t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeDigitalAktuelles

Sheryl Sandberg verlässt Meta: Abschied von Zuckerbergs Stimme der Vernunft


Sheryl Sandberg
Abschied von Zuckerbergs Stimme der Vernunft

  • Jan Mölleken
Von Jan Mölleken

Aktualisiert am 02.06.2022Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Sheryl Sandberg sammelte erste Erfahrungen bei Google und kam 2008 zu Facebook.Vergrößern des Bildes
Sheryl Sandberg sammelte erste Erfahrungen bei Google und kam 2008 zu Facebook. (Quelle: Thibault Camus/AP/dpa./dpa)

"Es ist das Ende einer Ära", sagte Mark Zuckerberg zum Rückzug von Sheryl Sandberg. Doch die Kluft zwischen beiden wurde seit Jahren größer. Über Sandbergs gewandelte Rolle und die Folgen ihres Weggangs.

Sheryl Sandbergs Abschied von Meta ist ein bedeutender Wechsel für das Unternehmen – überraschend kam er jedoch nicht. Dass sich das ehemalige Führungsteam von Facebook, später dann Meta, schon seit Jahren immer weiter voneinander entfernt hat, gilt als offenes Geheimnis in der Branche.

Facebooks Vorzeige-Chefin zog sich in den vergangenen Jahren zunehmend aus dem Rampenlicht zurück und machte Platz für Mark Zuckerberg als alleinige Konzernspitze.

Aus diesem Grund dürfte sich der Weggang von Sandberg im Herbst nicht mehr nennenswert auf die Kultur im Unternehmen auswirken. Die Stimme der Vernunft, die Sandberg für Zuckerberg vielleicht einmal gewesen sein mag und die in der Vergangenheit wenigstens an einzelnen Stellen mäßigend auf den Unternehmensgründer eingewirkt haben könnte, ist längst in den Hintergrund getreten und verstummt. Das sah zu Beginn von Sandbergs Karriere bei Facebook noch ganz anders aus.

Sie war die Erwachsene im Start-up aus College-Kids

Als Zuckerberg sie 2008 von Google zu Facebook holte, verkörperte Sandberg all das, was Mark Zuckerberg fehlte: Waren der damals 23-jährige 'Zuck' und seine Mitarbeiter im Wesentlichen College-Kids, die außer ihren Programmier-Skills vor allem durch Nerdtum und Unreife auffielen, so war die erfolgreiche Geschäftsfrau Sandberg mit ihren 38 Jahren definitiv die Erwachsene im jungen Unternehmen.

Bei Google hatte sie zuvor die Sales-Kanäle für AdWords und AdSense aufgebaut – zwei von Googles wichtigsten Werbeerlösquellen. Damit war Sandberg genau die Managerin, die Facebook brauchte, um aus dem vielversprechenden Start-up mit damals rund 100 Millionen Nutzern einen gewinnbringenden Milliardenkonzern zu machen. Bereits ein Jahr nach ihrem Start hatte Facebook seinen Umsatz verdreifacht und schrieb schwarze Zahlen.

Die Absolventin der Harvard Business School hatte den Nerds um Zuckerberg aber auch etwas anderes voraus: Sandberg ist charmant, weltgewandt und bewegt sich souverän in den Kreisen der Reichen und Mächtigen, was sie wohl auch ihren beruflichen Stationen bei McKinsey oder der Weltbank zu verdanken hat. Zwei Jahre lang war sie sogar Stabschefin beim US-Finanzminister im Kabinett von Bill Clinton. Und lange Zeit war sie es, die Facebook etwa auf renommierten Bühnen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos vertrat.

Ihre prominente Rolle bei Facebook und nicht zuletzt ihr Engagement für mehr Frauen in Führungsrollen machten sie zu einer der bekanntesten und einflussreichsten weiblichen Managerinnen der Welt.

Neben ihrer Aufgabe als Finanzchefin und Geschäftsstrategin fiel Sandberg auch die Aufgabe zu, Facebook in den Bereichen "Policy" und "Security" zu lenken. Diese Bereiche umfassen auch schwerwiegende Fragen, wie etwa den Umgang mit Falschaussagen prominenter Politiker auf der Plattform oder auch den gezielten Angriff russischer Propagandakräfte auf das Netzwerk.

Diese Bereiche mögen in den Anfangsjahren von Facebook eher nebensächlich gewesen sein, spätestens ab 2016 gerieten sie zunehmend ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit – und Facebook sah dabei selten gut aus.

Die Präsidentschaft von Donald Trump war eine Zäsur für Sandberg

Eine nicht unwesentliche Zäsur dürfte für sie die US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 bedeutet haben. Bereits damals zeichnete sich ein mögliches Ende von Facebooks Spitzenduo ab: Die bekennende Demokratin Sandberg galt als aussichtsreiche Kandidatin für den Posten der Finanzministerin in einer Regierung unter der Führung von Hillary Clinton.

