. Beim gezielten Einsatz von Geschlechterzeichen geht es teils um das Aufzeigen der Konstruiertheit von Geschlecht, aber auch um den Ausdruck eigener Identitäten.

Solche Ressentiments wurden zuletzt auch von rechten Parteien geschürt – zum Beispiel mit Plakaten der AfD, auf denen Kinder von einer Dragqueen bedrohlich angeschaut werden. Was macht das mit Ihnen?

Es macht mich wütend und verletzt mich. Ich merke, dass sich mein Umgang mit Kindern in der Öffentlichkeit dadurch verändert hat und ich befangen bin: Neulich stand ich mit einem Vater und seinen zwei Kindern auf einer Rolltreppe. Als einem Kind etwas runtergefallen ist, habe ich es aufgehoben und dem Kind gereicht. Dabei habe ich mich selbst bei dem Gedanken ertappt: "Hoffentlich sende ich damit keine falschen Signale." Wenn man schon zögert, ob man helfen darf, ohne dass andere komisches Zeug denken, läuft doch wirklich was schief. Und alles nur, weil die Parteien, die diese Narrative pushen, ihren Wählenden nichts Besseres anzubieten haben. Es ist einfacher, gegen Migranten, Dragqueens, das Gendern und trans Menschen zu hetzen, als Politik zu machen, die tatsächliche Lösungen für die Probleme der Wählenden liefert. Es bräuchte dringend Konzepte, um auf die moderne Welt – und dazu gehören auch Dragqueens – zu reagieren.

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Wie könnten solche Konzepte aussehen?

Es wäre wichtig, dass Menschen vermehrt in Kindergärten und Schulen gehen und Aufklärungsarbeit leisten – nicht nur, um Queerfeindlichkeit zu bekämpfen, sondern beispielsweise auch Frauenhass oder Fremdenfeindlichkeit. So erhalten Kinder das Angebot, über den Tellerrand ihrer Eltern hinauszuschauen, und bekommen vermittelt: Du musst nicht glauben, was deine Eltern glauben. Das würde viele Probleme in unserem Zusammenleben lösen. Und ich rede da nicht von der viel beschworenen "Indoktrinierung", ich rede von Fakten. Von wissenschaftlich belegten Wahrheiten, die nun mal klarmachen, dass wir alle gleich sind. Kinder haben ein Recht auf Fakten, deswegen gehen sie zur Schule.

Im Frühjahr löste eine geplante Dragqueen-Vorlesung für Kinder in München eine hitzige Debatte aus. Die CSU wollte die Vorlesung zum Schutze der Kinder sogar untersagen. Wie denken Sie darüber?

Das ist doch einfach komplett hirnrissig. Wie kann es einem Kind schaden, wenn ein geschminkter Mensch aus einem Buch vorliest, in dem es um Selbstliebe geht? Es macht mich traurig, dass wir in einer so aufgeklärten Zeit leben, mit all dem Wissen der Welt in unserem Handy, das wir rund um die Uhr zur Hand haben, und Leute trotzdem lieber solchen Unsinn glauben. Dragqueens sind keine Gefahr für irgendjemanden.

Sie moderieren mit Gianni Jovanovic die deutsche Ausgabe von "RuPaul's Drag Race". Das Original aus den USA erhielt 27 Emmys und ist mit internationalen Ablegern, beispielsweise in Thailand oder Frankreich, erfolgreich. Worum geht es in der Show?

Bei "Drag Race Germany" treten Dragqueens in verschiedenen Kategorien gegeneinander an: Dort müssen sie beispielsweise singen, tanzen und Kostüme nähen. Die zwei Schwächsten müssen dann immer beim "Lip Sync"-Duell zu einem Playbacksong performen. Bis wir irgendwann "Germany’s Next Drag Superstar" gefunden haben.

Ist Deutschland bereit für eine Dragshow im Fernsehen?

Definitiv. Vielleicht nicht auf dem großen Sendeplatz – das haben wir ja bei "Queen of Drags" mit Heidi Klum auf ProSieben gesehen. Dort wurde die Sendung nach nur einer Staffel abgesetzt. Aber bei einem Streamingdienst sind wir mit "Drag Race Germany" gut aufgehoben und erreichen so direkt unsere Zielgruppe.

Sie bezeichnen sich selbst als genderfluid. Was bedeutet das?

Ich bewege mich zwischen den Geschlechtern, also zwischen den beiden Polen "männlich" und "weiblich".

Genderfluid und nicht-binär

Mit dem englischen "Genderfluid"-Konzept werden "liquide" Geschlechtsidentitäten beschrieben, die sich in Bewegung befinden und sich manchmal, oft oder sehr oft ändern können.

Nicht-binäre Menschen haben eine Geschlechtsidentität, die weder-noch, also weder ganz/immer weiblich, noch ganz/immer männlich ist. Manche nicht-binäre Personen können den Wunsch nach Körperveränderungen hin zu einem nicht-binären, "uneindeutigen", androgynen Geschlechtsausdruck haben, andere nicht.

Einige Menschen sind von den vielen Gendervariationen heute genervt. Was entgegnen Sie da?

Als Kind habe ich mich teilweise als Mädchen definiert und dachte lange, ich sei trans. Mir haben die Gendervariationen bei meiner Identitätssuche geholfen. Als vor einigen Jahren die neuen Genderbegriffe aufkamen, habe ich mich darin wiedergefunden: Ich habe verstanden, dass ich nicht-binär bzw. genderfluid bin – also mich irgendwo zwischen den Polen bewege.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Barbie Breakout
  • Bundeszentrale für politische Bildung
  • Paramount Plus: "Drag Race Germany"
  • Autobiografie von Barbie Breakout
  • instagram.com: Profil von barbiebreakout
  • Eigene Recherchen
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