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Reizwort "Fusion": Das steckt hinter den Plänen von ARD und ZDF


Angst vor der Fusion?
Das steckt hinter den Mediathek-Plänen von ARD und ZDF

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

Aktualisiert am 22.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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"Traumschiff" oder "Tatort": Ob Florian Silbereisen, Jan Josef Liefers oder Axel Prahl, in den Mediatheken von ARD und ZDF soll es künftig alles auf einmal geben.Vergrößern des Bildes
"Traumschiff" oder "Tatort": Ob Florian Silbereisen, Jan Josef Liefers oder Axel Prahl, in den Mediatheken von ARD und ZDF soll es künftig alles auf einmal geben. (Quelle: ARD/ZDF/Montage t-online)

ARD und ZDF haben am Montag über "Die Zukunft der Mediatheken" gesprochen und sich dabei viel selbst gelobt. Doch steckt hinter der PR-Fassade wirklich eine Innovation?

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen erlebt unruhige Zeiten. Durch die ausbleibende Beitragserhöhung und den Wahlkampf, in dem unter anderem die FDP lautstark die Verschlankung von ARD und ZDF fordert, wächst der Druck auf die Senderchefs. Da kommt ein Termin, bei dem die Verantwortlichen der Presse ein neues Prestigeprojekt vorstellen können, doch gerade recht. Oder?

Tom Buhrow wählte gleich zu Beginn der rund einstündigen Pressekonferenz von ARD und ZDF zum Thema "Die Zukunft der Mediatheken" gewichtige Worte. Der ARD-Vorsitzende bewertete die Pläne der Sender als einen "Riesen-Quantensprung", vor allem für eine "öffentlich-rechtliche Präsenz im Netz, gerade wenn man an die globale Konkurrenz denkt". Die globale Konkurrenz, das sind namentlich Streaminggiganten wie Netflix, Disney oder Amazon.

Dass sich die ARD mit diesen internationalen Playern messen möchte, mag vermessen klingen, wird aber an diesem Tag mehr als nur einmal erwähnt. Auch der SWR-Intendant Kai Gniffke, der innerhalb der ARD zuständig ist für die Mediathek, zaubert ein verheißungsvolles Mantra aus der Tasche: "Wir wollen nicht nur mitspielen, sondern langfristig eine führende Rolle auf dem Markt übernehmen", so der 60-Jährige, der zuletzt mit Thomas Gottschalk schon mal einen Moderator angeheuert hat, der durch seinen ehemaligen Wohnsitz zumindest ein bisschen US-Flair in die Rundfunkanstalten bringen könnte. Aber wenn schon niemand "Nochmal 18!" im linearen Fernsehen schaut, wer streamt es dann in der ARD-Mediathek?

Zurück zum Thema: Thomas Bellut vom ZDF und Tom Buhrow von der ARD haben am Montag ihre neuen Mediatheken vorgestellt. Die Betonung liegt auf dem Plural, denn: Eine gemeinsame, senderübergreifende Plattform wird es nicht geben. Das Reizwort des Tages lautet "Fusion". Womit wir wieder bei Thomas Gottschalk wären, der genau das erst kürzlich in einem Interview gefordert hatte – aber bei seinen Auftraggebern kommt er damit gar nicht gut an.

"Ich würde das nicht aufgeben"

"Wir haben ja gerade eine politische Diskussion über Auftrag und Strukturen", erläutert Tom Buhrow, auf mögliche Fusionspläne angesprochen, und meint: "Es gibt auch ein oder zwei Parteien, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Das ist eine legitime Frage in der Demokratie." Doch dann erteilt der Vorsitzende der ARD diesen Ideen eine Absage: "Ich glaube, dass die Konkurrenz, die uns unser Rundfunksystem inklusive der kommerziellen Teilnehmer beschert hat, eines der besten Rundfunksysteme der Welt hervorgebracht hat. Ich würde das nicht aufgeben."

Thomas Bellut schickt dem hinterher: "Es spricht alles gegen eine Fusion", und macht damit den Standpunkt der zwei Sender unmissverständlich deutlich. Schließlich gelte auch beim Fernsehen das Prinzip der Marktwirtschaft, so die Verantwortlichen: Konkurrenz belebe das Geschäft und das sei auch bei ARD und ZDF gut so.

Womit wir bei der eigentlichen Idee hinter der PR-Veranstaltung sind: Einigkeit betonen, ohne zu sehr Einheit zu sein. Was ambivalent klingt, ist es auch. Die beiden Sender müssen geschlossen auftreten, um neue Ideen glaubhaft nach außen hin darstellen zu können, dürfen aber nicht so wirken, als wäre bei so viel gemeinsamer Linie ein Zusammenschluss nur logisch. Deswegen bündeln ARD und ZDF künftig ihre Kräfte bei den Mediatheken, indem sie einen gemeinsamen Algorithmus entwickeln und Menschen, die Krimis suchen, sowohl den "Tatort" als auch "Helen Dorn" anbieten können – sowohl in der einen als auch in der anderen Mediathek.

Dass die Öffentlich-Rechtlichen bei ihren bestehenden Plattformen bleiben, hat also einen einfachen Grund. Sie wollen ganz bewusst darauf verzichten, eine gemeinsame neue Marke für das Angebot zu schaffen. Denn sonst würden die kritischen Fragen, warum es im Internet eine gemeinsame Plattform beider Sender gibt, aber im linearen Fernsehen nicht, lauter. Diesem Vorwurf möchte man elegant aus dem Weg gehen.

"Kosmetische Zusammenlegung löst keine Probleme"

Ob die Nutzer, die von Thomas Bellut und Tom Buhrow immer wieder betont werden während der Präsentation, das genauso verstehen, wie die Sender selbst? Abwarten. Auch die "kleine Revolution", die Bellut in den Plänen sieht, werden nicht alle so bewerten, wie er.

David Streit, Gründer der Mediatheken-Empfehlungsplattform Shelfd.com, beschäftigt sich tagtäglich mit der Kuration von Streamingangeboten und den Inhalten der ARD- und ZDF-Mediatheken. Er erklärt im Gespräch mit t-online: "Es stimmt sicherlich aus der Innenperspektive, dass die Ankündigung einer kleinen Revolution gleicht. Denn die Häuser haben bisher lediglich sporadisch zusammengearbeitet. Von außen wird das aber kaum so wahrgenommen werden. Denn technisch saubere Dienste sind längst der Standard und Netflix, YouTube, Spotify und Co setzen die Messlatte bereits sehr hoch."

Genau die Messlatte also, die ARD und ZDF mit ihren gewichtigen Worten selbst gelegt haben. Vielleicht ist der Blick nach außen, ganz im Stile geschickter Machtpolitik, aber auch Strategie, um dem Gegenwind im eigenen Land die Schärfe zu nehmen? Schließlich lässt sich die Geschichte von der eigenen Stärke gut erzählen, wenn man plötzlich zum David wird und Netflix und Co die Übermacht Goliath verkörpern.

Mediatheken-Experte Streit jedenfalls vermisst "eine größere Vision dahinter". Er meint: "Die kosmetische Zusammenlegung der Mediatheken löst keineswegs die medienpolitische Diskussion über die Relevanz des Rundfunks im Jahr 2021. Wenn es immer egaler wird, ob man die Seiten von ARD oder ZDF aufruft, muss man sich auch die Fragen nach dem grundsätzlichen Auftrag und der Eigenständigkeit gefallen lassen."

Womit wir wieder bei der Frage nach einer Fusion wären. Aber die will bei ARD und ZDF einfach niemand hören.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Interview mit David Streit
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