Doch zur allgemeinen Überraschung gewannen die Republikaner mit Donald Trump die Wahl – und Sandberg blieb bei Facebook und musste der Öffentlichkeit unangenehme Fragen beantworten – etwa wie es dazu kommen konnte, dass ausgerechnet Facebook eine so zentrale Rolle bei Russlands Bemühungen spielte, die US-Wahl zu beeinflussen. Und warum das Unternehmen so wenig dagegen unternommen hatte, nachdem das Sicherheitsteam von Facebook verdächtige russische Aktivitäten bemerkt hatte.

Sandberg ignorierte den Skandal zunächst und reagierte zu spät und wenig entschlossen. Die Lichtgestalt des Unternehmens machte keine gute Figur und soll auch intern heftig für den Vorfall und die Reaktion kritisiert worden sein, wie zwei Reporterinnen der "New York Times" im vergangenen Jahr in ihrem Enthüllungsbuch. "Inside Facebook: Die hässliche Wahrheit" nachzeichneten.

Im Gespräch mit t-online erklärte Jessica Kang, eine der Autorinnen, anlässlich der Bucherscheinung: "Bei Sheryl Sandberg sieht man absolut, wie sich ihre Rolle entwickelt [...], wenn sich Krisen ereignen. Während der Trump-Jahre [...] traten alle bestehenden Probleme innerhalb der Plattform erst richtig zutage."

Die Ursachen dieser Probleme waren vielfältig, doch die öffentliche Bewältigung der Krisen fiel stets in den Hoheitsbereich von Sandberg – und sie sah selten gut aus dabei.

Das gilt insbesondere auch für den Datenskandal um Cambridge Analytica. Die Enthüllungen sorgten für die bislang wohl größte öffentliche Krise des sozialen Netzwerks. Medien berichteten, dass Zuckerberg Sandberg und ihren Teams die Schuld an der schlechten Presse gab. Gegenüber Freunden soll die Managerin später gesagt haben, dass sie sich frage, ob sie sich Gedanken um ihren Job machen müsse.

Erste Risse in der Beziehung des Facebook-Spitzenduos

Öffentlich wahrte das Spitzenduo zwar noch die geschlossene Fassade – rückblickend darf man spätestens zu dieser Zeit die ersten ernsten Risse in der Beziehung der beiden vermuten. Auch damals soll sie laut "New York Times" mit Kollegen über einen Abschied von Facebook gesprochen haben – sie habe das Unternehmen jedoch nicht während einer Krise verlassen wollen.

Gleichzeitig verschob sich innerhalb des Unternehmens die Rolle von Sandberg zunehmend. Zuckerberg übernahm mehr Verantwortung bei Facebook, traf in der Folge auch Entscheidungen hinsichtlich allgemeiner Unternehmenspolitik, ohne dies mit Sandberg abzusprechen.

"Sandberg war mit vielen Dingen nicht einverstanden, vor allem was die Redefreiheit anging – etwa das manipulierte Video der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, oder das Thema Holocaust-Leugnung", so Jessica Kang im t-online-Interview.

Sheryl Sandbergs Einfluss auf Mark Zuckerberg war zu diesem Zeitpunkt bereits gering, berichtete Kang weiter: "Sie war nicht in der Lage, Zuckerberg umzustimmen, auch in einigen weiteren Fällen. [...] Ihr Einfluss und ihre Macht innerhalb Facebooks waren begrenzt. Das hat für uns noch einmal den Eindruck bestärkt, dass dies ein Unternehmen ist, das in so vielen Belangen von einer Person gelenkt wird: Mark Zuckerberg. Er war der Mitgründer und er bleibt die wichtigste und mächtigste Person im Unternehmen."

Sandbergs Weggang überraschte kaum, ist dennoch ein Einschnitt

Spätestens mit dem Umbau Facebooks hin zur neuen Marke Meta wurde Sandbergs Abschied auch im Organigramm vorbereitet. Zumindest legen das die Recherchen des "Wall Street Journal" aus dem vergangenen Jahr nahe: Während Sandbergs Zuständigkeiten und Zahl der Mitarbeiter abnahmen, wuchsen die anderer Führungskräfte deutlich – einer von ihnen etwa der bisherige Chef für Unternehmenswachstum, Javier Olivian, der Sandberg vermutlich auch als COO beerben wird.

Auch die erst im Februar erfolgte Beförderung von Nick Clegg zum "President of Global Affairs" – was ihn auf dieselbe Ebene hob wie Zuckerberg und Sandberg – könnte als ein weiteres Signal gelesen werden.

Loading...
Loading...
Loading...

Praktisch dürfte der Abschied von Sheryl Sandberg keine dramatischen Folgen für Meta haben, denn die einstmals mächtige Nummer Zwei war in den vergangenen Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten.

Symbolisch kennzeichnet der Weggang jedoch tatsächlich das Ende einer Ära: Mit ihr geht vermutlich die letzte Top-Managerin im Konzern, die zumindest eine Zeit lang Einfluss auf den CEO von Facebook hatte. Mit ihr geht damit auch die letzte Person, die dem uneingeschränkten Machtanspruch Mark Zuckerbergs noch entgegenstand.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website